inFAMOUS Second Son (PS4) im Test

von Max Hohenwarter 25.03.2014

Seit Ende November ist die PS4 nun erhältlich, jedoch mangelte es Sonys Next-Gen-Flaggschiff bisher an wirklich tollen Exklusivtiteln. Mit inFAMOUS Second Son könnte sich dies nun ändern. Ob Cole McGraths Nachfolger, Delsin Rowe, hell wie die Neonwerbung von Las Vegas erstrahlt oder der neue Teil der Open-World-Superhelden-Reihe doch nur Schall und Rauch ist, das lest ihr in meinem Test.

Smells Like Teen Spirit

Delsin Rowe ist ein jugendlicher Tunichtgut, wie er im Bilderbuch steht. Skinny Jeans, Beany auf der Rübe, eine mit Patches und Buttons verzierte Jeansjacke und ein verwegenes Gewinnergrinsen im Gesicht – fertig ist der Retorten-Revoluzzer. Aber so generisch-jugendlich sein Äußeres auch anmuten mag, im Inneren ruhen verborgene Kräfte, von denen nicht einmal Delsin selbst weiß. Zumindest bis zu dem Tag, als er wieder einmal seinem Hobby frönt, indem er die Plakate seines Bruders Reggie, der für die Wiederwahl zum Sheriff kandidiert, mit frechen Stencils verschönert. Dabei wird er auf frischer Tat von seinem Bruder ertappt. Die Standpauke muss aber warten: Eine laute Explosion unterbricht Reggies Schimpftiraden.

Ein Transporter des Department of Unified Protection, der sogenannte Conduits – aufgrund ihrer zerstörerischen Elementarkräfte als Bioterroristen diffamiert – in ein Straflager bringen soll, geht in Flammen auf. Delsin eilt einem der verunfallten Gefangenen zu Hilfe. Als er diesen aus dem Wrack zerrt, passiert jedoch etwas Seltsames: Die Rauchkräfte des Conduits übertragen sich auf Delsin.

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Verwirrt und mit den neuen Fähigkeiten vorerst alles andere als glücklich, hetzt der junge Hitzkopf dem Knacki hinterher, damit dieser ihn von der Last befreit. Als das D.U.P. eintrifft und den Entflohenen stellt, gelangt Delsin ins Kreuzverhör. Die eiskalte Chefin des D.U.P., Brooke Augustine – paradoxerweise selbst eine Conduit –, unterstellt ihm sofort, ein Bioterrorist zu sein. Entsprechend foltert sie ihn mit ihren Asphaltkräften, damit er gesteht, doch Delsin hält dicht. Kurz darauf verliert er das Bewusstsein.

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Als er erwacht, erkennt er, dass auch seine Freunde Augustines Verhörpraktiken zum Opfer gefallen sind. Er arrangiert sich mit seinen neuen Rauchfähigkeiten und brennt wortwörtlich auf Vergeltung. Mit seinem Bruder eilt er nach Seattle, um sich und seine misshandelten Freunde zu rächen. Bald entwickelt sich der persönliche Rachefeldzug aber zu einem Kreuzzug gegen die totale Überwachung und den neu etablierten D.U.P.-Faschismus.

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Delsin Rowe Will Have His Revenge on Seattle

In Seattle angekommen, muss Delsin feststellen, dass über die ganze Stadt vom D.U.P. der Ausnahmezustand verhängt wurde. Allerorts gibt es Straßensperren und Kontrollstationen, an denen die paramilitärische Organisation alle BürgerInnen testet, um etwaige Conduits sofort inhaftieren und so unschädlich machen zu können. Gut, dass der junge Flegel seine Rauchkräfte mittlerweile im Griff hat, denn so ist er den schwerbewaffneten Fanatikern mehr als ebenbürtig und kann ihnen ordentlich einheizen. Rauchen schadet ja, wie landläufig bekannt sein sollte, „Ihnen und Ihren Mitmenschen“. In diesem Fall kann man das aber nur befürworten.

Im Spielverlauf sammelt ihr sogenannte Explosionssplitter ein, die ihr in einen Skill-Tree investieren könnt, um den Fähigkeiten Delsins noch mehr Durchschlagskraft zu verleihen oder sogar neue Angriffe und Fortbewegungsmöglichkeiten freizuschalten. Im späteren Spielverlauf erhaltet ihr noch weitere Conduit-Kräfte, wie beispielsweise Neon oder Video, mit denen ihr in ähnlicher Weise verfahren dürft. Was sich ebenfalls auf eure Attacken auswirkt, ist das typische Karma-Feature der Serie. Je nachdem, wie ihr euch an gewissen Punkten der Story entscheidet, oder ob ihr der Bevölkerung eher helft oder sie terrorisiert, ändert sich euer Karma. So verändern sich nicht nur eure Skills, sondern vor allem auch der Verlauf der Handlung, was für echten Wiederspielwert sorgt.

