Tavern Talk Test (Nintendo Switch): Leitet die Taverne im Cozy-RPG-Abenteuer

von Mandi 29.06.2024

In Tavern Talk übernehmt ihr die Rolle eines wichtigen NPCs in Abenteuern, nämlich jene des Barkeepers. Überzeugt das Cozy-Visual Novel mit seinen Geschichten?

Gleich vorweg: Verantwortlich für dieses Spiel zeichnet Gentle Troll Entertainment aus dem deutschen Würzburg. Das Studio hat schon einige Games im Portfolio, und Tavern Talk ist der letzte Ableger des Teams. Es ist zeitgleich auch der erste Entertainment-Titel des Studios, den es selbst veröffentlicht!

Über Tavern Talk

Worum geht es eigentlich? Das Spiel ist ein Visual Novel, in der ihr eine Taverne in einer D&D inspirierten Fantasy-Welt führst. Selber geht ihr nicht auf Abenteuer, denn es gilt, die Taverne zu führen. So schnappt ihr in einer Vielzahl von Gesprächen Gerüchte auf, serviert magische Getränke und schickt eure Gäste auf Abenteuer, die ihr Leben verändern werden. Das Spiel beginnt, als ihr das Wirtshaus zum munteren Wanderer, eine der bekanntesten Schenken in der Fantasywelt Asteria, euer Eigen nennt. Aber ihr seid mehr als das, ihr unterstützt eure Gäste mit magischem Gebräu. Ob eine Essenz für brodelnden Zorn oder tanzende Schwerter, eure Getränke prägen das Schicksal eurer Gäste für immer. Bei der Arbeit werdet ihr einiges aufschnappen und ihr könnt diese Gesprächsfetzen zu Aufgaben für eure Gäste formen, bei denen sie ihre Tapferkeit unter Beweis stellen müssen.

Ihr spielt also das Abenteuer, ohne selbst Abenteuer zu bestreiten. Denn nach jeder Aufgabe oder jedem Tag treffen sich die besagten Figuren bei euch, um mit ihren jüngsten Triumphen zu prahlen oder eine schwere Niederlage wegstecken müssen. Ob es ihnen um Entspannung oder frischen Nervenkitzel geht, es ist eure Aufgabe, den Gästen eures Wirtshauses gerecht zu werden. Natürlich gibt es einen Schuss Magie in Tavern Talk, dementsprechend fallen die Getränke aus. Wollt ihr euren Gästen lieber Stärke, Verteidigung, Agilität, Charisma oder doch Hirnschmalz verleihen – und wenn ja, in welchem Ausmaß? So oder so, eure Entscheidungen in Gesprächen und an der Bar lenken die Zukunft ein kleines bisschen in die Richtung, in die ihr es erwarten würdet … aber natürlich wäre es keine D&D-Story, wenn es nicht verschiedenste zufällige Wendepunkte in der Geschichte geben würde!

Euer Alltag in der Taverne

Gleich vorweg: Viel “spielen” werdet ihr in Tavern Talk nicht. Wie es der Name schon verrät, ist der Hauptteil des Spiels der Talk. Diese Gespräche gilt es dann zu lesen, was sich aufgrund des Humors, der tollen Figur-Artworks und den kleinen Animationen, die immer wieder eingestreut werden, als äußerst unterhaltsam erweist. Immer wieder kommt ihr mit einer Vielzahl von Themen in Berührung. Das reicht von Angst vor der Unzulänglichkeit über große Freuden bis hin zum Umgang mit dem Tod. Dieses Spiel scheut sich jedenfalls nicht davor, auch mal ernst zu werden. Falls ihr euch schon irgendwann mal gefragt habt, wie ein Tavernengespräch nach einem D&D-Abenteuer tatsächlich klingen könnte, hat Gentle Troll Entertainment mit diesem Game die Antwort parat.

