Mario Golf: Super Rush Test: kein Birdie aber immerhin noch Par
Mario Golf: Super Rush versemmelt mit unnötigem Beiwerk die Kür, macht aber Dank des starken Kerngameplays im Multiplayer trotzdem viel Spaß.
Mehr Action im Golfsport
Mario hat schon ganz schön viele Sportarten praktiziert. Egal ob Tennis, Fußball oder Kartfahren, meist sind diese Spiele ganz große Couch-Koop Hits. Durch ihre einfach zu lernen, schwer zu meistern Mentalität und ihre kurzen Matchzeiten können auch Einsteiger:innen sofort loslegen. Im Gegensatz zu den genannten Sportarten findet Golf aber nicht gleichzeitig, sondern hintereinander statt. Neben dem normalen Golf-Modus (der sogar gleichzeitig gespielt werden kann: alle schlagen gleich ab ohne aufeinander zu warten), gibt es auch die Möglichkeit Speed-Golf zu spielen. Dabei muss dann nach dem Abschlag zum Ball gerannt und Gegner mit Spezialattacken weggerempelt werden. So hat Nintendo es geschafft, sogar in das Golfen richtig Action reinzubekommen.
Bitte keine „Mario Story“
Das ist die gute Nachricht, denn beide Modi sind mit menschlichen Kontrahent:innen absolut zu empfehlen. Die schlechte Nachricht ist, dass der lieblose „Storymodus“ komplett nebensächlich wird und auch Battle-Golf sich nach wenigen Partien als viel zu hektisch und chaotisch darstellt. Nintendo hätte darauf verzichten und dafür mehr Strecken, mehr Charaktere und mehr Abwechslung in die beiden Hauptmodi bringen können. Auch z.B. bei einem Mario Kart möchte ich immer mehr (Strecken, Fahrer:innen, etc.) haben, als einen repetitiven Storymodus (mit Totschlag-Textboxen). Das kann man naturgemäß auch anders sehen, aber ihr kennt jetzt zumindest meinen Standpunkt.
Die Basics
Bevor ich euch aber die einzelnen Modi näher bringe, möchte ich auf das hervorragende Kerngameplay eingehen. Aufgepasst, jetzt wird es kurz golflastig! Wie im echten Golf habt ihr immer ein Set an Schläger dabei. Mit dem Driver könnt ihr besonders weit schießen, mit dem Sand Wedge besonders hoch, aber dafür kurz. Auf der Übersichtskarte seht ihr jederzeit, wie weit man mit dem jeweiligen Eisen schlagen kann. Dort fällt der Ball dann in etwa am Boden („Carry“), aber genauso wichtig ist wohin er rollt („Run“). Um die Entfernung beeinflussen zu können, gibt es eine Leiste die nach oben schnellt und per Knopfdruck bestätigt wird – so weit wird dann der Ball geschossen. Dann ditscht der Ball am Green auf und kullert trotzdem noch ins unangenehme Rough (hohes Gras, wo der Ball viel schwieriger zu spielen ist). Deshalb gibt es neben dem normalen Spiel auch Topspin und Backspin, bzw. in der Steigerung davon noch die Supervarianten dazu. Dann rollt der Golfball entweder extrem weit oder springt nur ganz kurz ab.
