Until Dawn (PS4) im Test

von Stefan Hohenwarter 15.09.2015

Acht Teenager sitzen in einer verlassenen Hütte auf einem verschneiten Berg, als plötzlich Mysteriöses geschieht. „Das kennen wir doch schon“, denkt ihr euch jetzt vielleicht. Ja, stimmt, allerdings nur von der Filmindustrie. Supermassive Games katapultiert euch mit dem PS4-exklusiven Until Dawn in besagtes Setting. Was ich davon halte und ob der Horrortrip auch auf der Konsole funktioniert, erfahrt ihr in meinem Testbericht.

Ein Scherz mit Folgen

Ein Haufen Teenager trifft sich in einer Hütte auf einem schneebedeckten Berg. Unter ihnen sind ein gewisser Josh Washington sowie seine beiden Schwestern, Hannah und Beth. Mit dabei ist auch der typische College-Boy Mike, auf den Hannah ein Auge geworfen hat. Als der Schwarm die Teenagerin in ein Zimmer bittet, um etwas Spaß zu haben, schnappt die Falle zu: Die anderen haben sich im Zimmer versteckt und die Szene gefilmt. Schockiert und vor der Gruppe bloßgestellt, läuft Hannah aus dem Haus. Ihre Schwester, Beth, läuft ihr nach, und schon kommt es zu einem der wichtigsten Features von Until Dawn: der Entscheidungsfindung in wenigen Sekunden. Ihr spielt Beth und müsst entscheiden, ob ihr den eingeschlafenen Josh weckt oder die anderen ruft. Ich habe mich dazu entschieden, Josh zu wecken – ohne Erfolg. Dennoch versammelt sich die Gruppe kurz darauf vor der Tür, und Beth entschließt sich, Hannah zu folgen.

Auf dem Weg über die verschneiten und dunklen Pfade – natürlich ist gerade Nacht – findet ihr ein Totem amerikanischer UreinwohnerInnen, das euch bei genauerer Betrachtung eine rund einsekündige Vision zeigt: Ihr seht, wie Beth abstürzt, mit dem Rücken auf einem Stein aufschlägt und dann zusammen mit Hannah am Boden eines Abgrunds zu liegen kommt. Wie es dazu kommt, wird euch aber nicht gezeigt. Es bleibt also eurer Vorstellung überlassen – und das ist wesentlich schlimmer. Ihr legt das Totem wieder auf den Boden zurück und setzt die Suche nach eurer Schwester fort. Als ihr sie endlich findet, seht ihr aus einer anderen Perspektive, die ein wenig an eine Infrarotsicht erinnert, dass etwas sich den beiden Teenagerinnen, die direkt an einer Klippe stehen, nähert. Da geschieht es: Hannah stürzt ab, doch Beth reagiert geistesgegenwärtig. Sie packt Hannah beim Arm und hält sich an einer Baumwurzel fest, als sich plötzlich eine Flammenfontäne über ihrem Kopf ausbreitet. Ein Kerl greift nach euch, und ihr müsst euch entscheiden: Lasst ihr Hannah fallen, um euch selbst zu retten, oder versucht ihr weiterhin, Beth zu retten? Egal, wie ihr euch entscheidet, die Szene endet damit, dass die beiden Schwestern blutverschmiert am Boden einer Schlucht zu liegen kommen.

Der Psychoanalytiker

Kurz darauf landen wir in der Praxis des Psychoanalytikers Dr. A. J. Hill, der euch sagt, dass niemand ändern könne, was vor einem Jahr passiert sei. Ihr solltet das akzeptieren, um die Zukunft in Angriff zu nehmen. Aber jede Entscheidung, die ihr von nun an trefft, habe einen Einfluss auf euch, eure Zukunft und die Personen in eurem Umfeld. Kleiner Spoiler: Dieser Auftritt wird nicht der letzte des Psychiaters sein.

Until Dawn_1024x576

Ein Jahr später

Gleicher Ort – ein Jahr nach der Tragödie. Die Teenager von damals treffen sich erneut in der Hütte. Josh hat allen eine Videobotschaft geschickt, in der er behauptet, dass sich wohl auch seine verstorbenen Schwestern freuen würden, wenn sich alle dieses Jahr wieder an diesem verschneiten Ort einfinden. Warum Josh denkt, dies sei eine gute Idee, oder warum die anderen Teenager auf den verrückten Vorschlag eingehen, lässt sich nur schwer nachvollziehen; aber das sind wohl Fragen, die man in diesem Genre nicht stellt.