Immer wieder – wie es sich für Barkeeper so gehört – werdet ihr nicht nur um Rat gefragt, sondern ihr sollt auch ausschenken. Daher gibt es gewisse Wünsche und Anforderungen, und dementsprechend mixt ihr ein eurer Meinung nach passendes Getränk zusammen. Hier kommt es dann zu einem Zusammenspiel aus Aktion und Reaktion: Kommt ihr der Bestellung auf ideale Weise nach, wird die nächste Aufgabe leichter für die Figur zu lösen. Vertut ihr euch aber, kann es schon mal zu Komplikationen kommen. Dadurch, dass ihr euch in wenigen Spielstunden eine Stammkundschaft erarbeitet habt, entfaltet sich rasch eine vertraute Atmosphäre. Wenn dann gewisse Kund:innen plötzlich mit anderen interagieren, wird das Erlebnis nur noch witziger.

Humor und mehr in Tavern Talk

Apropos witzig: Das Writing der einzelnen Charaktere passt den Figuren oft wie die Faust aufs Auge. Dies führt schon mal zu einzelnen Lachern und guten Schmunzlern, dem coolen Lil’ Guardsman nicht unähnlich. Selbst Anspielungen auf die Pop-Kultur wie etwa der TikToker Quincy’s Tavern kommt in Tavern Talk vor. Verschiedene emotionale Ausbrüche und der typische Alltagsrassismus in D&D (kann ein Vampir nicht einfach Sonnenschutz verwenden?) werden nonchalant verarbeitet. Dass dabei der Gameplay-Aspekt für manche möglicherweise zu kurz kommt, liegt dabei auf der Hand. Denn gefühlt richtet ihr alle paar Minuten für eure Stammgäste ihr Stammrezept nach dem selben Rezept an, um die Geschichte voranzutreiben.

Die Story des Spiels hat es selbstverständlich in sich. Denn nicht nur die kleinen zwischenmenschlichen Momente, auch die größeren Handlungsstränge des Games können wahrlich überzeugen. Insgesamt macht es richtig Spaß, an der Vielzahl an Geschichten dranzubleiben und eure Gäste auf Quests zu schicken. Die Aufträge sind dabei D&D-typisch sehr zufällig zusammengewürfelt und geizen auch hier nicht mit einigen Prisen an Humor und quietschvergnügten Wortspielen. Wie in jeder guten Pen-and-Paper-Kampagne geht es manchmal um Themen, die schwerer zu verdauen sind als andere. Doch unter dem Strich bleibt Tavern Talk ein größtenteils lockeres und sehr fideles Abenteuer, das ihr sowohl in kurzen als auch in langen Sessions genießen dürft.

Was es noch zu tun gibt

Damit ein bisschen Abwechslung herrscht zwischen dem Text-Weiterklicken, den Gesprächen mit den Stammgästen, dem Mixen von Getränken und dem Beobachten, wie sich alles weiter entwickelt, hat sich das Studio von Gentle Troll Entertainment etwas einfallen lassen. Denn wie eingangs erwähnt schnappt ihr immer wieder Gerüchte von den Tavernenbesucher:innen auf, und ihr könnt sie in einer Detektiv-Aufgabe (fast wie in Duck Detective: The Secret Salami) zu Quests für eure abenteuerlustigeren Gäste verwandeln. Gleichzeitig fügt ihr in eurem kleinen Arbeitszimmer einzelne Hinweise zusammen, um Geheimnisse einer uralten Bedrohung zu enthüllen, die sich langsam auf das Land erstreckt…

Ein waschechtes Cozy-Game muss natürlich auch etwas mit Dekoration bieten, und Tavern Talk gibt sich da keine Blöße. Wenn eure Gäste von ihren teils ganz schön schweren Prüfungen zurückkehren, bringen sie euch vielleicht die ein oder andere Trophäe mit, um eure Taverne zu schmücken. Das Ambiente im Wirtshaus zum munteren Wanderer habt ihr dann somit selbst in der Hand! Doch man muss die Kirche im Dorf lassen: Sowohl das Getränke-Brauen als auch der Deko-Part haben nur ganz, ganz wenig Relevanz im Spiel. Viel wichtiger ist das riesige Aufgebot an entzückenden und interessanten Figuren, denen ihr im Laufe des Spiels begegnet. Die Geschichten machen das Game aus, und wie gut, dass sie so fesselnd sind!