Am Sweetspot eingelocht
Auch die Windverhältnisse müssen einbezogen werden und sogar Spins um Bäume oder z.B. auch die stacheligen Pokeys sind möglich, aber sehr knifflig. Das lädt zum Variieren und vor allem auch Taktieren ein. Auch die Neigung des Greens spielt bei Mario Golf: Super Rush bzw. dem Putten eine große Rolle. Geht es bergab, rollt der Ball viel weiter. Hängt das Green zur Seite weg, nimmt der Ball eine Kurvenbewegung an, die nach Geschwindigkeit stärker oder schwächer ist. Das klingt jetzt ein bisschen danach als müsste man vor dem Spielen die Mario Golf Platzreife machen, aber der Schein trügt. Diese Konzepte hat man bereits nach den ersten neun Löchern sehr gut verinnerlicht. Vor allem die Neigungsanzeige durch ein Gitter, dass sich je nach Winkel verfärbt ist sehr hilfreich. Das Spiel ist eben keine Golfsimulation, sondern trifft genau den Sweetspot zwischen Simulation und arcadigem Golfen. Schon nach wenigen Schlägen hat man die ersten Erfolge, aber dann gibt einem das Spiele sehr viele Möglichkeiten an die Hand sich richtig reinzufuchsen. Da sind wir wieder bei leicht zu lernen, schwer zu meistern – typisch Nintendo Sportspiel eben.
Aller Anfang ist schwer
Kann sich noch jemand an den Einstieg an The Legend of Zelda: Twilight Princess erinnern und wie es einen fünf Stunden lang versucht zu erklären, wie man ein Schwert hält und man Hühner fängt? Ja, auch der Storymodus von Mario Golf: Super Rush, genannt Golf-Abenteuer, hat ein ähnlich schnelles Erzähltempo. Macht es nicht wie ich, lasst euch das Spiel nicht in einem gequält langsamen Tutorial mit Textboxen erklären. Spielt einfach los und findet durch kurzes rumprobieren in zehn Minuten Selbststudie alles raus. Ich bin mit meinem Mii trotzdem für euch in den Abenteuermodus abgetaucht.
Laufarbeit
Die Geschichte dreht sich darum als Neuling aufzusteigen und euch auf den verschiedenen Golfplätzen zu beweisen. Der Ablauf ist immer derselbe, Training, Qualifikation und abschließendes Turnier müssen gespielt und bestanden werden. Das wählt ihr aber nicht aus einem Menü aus, sondern müsst von A nach B nach C laufen und das Spiel zwingt euch zwischen den verschiedenen Phasen sogar zurück in eure Unterkunft zu gehen und eine Nacht lang zu schlafen. Während der Laufpassagen passiert nichts, aber auch gar nichts interessantes. Ihr müsst einfach nur den Weg zurück legen, der euch von einem Pfeil angegeben wird. Hin und wieder finden sich am Wegesrand zumindest Miniaufgaben wie z.B. das Einlochen bei besonders starkem Wind. Diese Aufgaben sind aber mehr als Tutorial gedacht, als dass sie die Vielfalt eines Mario Tennis Aces erreicht (Stichwort Tennis-Bowling oder sogar Bosskämpfe). Immerhin könnt ihr euren Mii nach abgeschlossenen Aufgaben aufleveln und so mit mehr Stärke, weitere Schläge schaffen oder mit höherer Kontrolle den Ball exakter dort hinbefördern, wo ihr ihn tatsächlich hinhaben wollt.
Und täglich grüßt der Shy Guy
Die Turniere an sich sind dann ganz cool, weil ihr dort auch mit mehreren NPCs am Platz steht und direkt am Green sehen könnt, wie gut sie im Vergleich zu euch abschneiden. Kommt ihr unter die besten Drei, dann qualifiziert ihr euch für den nächsten Golfplatz und die Reise geht weiter und es geht mit Training – Qualifikation – Turnier wieder von vorne los. So schaltet ihr neue Plätze frei, aber keine Sorge, das geht auch außerhalb der Kampagne. Sobald ihr in irgendeinem Modus 18 Löcher auf einem Golfplatz gespielt habt, bekommt ihr einen neuen. Neben dem Rookieplatz, schaltet ihr dann nach und nach Grünbüschel, Schroffstein, Dünenwell und den Wetterwald frei.
