Die Zwerge-Test (PC) – Ein interaktives Hörbuch
Die Zwerge ist eine sehr erfolgreiche Fantasyromanreihe von Autor Markus Heitz. Durch die Kickstarter-Kampagne (ca. 310.000 Dollar wurden eingenommen) von Entwicklerstudio King Art schaffen es die kleinen, rauen Orkschlächter nun auch zu einer eigenen Bildschirmadaption. Die Zwerge haben dadurch nicht das größte Budget und das merkt man auch an einigen Stellen. Ähnlich zu den kurzgewachsenen Kriegern selbst, sollte man das Spiel aber keinesfalls unterschätzen. Für Die Zwerge gilt, was Riesen nicht können, das müssen die Zwerge erledigen. Alles weitere erfahrt ihr in meinem Die Zwerge Test.
Ein Zwerg unter Menschen
Mit dem Zwerg Tungdil Goldhand kämpft man sich durch die gesamte Geschichte des ersten Romans. Tungdil ist aber kein normaler Zwerg, denn er ist unter Menschen aufgewachsen und nicht wie seine Eidgenossen, bei einem der fünf Zwergenstämme groß geworden. Sein ganzes Leben lang hat er in einem Stollen als Schmied gearbeitet, sein gesamtes Wissen über die Welt erhielt er durch Bücher. Ähnlich, wie in einem Echtzeitstrategiespiel oder einem MOBA, wird Tungdil (und später auch seine bis zu drei Partymitglieder) aus einer isometrischen Ansicht heraus gesteuert. So klicke ich mich durch die Gegend und stoße auf viele, interessante Gegenstände. Diese werden mir von einem Erzähler erklärt und geben mir viele Hintergrundinformationen zu den Charakteren oder der Historie des Landes. Diese Storyhäppchen sind großartig vertont und oftmals eins zu eins Sätze, die aus dem Buch übernommen wurden.
Du siehst eine Lichtung, was tust du?
So erzählt Die Zwerge eine zwergische Selbstfindungsgeschichte, bei der Tungdil vor so manche knifflige Entscheidungen gestellt wird. Selbstverständlich darf dabei auch die High-Fantasy nicht zu kurz kommen und so überlaufen Orkscharen das geborgene Land. Dadurch dass Tungdil all sein Wissen bisher nur aus Büchern bezieht, erkunde ich mit ihm gemeinsam das Land. Dies ist ein erzählerisch sehr schöner Kniff, denn so kann ich mich in den kurzbärtigen Hauptcharakter sehr gut hinein versetzen und mit ihm neue Erfahrungen sammeln. Wenn wir daher auf Reisen sind, gibt es keine Open-World sondern eine große Weltkarte, wo mir der Erzähler immer wieder spannende und wichtige Details verrät. Teilweise erinnert das Spiel sogar sehr an ein Pen and Paper Rollenspiel, denn kopfkinomäßig bekomme ich alles was Tungdil sieht vorgelesen. Soll ich die Nacht an einem verlassenen Rastpaltz verbringen oder doch lieber ein Versteck aufsuchen. Viele dieser Entscheidungen haben unmittelbare Konsequenzen, im harmlosesten Fall verliere ich dabei Gold oder Proviant. Das erinnert sehr stark an The Banner Saga, doch der Buchvorlage geschuldet werden meine Handlungen nicht ganz so hart und grausam bestraft, wie im 2014 veröffentlichten Strategie-Rollenspiel. Z.B. können Charaktere nicht einfach so sterben, diese werden ja später noch benötigt.
Entfessle den blinden Wächter
Trotzdem gibt mir Die Zwerge genügend Möglichkeiten, um von der Buchvorlage abzuweichen, denn überall auf der Weltkarte sind Nebenmissionen versteckt. Mein ganz persönliches Highlight ist dabei der Ort „Wackenstein“, wo Metalfans mit Vorliebe für blinde Wächter, wohl voll und ganz auf ihre Kosten kommen werden. Auf der Weltkarte gibt es jedoch keine Zwischensequenzen, hier gibt es „nur“ hörbuchreif, vorgetragene Texte. Bei der strategischen Draufsicht benötigt es aber kein Kopfkino, denn Tungdil und seine bis zu 15 möglichen BegleiterInnen kämpfen sich durch Scharen von Orks und anderen scheußlichen Kreaturen. Immer wieder bekommt man das Gefühl vier Helden kämpfen gegen 100 Feinde.
Der rasende Zwerg
Damit man sich dieser Gegnerflut auch erwehren kann, gibt es einige Spezialattacken, die auch gut zu den einzelnen Charakteren passen. So kann sich Rodario der Schauspieler in einen Ork verwandeln und kann dadurch seelenruhig übers Schlachtfeld spazieren. Der Zwerg Boindil (auch Ingrimmsch genannt), ist hingegen so ein Heißläufer, dass er in eine Art Berserkermodus verfällt und dabei sehr viel Schaden macht, jedoch nicht mehr kontrollierbar ist. Die Fähigkeiten sind kreativ gewählt, das Levelsystem und die wenigen Ausrüstungsgegenstände, sind aber eher als RPG-light anzusehen. Ebenfalls drängt sich hier wieder der Vergleich mit The Banner Saga auf, denn dort läuft das alles quasi gleich ab. Nur die Fähigkeiten finde ich, dank der pausierbaren Echtzeit, bei Die Zwerge um einiges interessanter und abwechslungsreicher. Diese müssen zudem auch sehr geschickt eingesetzt werden, da das Spiel auf den Schwierigkeitsgraden Mittel und Schwer, euch sehr viel abverlangen wird.
Die Zwerge Test Fazit
Das Spiel hat einige Mängel: Die Kameraführung ist in engen Gängen hakelig, die Wegfindung am Schlachtfeld funktioniert nicht immer und es gibt nur wenige Zwischensequenzen. Dafür gibt es bis auf ganz wenige Ausnahmen, großartige Sprecherinnen und Sprecher. Die Vertonung könnte direkt aus einem spannenden Hörspiel stammen und dadurch ist es mir auch lieber, dass mir „nur“ Text vorgelesen wird und dies nicht in möglicherweise schwachen Zwischensequenzen alles vorgekaut wird. Der Grafikstil ist zudem simpel, aber sehr effizient. Gerade die Zwergenfestungen sind zwar in Wahrheit jeweils nur kleine Karten, sind aber so schön gestaltet, dass ich mich gerne mit Tungdil umsehe und auch die letzte Kleinigkeit erforschen möchte. Nach vier bis fünf Stunden fehlt mir ein bisschen die Abwechslung bei den Kämpfen und ich würde am liebsten nur noch die Geschichte verfolgen und dem hervorragenden Erzähler beim Reden zuhören. Das klingt ungewöhnlich, macht aber trotzdem sehr viel Spaß! Die Zwerge wird dadurch für mich zu einem fantastischen Hörbuch, bei dem ich selbst Entscheidungen miterleben kann und eine spannende Geschichte verfolge. Aus diesem Grund sollte man auch über die Mankos, wie fehlende taktische Tiefe oder die etwas monotonen Kämpfe hinwegsehen, denn es lohnt sich. King Art, ich wünsche mir auf jeden Fall einen zweiten Teil zu Die Zwerge!