Halo Wars 2 (PC) Review – Spartanischer Spaß
Echtzeitstrategie? Wer spielt den heutzutage bitteschön noch dieses antiquierte, angestaubte Genre, das offensichtlich in den 90ern hängen geblieben ist? Ich zum Beispiel! Ich habe als Teenager mit WarCraft II Tides of Darkness damit angefangen, und zocke auch heute noch immer wieder gerne eine Partie StarCraft II. Aber auf einer Konsole? Microsoft hat bereits mit dem ersten Teil von Halo Wars bewiesen, dass sich flotte RTS-Schlachten mit einem Gamepad bewerkstelligen lassen. In Halo Wars 2 müssen die EntwicklerInnen von Creative Assembly (Total War) noch den Umkehrschluss beweisen: Bekommen sie Halo Wars 2 wieder zurück auf den PC portiert? Ich gehe dieser Frage mit Maus und Tastatur bewaffnet in meinem Review auf den Grund.
Seit Microsoft sich an allen Fronten anschickt zum coolsten aller IT-Konzerne zu werden, sind Dinge passiert, die man früher nie für möglich gehalten hätte. Bash für Windows, Apps für iOS, und was das wichtigste ist: Games für Windows 10 und die XBox One in einem! Diesem XBox Play Anywhere getauftem Feature habe ich es zu verdanken, dass ich den Covenant auch auf meiner Lieblings-Spieleplattform in den Hintern treten darf. Das habe ich führ mehrere Stunden, sowohl in der Kampagne, als auch im Multiplayer von Halo Wars 2 getan. Und dabei kam tatsächlich das ein- oder andere Mal so etwas wie RTS-Nostalgie in mir hoch. In seinen Glanzmomenten erinnert Halo Wars 2 sogar an die Jubeljahre des in Verruf geratenen Command & Conquer. Welche Momente das sind, werde ich im Folgenden näher erläutern.
Die Handlung
Vorweg: Man muss keinen der bisherigen Halo-Teile gespielt haben, um sich in Halo Wars 2 zurecht zu finden. Die Geschichte ist zwar im Halo-Universum eingebettet, setzt aber keine Kenntnisse bisheriger Geschehnisse voraus. Als Crew der Spirit of Fire unter dem Kommando von Captain Cutter erwachen wir aus dem 30-jährigen Cryo-Schlaf, um uns inmitten eines gigantischen Konflikts wiederzufinden. Die letzte Überlegende auf Seiten der Menschen, eine künstliche Intelligenz namens Isabel, will unseren Spartan-Trupp noch warnen, als diese unvermittelt auf Atrox treffen. Atrox ist der Rebellenführer einer abtrünnigen Armee der Covenant, den Verbannten, die diesen Sektor der Galaxie beherrschen wollen.
In einer Bill Pullman-Gedächtnis-Rede schwört Captain Cutter uns und Isabell auf den Krieg mit Atrox‘ Verbannten ein. Als treuer Commander und Befehlshaber über einen schlagkräftigen SöldnerInnen-Trupp sind wir natürlich Feuer und Flamme mit dem Schurken den Schiffsboden aufzuwischen. Die Geschichtshäppchen zwischen den einzelnen Missionen von Halo Wars 2 werden ihn äußerst ansehnlichen Render-Sequenzen erzählt, die so auch aus dem Halo-Kinofilm stammen könnten. Für diese zeichneten sich abermals 343 Industries verantwortlich, die schon mit Halo 4 und 5 für staunende Momente gesorgt haben.
