Sniper Elite 3 (PS4) im Test

von Max Hohenwarter 01.07.2014

Rebellion schickt euch zum Campen in die Wüste. FreundInnen gepflegter Stealth-Action freuen sich drüber, denn anstatt Zelt, Grillanzünder und Plastikgeschirr drückt man euch bei Sniper Elite 3 Gewehr, Ghillie-Suit und Zielfernrohr in die Hand. Ich habe mir den Taktik-Shooter für euch angesehen und verrate euch, ob der Titel genau ins Schwarze trifft oder mit Ladehemmungen zu kämpfen hat.

Die Ratte des Wüstenfuchses

Karl Fairburne liegt wieder einmal auf der Lauer. Den Heckenschützen, der sich bereits seit dem ersten Sniper Elite im Auftrag des OSS mit äußerster Präzision durch die feindlichen Reihen schießt, verschlägt es diesmal nach Afrika, um dem deutschen Afrikakorps und Hitlers Lakai General Vahlen das Handwerk zu legen. In insgesamt acht umfangreichen Missionen versucht ihr – unter anderem in der Belagerung von Tobruk –, das Schlachtenglück zu wenden oder ihr schaltet in der Gaberoun-Oase einige Offiziere aus, um von diesen Informationen über General Vahlens Vorhaben zu ergattern. So erfährt das Office of Strategic Services vom „Projekt Ratte“, einem (damals tatsächlich geplanten) riesigen Panzer, der für die Nazis zur kriegsentscheidenden Superwaffe werden soll.

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Nein: Die Geschichte von Sniper Elite 3 besitzt nicht die Dramatik einer Operation Walküre oder wenigstens die Originalität und Kreativität von Tarantinos Inglourious Basterds. Muss sie aber auch nicht, denn seien wir mal ehrlich: Zum einen haben wir von den von A bis Z durchgeskripteten Action-Orgien à la Call of Honor: Battlefield-Duty-Medal, Gott bewahre, eventuell auch noch mit Gegenwartskriegsszenario, ohnehin einmal eine Pause gebraucht; zum anderen sind es hauptsächlich die spielerischen Qualitäten, die eine Taktik-Action-Simulation wie Sniper Elite 3 zu einem guten Game werden lassen.

„Dies ist mein Gewehr. Es gibt viele wie dieses, aber dieses ist meins …“

„Mein Gewehr ist mein bester Freund. Es ist mein Leben. Ich muss es meistern, so wie ich mein Leben meistern muss.“ Wenn ihr dieses Credo auswendig aufsagen könnt, so habt ihr entweder im United States Marine Corps gedient, euch Stanley Kubriks Meisterwerk Full Metal Jacket bis zum Erbrechen angesehen oder aber die Essenz aus Sniper Elite 3 destilliert – und das Core-Gameplay ist euch in Fleisch und Blut übergegangen. Wie in keinem anderen Shooter ist es in der Sniper Elite-Serie das Wichtigste, den Umgang mit dem M1 Garand oder einem anderen Scharfschützengewehr eurer Wahl zu beherrschen.

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„Mein Gewehr und ich wissen, was in diesem Krieg zählt.“

„Wir wissen, dass es die Treffer sind, die zählen. Wir werden treffen!“Alleinstellungsmerkmal von Sniper Elite 3 ist und war seit Beginn der Reihe die realistische Ballistik. Wenn ihr verschanzt und eingeigelt einen Gegner ins Visier nimmt, gilt es – je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad – alles von Entfernung über Herzfrequenz und Atmung bis hin zur Windrichtung und -geschwindigkeit in die ein bis zwei Kugeln miteinzuberechnen, die ihr abgeben könnt, bevor euer kuschelig eingerichtetes Schützennest enttarnt ist. Haben die Gegner eure Schüsse gehört, weil ihr sie nicht mit Umgebungsgeräuschen, wie beispielsweise denen eines stotternden Generators, überdeckt habt, oder haben sie euch gar gesehen, heißt es, Fersengeld zu geben.

Hauptmann wer?