Der Abend beginnt ganz unterhaltsam, wobei es auch Konfliktpotenzial zwischen den Charakteren gibt. Dennoch wirkt alles ganz entspannt, und niemand redet über den Vorfall von vor einem Jahr. Als die Gruppe sich dann plötzlich aufteilt, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Welcher das ist, wird von euch beeinflusst, denn von nun an schreibt ihr mit jeder Entscheidung, die ihr trefft, eure eigene Geschichte, in der am Ende alle acht Teenager überleben können – oder eines gewaltsamen Todes sterben.

Der Schmetterlingseffekt …

… beeinflusst die Story maßgeblich. Jede Entscheidung, die ihr trefft, kann Auswirkungen auf die Zukunft haben. Dabei handelt es sich nicht zwangsweise um die nächsten paar Sekunden. Einige Entscheidungen scheinen auf den ersten Blick belanglos zu sein, haben aber verhängnisvollen Konsequenzen. Durch dieses System ergeben sich unzählige Geschichtspfade, denen ihr folgen könnt. Damit ihr einen Eindruck davon bekommt, versucht euer Glück am besten beim folgenden interaktiven Trailer:

Intensives Spielerlebnis dank fixer Kameras und Spoiler

Wie bereits zuvor kurz erwähnt, gibt es für fleißige ErkunderInnen der Welt die Möglichkeit, Totems zu finden, die einen rund einsekündigen Ausschnitt einer möglichen Zukunft zeigen. Ich weiß nicht, warum bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, ein solches Element zu nutzen, zahlt es sich ja vor allem in einem Horror-Setting aus. Man weiß, dass etwas passieren kann, weiß aber weder wann bzw. ob es überhaupt passieren wird. Dadurch ist man immer angespannt, wenn man beispielsweise die Person spielt, die man in einer Vision zuvor gesehen hat, weil die Vision jederzeit Realität werden könnte. Anstatt etwas von der Spannung zu nehmen, wird mit diesem Feature zusätzliche Anspannung aufgebaut. Ein weiteres Element zur Intensivierung des Spielerlebnisses sind die fixen Kameras, die wir schon aus Zeiten von Resident Evil 1 kennen. Wenn man nicht selbst in die Richtung schauen kann, in die man will, erzeugt das unweigerlich ein ungutes Gefühl.

Schaurige Stimmung auf Hollywood-Niveau

Von diesen beiden Stimmungsbringern gestützt, breitet sich den gesamten Spielverlauf über eine düstere und morbide Atmosphäre aus, die ab der Hälfte des Spiels eine neue Komponente bekommt, die euch bis zum Schluss auf Trab hält. Besonders hervorheben möchte ich auch das Voice-Acting der SynchronsprecherInnen, das auf einem sehr hohen Niveau ist. Mit dabei sind aber auch einige etwas nervige Stimmen, die wiederum gut zu den Personen und ihren Charakterzügen passen.

Zusammenfassung

Das Setting eines amerikanischen Teen-Horrorstreifens ist alles andere als eine Neuerfindung; in der Weise, wie sie von Supermassive Games in Form eines Spiels umgesetzt wurde, jedoch außergewöhnlich. Außergewöhnlich gut, möchte ich sogar sagen! Ich bin kein Horrorfan, und trotzdem hat mich das Spiel von der ersten Minute an gepackt. Ich fühlte mich wegen der düsteren Stimmung und der fixen Kameras in die Zeiten von Resident Evil 1 zurückversetzt.

Ich kann mich noch gut an die erste Präsentation von Until Dawn auf der gamescom in Köln erinnern, als das Spiel noch als PlayStation-Move-Spiel für die PS3 vorgesehen war. Schon damals überzeugte es mich, doch ohne die zwingende Bewegungssteuerung gefällt es mir sogar noch besser. Until Dawn hat auch seine Schwächen (z. B. unpräzise Steuerung, das verbrauchte Setting oder nervige Charaktere), aber der Mix aus der Atmosphäre und dem Nervenkitzel, die mich als Spieler antrieben, die Welt zu erkunden, die zukunftsweisenden Totems zu finden und in Sekundenbruchteilen Entscheidungen zu treffen, die über Leben und Tod entscheiden, hat mich überzeugt. Als Fan von cineastischen Erzählungen kann ich das Spiel allen ans Herz legen, die einmal etwas anderes als den 08/15-Horror-Actiontitel erleben wollen.

Wertung: 9 Pixel

für Until Dawn (PS4) im Test von