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Clean up Before She Comes

So wird Delsin nach kurzer Zeit ein wahrhaft übermächtiger Conduit. Jetzt wird es Zeit, den Spieß umzudrehen und zum Gegenschlag anzusetzen. Abseits der Hauptmissionen gilt es, die einzelnen Stadtviertel Seattles zu befreien. Das läuft leider nach einem sehr repetitiven Prinzip ab: Zuerst wird die mobile Einsatzzentrale im jeweiligen Bezirk abgeschaltet, dann die Überwachungskameras unschädlich gemacht und zu guter Letzt noch die Nebenaufgaben abgegrast. Diese kennt man in der gleichen oder ähnlicher Weise schon aus den Vorgängern. „Verfolge und töte den D.U.P.-Undercoveragenten, finde und zerstöre die geheime Überwachungskamera, lokalisiere die versteckten Audioprotokolle und verschönere die Stadt mit Stencil-Tags.“ Letzteres hat mir am meisten Spaß gemacht, da diese Aufgabe die Sixaxis-Funktion des PS4-Pads cool einsetzt. Man packt den Controller senkrecht in der Mitte, schüttelt ihn wie eine Spraydose und füllt mittels Druck auf die R2-Taste die Schablonen der jeweiligen Graffiti. Nicht besonders spektakulär, aber kurzweilig.

Habt ihr all diese Quests erledigt, sinkt der Einfluss des D.U.P., und ihr könnt ab einer gewissen Prozentzahl zum Befreiungsschlag ansetzen. Bei diesen Viertelfinalkämpfen gilt es, eine größere Angriffstruppe des D.U.P. auszuschalten. Ist auch das erledigt, könnt ihr fortan schnell zwischen den befreiten Vierteln herumreisen. Dieses Schema F wiederholt inFAMOUS Second Son aber so oft, dass es nach einer Weile eher zur lästigen Pflicht wird.

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Son of a Gun …

… sieht das gut aus. inFAMOUS Second Son ist Next-Gen, wie man sie sich vorstellt: knackescharfe Texturen, die für eine unnachahmliche Stofflichkeit sorgen, ultrarealistische Reflexionen in Wasserpfützen und auf der nassen Straße, eine Beleuchtung und Partikeleffekte, die ihresgleichen suchen, und butterweiche Animationen vom anderen Stern. Ich wage zu behaupten: So schön hat bisher kein Spiel ausgesehen. Von Fotorealismus zu sprechen war noch niemals so gerechtfertigt. In den Gesichtern der Charaktere ist sogar jede noch so kleine Veränderung der Mimik sichtbar. Aber das Allerbeste: Es läuft unglaublich geschmeidig und erreicht bei einer Auflösung von 1080p sagenhafte 60 FPS. Wenn ich in meinem Assassin’s Creed IV: Black Flag-Review gesagt habe, dass ich aufgrund der grafischen Opulenz Pipi in den Augen habe, dann flenne ich bei inFAMOUS Second Son Sturzbäche vor Freude.

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In Sachen Sound ist auch alles paletti. Die deutsche Sprachfassung ist zwar nicht referenzverdächtig, aber der englischen nicht wirklich unterlegen. Ich habe dennoch die Originalfassung gespielt, da Delsin von Troy Baker gesprochen wird. Vielen ist dieser Herr vielleicht durch seine Rolle als Joel in The Last of us oder als Joker-Nachfolger von Mark Hamill in Batman Arkham Origins ein Begriff. Absolut hörenswert, wie er den arroganten Revoluzzer mit seinen selbstgefälligen und flotten Sprüchen rüberbringt. Die Musik ist mit ihren rockig-grungigen Melodien auch sehr gut auf den Schauplatz abgestimmt, schade jedoch, dass sie nur zum Einsatz kommt, wenn Delsin sich in Auseinandersetzungen mit dem D.U.P. befindet.

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Heart-shaped Box

Resümierend kann ich Folgendes sagen: Die Story sorgt nicht für den Aha-Effekt des Erstlings. Dafür ist das Gameplay leider genau wie damals extrem repetitiv, und ich wünsche mir von Sucker Punch für weitere Teile definitiv variantenreichere Nebenquests. Fairerweise muss man noch erwähnen, dass Sony mit einem Day-One-Patch einen Gratis-DLC zu Second Son nachschiebt, der nochmals fünf Spielstunden drauflegt. Sehr löblich, Sony. Insofern hatte ich viel Spaß dabei, dem D.U.P. mit Delsins abgefahrenen Kräften Saures zu geben oder einfach nur durch das extrem schön gestaltete Seattle zu fetzen. In meinem Zockerherz hat sich inFAMOUS Second Son definitiv festgesetzt. Die Überlegenheit Delsins ist für den/die SpielerIn ab einem gewissen Punkt tatsächlich spürbar und fühlt sich gut an, und die originellen Fähigkeiten heben sich angenehm vom Einheitsbrei ab. Bei der Grafik gehen einem vor lauter Schönheit fast die Augen über, und der Sound tut mit den überzeugenden SprecherInen sein Übriges.

Auch wenn spielerisch noch Luft nach oben gewesen wäre, ist inFAMOUS Second Son für alle, die auf der PS4 die richtig guten Exklusivtitel bisher vermissen, ein absoluter Pflichtkauf.

Wertung: 9 Pixel

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