Die überaus schlau agierende und zielsichere Feindschar wird euch fortan unbarmherzig hinterherjagen und versuchen, euch zur Strecke zu bringen. Zumindest ein paar Minuten, denn dann haben sich die Wellen geglättet und niemand vermisst mehr den Gefreiten Müller oder erinnert sich noch an Hauptmann Maier, dessen leblosen Körper man gerade noch gefunden hat. Oder hieß er doch Huber? Ach, egal … Hui, was blendet mich denn da von diesem Wacht… *Boooooom* *Kopfschuss*.

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Kommt euch einer der Gegner doch zu nahe, habt ihr zwar noch immer eine Maschinenpistole oder eine Handfeuerwaffe, um euch verteidigen zu können, doch Sinn und Zweck ist die Enttarnung ohnehin nicht. Passiert dies doch, habt ihr im Idealfall bereits einen Standortwechsel geplant oder euch immerhin schön mit Tretminen oder Sprengfallen abgesichert. Sniper Elite 3 ist ein gemächliches Spiel. Bevor ihr überhaupt auf das erste Ziel anlegt, heißt es erst einmal, die Umgebung auszukundschaften, das Terrain vorzubereiten und für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Am ehesten kann man das Spielgefühl mit der Hitman-Serie oder der Commandos-Reihe vergleichen.

Durch Mark und Bein

Habt ihr dann endlich das Fadenkreuz zwischen die Augen eures Feindes bugsiert und im richtigen Moment abgedrückt, wird es richtig blutig. Zweites Markenzeichen von Sniper Elite 3 sind nämlich die überaus drastisch inszenierten Bullet Cams. Ab Austreten der Kugel aus dem Lauf folgt ihr dem Projektil bis zum Eindringen desselben in den Körper des Opfers, samt splitternden Knochen, berstenden Schädeln und perforierten Organen. Da kann zartbesaitete Naturen schon mal die Magengrube drücken, aber für alle Gore-Fans ist es wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen.

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So komplex Sniper Elite 3 in spielmechanischer Hinsicht auch sein mag, so spartanisch gibt es sich in der Präsentation auf der PS4. Es ist zwar nicht wirklich hässlich und bietet teilweise auch schöne Licht und Raucheffekte sowie einen extrem fetten Sound mit wuchtigen Schussgeräuschen, aber trotzdem merkt man dem Spiel an, dass es nur ein leicht aufpolierter Last-Gen-Titel ist. Die Gesichter der Charaktere sind auf eher mäßigem Niveau, und das gelegentliche Nachladen der Texturen bricht mit der sonst so dichten Atmosphäre des Titels. Fairerweise sei aber noch erwähnt, dass die Texturen immerhin scharf sind.

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Zusammenfassung

Sniper Elite 3 ist eine willkommene Abwechslung im Shooter/Action-Einerlei. Wo uns Call of Duty jedes Jahr nur mit neuem Kanonenfutter und noch bombastischeren Explosionen und Skriptsequenzen abfertigt und nahezu jeder Third-Person-Shooter eine inflationäre – äh, Verzeihung – revolutionäre Deckungsmechanik nutzt, besticht die Scharfschützen-Simulation mit durchdachtem und forderndem Gameplay, das PuristInnen und AuthentizitätsfetischistInnen in Verzückung versetzen wird. Doch auch das nutzt sich nach einer Weile ab, weil es leider kaum Abwechslung bietet. In allen acht Missionen sondieren wir zuerst die Umgebung, sichern im Vorfeld die Zugänge ab, igeln uns dann in unserem Schützennest ein, nehmen unsere Ziele aufs Korn und rücken vor. Dann heißt es wieder sondieren, absichern, abdrücken, sondieren, absichern, abdrücken … Andere Spiele übertünchen ihre repetitive Spielmechanik meist mit einer wendungsreichen Story oder absolut genialer Grafik, aber diese Option hat Sniper Elite 3 leider nicht. Was bleibt, ist aber eine gute Actionsimulation, an deren durchdachtem und ausgefeiltem Ballistiksystem ProfispielerInnen ihre Freude haben werden.

Wertung: 7.5 Pixel

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