Gameplay
Der Kodiac ist ein klarer Abklatsch des SiegeTanks aus StarCraft 2
Nachdem wir uns im Tutorial mit der allgemeinen Spielmechanik vertraut gemacht haben, stürzen wir uns auch schon Hals über Kopf in die ersten Missionen. Wie im Echtzeitstrategie-Genre üblich, befehligen wir kleine Einheitentrupps aus Infanterie, Fahrzeugen und Fliegern in der Vogelperspektive über taktische Karten. Die Einheiten unterliegen dem klassischen Schere-Stein-Papier-Prinzip, in diesem Fall: Fahrzeug schlägt Infanterie, Infanterie holt Flugeinheit vom Himmel, und Flugeinheit wiederum zerbröselt Fahrzeug zu Altblech. Viele der Einheiten in Halo Wars 2 wurden ganz klar von Vorbildern der Echtzeitstrategie inspiriert. So ist der Kodiac mit seinem stationären Belagerungsmodus ein ganz klarer Abklatsch des SiegeTanks aus StarCraft 2, und auch die Scharfschützen sehen ihren Pendants, den Ghosts, zum Verwechseln ähnlich.
Zusätzlich führt ihr eine, oder mehrere HeldInnen-Einheiten ins Feld. Auf Seiten der Menschen sind das die beiden Spartans Jerome und Alice. Sie verfügen über jede Menge Hitpoints und können feindliche Fahrzeuge kapern. Abseits der Kampagne stehen auf Seiten der Verlassenen auch andere HeldInnen zur Auswahl, dazu aber mehr im Abschnitt Multiplayer.
Basisbau
Der Basenbau in Halo Wars 2 beschränkt sich auf fix vordefinierte Bereiche. In solchen Feldern kann eine Kommandozentrale von der Spirit of Fire in Auftrag gegeben werden, um die sich dann kleinere Module anordnen lassen. Zwei dieser Module dienen der Ressourcengeneration von Nachschub und Energie. Diese beiden Ressourcen müssen nicht, wie in anderen Strategiespielen üblich, an Feldern abgebaut werden, sondern flattern, wie in C&C Generals, einfach vom Himmel. Weitere Module dienen zur Forschung von Spezialfähigkeiten und zur Rekrutierung spezieller Einheitentypen. Sowohl die Basis selbst, als auch die andockbaren Module lassen sich in verschiedenen Stufen ausbauen, und so immer effizienteres Kriegsmaterial erforschen.
Ressourcen
Neben einer Hauptbasis sind überall auf der Karte auch Plätze für sogenannte Mini-Basen verteilt. Diese sind typischerweise hart umkämpft, und bieten entweder Platz für weitere Resourcenmodule, oder um dort zusätzliche Kampfeinheiten zu rekrutieren. Die Platzierung der richtigen Module ist spielentscheidend, wenngleich der Basenbau weitaus weniger strategische Tiefe zulässt, wie beispielsweise in einem StarCraft II.
Das Erobern und Halten strategischer Punkte auf der Karte ist ebenfalls ein spielentscheidendes Element. So lassen sich mit nahen Einheiten Energieknotenpunkte aktivieren, die zur Energiebilanz der Basis beisteuern. Die Eroberung ausreichender Strategiepunkte kann sogar ein Match vorzeitig beenden, bevor die GegenspielerIn noch die totale Vernichtung über sich ergehen lassen muss. So können besonders spannende Matches sogar in letzter Sekunde noch gekippt werden. Auch das Sammeln von über die Karte verteilten Ressourcenstapel trägt dazu bei, dass man seine Ökonomie schneller auf Vordermann bringt, und so den entscheidenden Vorteil für sich verbuchen kann.
Blitz-Modus
Wem das alles zu hektisch ist, der kann auch im Blitz-Modus antreten. Darin werden statt dem Basisbau Strategiekarten-Decks eingesetzt, um die eigene Kampftruppe zu verstärken. Diese Karten-Packs erhält man sowohl als Belohnung für absolvierte Kampagnenmissionen und Aufträge, als auch im Ingame-Shop gegen Echtgeld. Das riecht zwar fies nach Pay-to-Win, ist aber dank Fleiß-Belohnungen auch ohne den Einwurf großer Scheine durchwegs passabel spielbar. Ich persönlich habe mich im Blitz-Modus nicht sehr heimisch gefühlt, da auch schon das 2009 erschienene Battleforge mit diesem Ansatz keinen Blumentopf bei mir gewinnen konnte.
