So viele Entscheidungen – Der Dishonored 2 Test
Schleichen wie Solid Snake oder auf die brachiale und direkte Art á la Arnold Schwarzenegger in den Terminator-Filmen? Egal für welche Methode ihr euch entscheidet, Dishonored 2 schiebt euch keinen Riegel vor, sondern belohnt die Vielfalt noch mit einem erhöhten Wiederspielwert. Als Shooter-Spieler der ersten Generation war ich ob der Steuerung dann aber doch etwas irritiert. Wieso kann ich das nicht besser?
Neues vom Alten – Die Story von Dishonored 2
Wie bereits im ersten Teil, müsst ihr euch auch in Dishonored 2 daran machen, eure Unschuld zu beweisen. Noch mal zum Erinnern: Im ersten Teil musste Corvo Attano, Bodyguard von Kaiserin Jessamine Kaldwin, deren Todesumstände aufklären, um die eigene Unschuld zu beweisen. Mit Dishonored 2 bescheren uns die Damen und Herren der Arkane Studios eine ähnliche Geschichte. Diesmal treibt der sogenannte Crown Killer sein Unwesen im Reich und schiebt die Morde Emily Kaldwin bzw. Corvo in die Schuhe.
Ausgerechnet am Tag der Erinnerung, dem Tag an dem der verstorbenen Kaiserin Jessamine Kaldwin gedacht wird und Corvo und Emily ihrer Trauer mit einer Rose Ausdruck verleihen, kommt es zum Putsch. Herzog Luca Abele überrascht alle Anwesenden und bringt als Gast die vermeintliche Halbschwester von Jessamine, Delilah, mit. Sie soll Emily die Bürde der Krone abnehmen, aber weder Corvo noch Emily haben diese Frau jemals gesehen. Hier dürft ihr euch das erste Mal für etwas entscheiden. Spielt ihr lieber als Emily Kaldwin oder Corvo Attano? Normalerweise bin ich bei solchen Entscheidungen ziemlich offen und lasse meist den Zufall entscheiden, dieses Mal zieht es mich aber mehr zur weiblichen Protagonistin. Meinen ersten Durchlauf startete ich mit Emily.
Die Welt und Ich
An der grundlegenden Mechanik hat sich im Vergleich zum Vogänger Dishonored nicht viel geändert. Im Prinzip entscheidet ihr euch zwischen drei Spielvarianten: Schleichen, Töten oder eine Kombination. Das gelungene an Dishonored 2 ist, dass sich euer Verhalten auf die Spielwelt auswirkt. Die teils aufwendigen Schleich-Einlagen, mit denen ihr den „Deathcounter“ niedrig halten könnt, können mitunter aber sehr frustrierend und langatmig sein. Mehrmals hat mich gegen Ende die Motivation verlassen und ich ging im Brutalo-Modus auf die letzten Gegner vor dem Speicherpunkt los. Egal, was ich mir vor Beginn der Sequenz vorgenommen hatte, am Ende gab es immer ein Blutbad.
Das war aber nur selten ein schlauer Zugang. Eine mühsam abgearbeitete Sequenz, mit grandios und lautlos schlafengelegten Feinden, konnte ich so gleich wieder von vorne angehen. Dabei war das Motivationsniveau, ob der vermeintlich verschenkten Zeit, auf absolutem Kellerlevel und Rambo ging auf die Jagd. Meine Leichenberge pro Abschnitt türmten sich und die Stadt reagierte. Wachmänner nahmen ihre Rundgänge genauer und wurden mehr. Außerdem sammelten sich bei den Leichen schon die Fliegen und diese sind euch nicht freundlich gesinnt. Wie so oft, kommt es auf den persönlichen Geschmack an: seid ihr eher ein geduldiger Typ, der gerne mal ein paar Minuten hinter einer Kiste versteckt auf den richtigen Moment wartet, um den Wachmann im blauen Hemd zu erdrosseln? Oder steckt zu viel von Rambo in euch und ihr stürzt euch mit Pauken und Trompeten auf die gesamte Wache? Ich habe mich für die goldene Mitte entschieden.
Schöne neue Welt?
Die vielen positiven Eigenschaften der Spielmechanik werden eigentlich nur durch einen Aspekt von Dishonored 2 geschmählert: der Optik. Ein AAA-Titel muss anno 2016 einfach feiner aussehen. Wie am Bild oben zu sehen, wirkt die Welt von Dishonored 2 blass und farblos. Das ändert sich nicht wirklich und zieht sich durch die weiteren Level. Auch wenn der Vergleich ein wenig hinkt, aber ich habe bei Zwischensequenzen immer Uncharted 4 und die feinen, hochaufgelösten Gesichter und Figuren vor dem inneren Auge. Und das ist nun doch schon vor einiger Zeit auf den Markt gekommen.
Die Animationen sind ebenfalls alles andere als „state of the art“. Ich bin normalerweise kein Fetischist, wenn es um die Grafik geht, an ein bestimmtes Niveau habe ich mich über die Jahre aber doch gewöhnt. Auf der anderen Seite kann ich über den Sound in Dishonored 2 nur Gutes sagen. Für die deutsche Fassung wurden tolle SynchronsprecherInnen ausgewählt und sie wurde toll vertont. Die Schwerter klirren hell, wenn sie aufeinanderprallen und der Umgebungslärm saugt einen tief in die Spielwelt.
Hin und Her gerissen – Mein Dishonored 2 Test-Fazit
Dishonored 2 überzeugt mich vor allem in einem Punkt: die Fülle an Möglichkeiten, wie ich eine Situation lösen kann, ist immens. Umgebung erkunden, Verstecke auschecken und den Ablauf planen. Wenn ihr schnell reagiert, könnt ihr eure Taktik sogar „on the fly“ noch verändern. Sollte euch bei einem Schleich-Durchlauf schon der erste Feind entdecken, einfach per Teleporter so weit weg wie möglich weg teleportieren und auf ein Neues. Diese große Vielfalt an Wegen, die euch durch ein Level führen, verschafft Dishonored 2 einen hohen Wiederspielwert. Wie weit nach unten kann ich den Bodycount drücken? Schaffe ich es, ohne überhaupt jemanden töten zu müssen? Wer über die wirklich altbacken wirkende Grafik hinwegsehen kann und Lust auf einen rasanten Action-Titel mit großer Methodenvielfalt hat, kann bei Dishonored 2 getrost zugreifen und in die Welt der Familie Kaldwin eintauchen.