Tavern Talk: Die Technik

Doch nicht nur das Storytelling, auch die Technik des Spiels muss irgendwo passen. Wir haben Tavern Talk auf der Nintendo Switch getestet, und mit Freude darf ich verkünden: Das ist wunderbar. Denn dadurch, dass es nicht viel tatsächliches Gameplay und damit möglicherweise hohe Anforderungen an das Spielgerät gibt, ist das Spielgeschehen sehr flüssig. Diese Visual Novel läuft klasse ab, der Text ist ausreichend groß geschrieben und das Brauen von Getränken funktioniert nach ein, zwei Versuchen problemlos ab. Alles ist perfekt auf die Hardware abgestimmt, und obwohl das Game ursprünglich für den PC erdacht wurde, spielt es sich wirklich gut auch auf der Handheld-Konsole – sowohl in den Händen als auch am TV-Bildschirm. Nichts steht euch im Weg, ob ihr nun Gäste mit gramgebeugtem Haupt oder mit ausgelassender Stimmung an eurer Theke bedient!

Wenden wir uns nun der Soundabteilung zu. Hier erwartet euch beste Tavernenmusik, die unauffällig und äußerst stimmungsvoll im Hintergrund vor sich hin klimpert. Natürlich will das Studio euch beim Lesen und Interagieren mit der Vielzahl an Figuren nicht stören, das erklärt diese Wahl vollkommen. Die Akustik passt jedenfalls perfekt zum Spiel und der Stimmung, die es während des Spielens erzeugt. Zu guter Letzt ist noch die Steuerung zu erwähnen: Allzu oft werdet ihr mit Textboxen konfrontiert, die ihr aber auch automatisch weiterschalten lassen könnt. Das Brauen der Tränke stellt euch vor keine Herausforderung, und auch die Auswahl von mal mehr und mal weniger sarkastischen Antworten ist auch keine große Sache. Insgesamt ist Tavern Talk ein äußerst zugänglicher Titel mit überraschend viel Tiefgang, den man ihm rein von der Optik her nicht gleich zutrauen würde!

Bleibt ein Weilchen und hört zu

Tavern Talk ist eines dieser Juwelen, die man selbst erlebt haben muss. Es beschreibt sich selbst als Cozy Visual Novel, und genau so ist es auch. Ihr spielt weitaus weniger, als ihr lest und beobachtet: Sehr gemütlich und eher auf dem Beifahrersitz chillend werdet ihr dieses Abenteuer genießen. Ganz einer ordentlichen Pen-and-Paper-Kampagne nachempfunden gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, von der allerkleinsten Winzigkeit bis hin zu möglicherweise weltverändernden Aufgaben werdet ihr eine ganze Reihe von Geschichten hören. Und auch, wenn es unglaublich klingt: Sie alle sind es wert, gehört zu werden! Es wird einfach nicht langweilig, den Figuren bei ihren großartigen Monologen und Gesprächen beizuwohnen. Dabei dürft ihr manchmal auch euren Senf dazugeben, und meistens passt das Gemüt eurer eigenen Spielfigur dazu wie die Faust aufs Auge.

Wenn man dem Spiel etwas vorhalten möchte, dann wäre es wohl der Fakt, dass es weniger ein Spiel ist. Viel eher ein interaktives Visual Novel – also genau das, wie es das Studio bezeichnet! – verbirgt sich hier nur wenig Interaktionsmöglichkeit hinter den feinen Geschichten und den vielen Worten. Wer die entsprechende Erwartungshaltung mitbringt, wird vom Game positiv überrascht und spielt immer wieder gerne. Ob dies nun nur ein In-Game-Tag ist oder mehrere Echtzeit-Stunden, bleibt dabei egal. Der Aufbau des Spiels ist jedenfalls sehr cool, und langsam und unmerklich entwickelt sich ein Sog, der euch immer wieder in die Welt des Wirtshauses zum munteren Wanderer. Wenn euch das auch nur ein bisschen anspricht: Holt euch Tavern Talk – um nicht mal 18 Euro ist es ein Spiel, das ihr unbedingt gespielt haben müsst! 

Wertung: 9.0 Pixel

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