Steuerung
RTS ist auf Maus und Tastatur daheim
Der Knackpunkt bei der Umsetzung dieses XBox Play Anywhere-Konzepts ist definitiv die PC-Steuerung. Klar, RTS ist auf Maus und Tastatur daheim, und keine noch so raffinierte Gamepad-Steuerung kann diesem Umstand das Wasser reichen. Als alter StarCraft-Veteran habe ich mich sehr auf die Möglichkeit gefreut, Halo Wars 2 wie ein echtes RTS am PC zocken zu können. Im Großen und Ganzen ist es Creative Assembly auch ganz gut gelungen, das PC-Steuerkonzept umzusetzen. Vielerorts merkt man Halo Wars 2 aber schon arg an, dass es seinen Ursprung auf der Konsole hatte. Beispielsweise bei den gigantischen, ringförmigen Auswahlmenüs im Basenbau. Diese fordern nicht nur weite Mauswege ein, sondern können auch nur mit der Taste ESC wieder geschlossen werden. Sehr oft habe ich mich dabei ertappt in Eifer des Gefechtes in einem nicht geschlossenen Ring-Menü festzusitzen, statt meinen Einheiten überlebenswichtige Befehle zu erteilen.
Controller oder Maus?
Ich bin daher dazu übergegangen Halo Wars 2 mit meinem XBox-Controller zu zocken, denn für den wurde das Spiel einfach konzipiert. Hat man sich erst einmal an das Befehls-Mapping gewöhnt, gleitet die Kamera deutlich rasanter über den Schirm, und die Einheitenauswahl klappt wie am Schnürchen. Jetzt mögen böse Zungen behaupten, dass ein Analogstick niemals dieses Spektrum an Micro-Management abwickelt kann, das manche Profis in einem Blizzard-RTS in ihre gequälten Nager würgen. Muss aber auch gar nicht sein, denn Micro spielt in Halo Wars 2 keine allzu große Rolle. Wenn bis zu 100 Mann/Frau starke Armeen aufeinanderprallen, sieht man vor lauter Gefunkel und Gespratzel eh kaum mehr was, da kann man sich auch gleich getrost von seinem Killer-APM verabschieden.
Präsentation
Diese Überleitung bringt uns auch gleich zur Präsentation von Halo Wars 2. Dieses Spiel schreit förmlich mit jeder Todesanimation, jedem Einheitenkommentar und jeder Cutscene hinaus, wieviel Produktionsaufwand in ihm steckt. Tatsächlich sieht die Grafik von Halo Wars 2 sehr zeitgemäß aus, und weiß mit vielen liebevollen Details und Effekten zu beeindrucken. Auch die orchestrale Soundkulisse hinter den opulenten Schlachten trägt gewaltig zur Stimmung bei. Die Einheiten wurden vielfältig und abwechslungsreich vertont. Wenn beispielsweise Infanteristen auf gegnerische Fahrzeuge treffen, dann verleihen sie ihrem Missfallen darüber auch lautstark Ausdruck. Bei Explosionen wackelt teilweise der komplette Bildschirm, einschließlich des User-Interfaces, und das Rumble-Feature im XBox-Controller will gar nicht mehr zur Ruhe kommen. So wuchtig und bombastisch haben sich Echtzeit-Schlachten schon lange nicht mehr angefühlt.
Tja, und über die Cinematics zwischen den Kampagnen muss man eigentlich gar nichts mehr sagen, außer: Das ist wirklich Hollywood-Niveau! Sogar Blizzard kann vor Neid erblassen, wenn es um die Präsentation der Story von Halo Wars 2 geht. Die Charaktere und die Handlung mögen in StarCraft II – Wing sof Liberty packender sein. Aber die Inszenierung, die Tonalität und auch die deutsche Synchro dieser Cutscenes ist wirklich oberste Güteklasse!
Multiplayer
Die Kampagne lässt sich gemeinsam mit Freunden im Koop-Modus bestreiten
In Multiplayer-Partien von Halo Wars 2 erwarten uns neben der spielbaren Fraktion der Covenant 8 unterschiedliche Maps. Reichlich wenig, wenn man das mit Größen des Genres wie League of Legends oder Ähnlichen vergleicht. Es ist aber davon auszugehen, dass Creative Assembly hier noch Inhalte nachreichen wird. Auch die Kampagne lässt sich gemeinsam mit Freunden im Koop-Modus bestreiten. Leider gibt es ein plattformübergreifendes Koop oder Multiplayer zwischen PC und XBox. Da wären wohl auch die PC-SpielerInnen mit Maus und Tastatur etwas im Vorteil gewesen, oder zumindest wäre die Balance arg ins Ungleichgewicht geraten.
Die Multiplayer-Karten lassen 2v2 oder 4v4-Partien entweder Team-basiert, oder jeder gegen jeden zu. Leider hatte ich in der Testphase des Spiels nur einmal das Glück in ein Multiplayer-Match zu gelangen, in dem ich mangels Erfahrung auch noch hoffnungslos unterlegen war. Dieser Tage sollten sich die Server aber füllen, sodass dem Matchmaking ausreichend SpielerInnen zur Verfügung stehen sollten. Innerhalb der zwei Fraktionen kann man dann auch noch aus 8 unterschiedlichen HeldInnen wählen, die den Truppen im Kampf tatkräftig zur Seite stehen.
Fazit zu Halo Wars 2
Ich habe mich echt schon auf Halo Wars 2 gefreut, da RTS das erste Genre war, dass ich auf meinem 486er DX2 anno dazumal kennenlernen durfte. Da ich immer mehr der WarCraft und StarCraft-Fan war, kam ich erst sehr spät (mit Generals) in den Genuss der Command & Conquer-Reihe. Viele Elemente dieses geliebten Klassikers finden sich auch in Halo Wars 2 wieder. HeldInnen-Einheiten, zentral anordenbare Artillerieschläge und flotter, unkomplizierter Basenbau. Leider sind andere Tugenden, die solche Spiele ausmachen sollten, dabei ein wenig ins Hintertreffen geraten. Die Kampagne von Halo Wars 2 ist mit gerade einmal 12 Mission schon etwas dünn geraten. Der einen spielbaren Fraktion der Kampagne hätte Creative Assembly durchaus noch eine Zweite spendieren dürfen. Und überhaupt:
Viele C&C-Elemente finden sich auch in Halo Wars 2 wieder
Zwei mehr oder weniger deckungsgleiche Fraktionen? Das ist spätestens nicht mehr zeitgemäß, seit StarCraft 1998 das Genre neu definierte. Vieles davon vermag die opulente und hochwertige Inszenierung wieder wett zu machen. Aber auch die Portierung auf den PC kann ob der teils mangelhaften Maussteuerung nur als halbherzig gewertet werden. Zu allem Überdruss waren vor allem die ersten zwei Tage in Halo Wars 2 von lästigen Bugs wie Spielabstürzen und Freezeframes geplagt, die einen Neustart des Spiels nötig machten, gerade wenn es am spannendsten war. Das alles ist jedoch Kritik auf sehr hohem Niveau, denn immerhin wagen sich die MacherInnen hier mit einem Monster-Budget in ein fast schon totgeglaubtes Genre. Dafür bin ich sehr dankbar und froh, und will Halo Wars 2 dafür lieben, was es trotz aller Mängel ist: Ein vollwertiges, gelungenes und durchaus mitreißendes RTS im Geiste der alten C&C-Titel!
Man liest andernorts ja, dass die Kampagne ziemlich unvermittelt aufhört und eigentlich keinen runden Abschluss bietet. Ist das wirklich so schlimm?
Es stimmt schon, dass Creative Assembly hier sehr stark auf Cliffhanger setzt. Ich denke mal, man will sich Optionen für DLCs und erweiterungen der Singleplayer-Kampagne offenhalten