Passt schon
Die späteren Kurse bieten eine deutlich höhere Herausforderungen. Spielt ihr am Anfang noch ganz „normales“ Golf, befinden sich später die schon erwähnten Pokeys oder sogar Gewitterwolken am Platz, die euch wenn geschockt, nur mehr halb so stark abschlagen lassen. Die fünf Plätze sind gut gemacht, für mich hätten es aber ruhig noch mehr „Fantasyelemente“ sein dürfen. Warum nicht noch mehr Varianten oder sogar wie in Mario Kart mit Überkopfstrecken arbeiten und so vielleicht die Schwerkraft beeinflussen? Deshalb finde ich es auch so schade, denn ich hätte für solche Features und noch mehr Plätze sofort den Abenteuer-Modus eingetauscht.
Im Multiplayer ein Hit
Meiner Meinung nach entfaltet dieses Spiel sein ganzes Potenzial erst, wenn ihr mit bis zu drei weiteren Freund:innen auf der Couch oder im Online-Modus gegeneinander spielt. Standard-Golf ist genau so, wie man sich auch echtes Golf vorstellt, es wird der Reihe nach abgeschlagen und alle Schläge gezählt, bis der Ball versenkt wurde. Praktischerweise bietet Nintendo auch an, dass alle Spieler:innen gleichzeitig abschlagen dürfen und nicht der Reihe nach. Das ist vor allem zu viert angenehm, da dann die Runden deutlich zügiger vonstatten gehen. Gerade im Multiplayer sind die Spezialschläge, die sich nach und nach aufladen besonders gefragt. Damit schießt ihr nicht nur besonders weit, sondern könnt mit den meisten Charakteren die gegnerischen Bälle aus dem Weg schupfen. Wario lässt Gewitterwolken erscheinen, die dieselbe Wirkung, wie die im Wetterwald haben, Luigi kann den Boden gefrieren lassen und König Bob-Omb lässt selbstverständlich Bomben regnen.
Golfen mit Stil
Von Anfang an könnt ihr (inklusive Mii) auf 17 Golferinnen und Golfer zurückgreifen, von denen sogar ein paar ungewohnte Gäste, wie Football-Chuck mit an Board sind. Hier kann leider nichts freigespielt werden und abermals ärgere ich mich, dass hier nicht mehr Budget zur Verfügung stand, weil der Storymodus gemacht werden musste. Immerhin könnt ihr aber pro Charakter zwei Spezialschlägersets freischalten, mit denen man noch weiter abschlagen kann. Auch hier würde ich mir ein bisschen mehr Langzeitmotivation wünschen. Vor allem ein paar zusätzliche Charaktere zum Freispielen wären cool gewesen. Außerdem gibt es einen kleinen Schönheitsfehler bei der Präsentation. Es gibt keine Wiederholungen oder Zeitlupen, nicht einmal bei den besonders seltenen Hole in Ones. Es wäre schön gewesen, die besonders guten Schläge in einem Replay ordentlich zu feiern. Abschließend muss lobend erwähnt werden, dass die Golferoutfits aller Spieler:innen ziemlich witzig gestaltet sind. So schick habt ihr Wario und Waluigi noch nie gesehen.
Speed-Golf
Wie ich bereits einleitend erwähnt habe, hat Golf das Problem, das es nacheinander gespielt und eher statisch ist. Dies wird durch den neuen Modus Speed-Golf deutlich aufgebrochen. Aller Golfer:innen schlagen gleichzeitig ab, um dann den eigenen Ball hinterher zu laufen. Mit genügend Ausdauer kann nicht nur über den Platz gesprintet, sondern sogar Spezialmanöver ausgeführt werden. Yoshi überrollt mit einem riesigen Ei die Gegner, Wario zündet das Furzjetpack und schlägt so richtig im Boden ein. Im Speed-Golf wird deshalb auch die Zeit mitgestoppt und wer am schnellsten ist gewinnt das Loch.
Zeitspiel
Allerdings dürft ihr nicht komplett kopflos spielen, denn auch jeder Abschlag bringt zusätzliche 30 Sekunden auf euer Zeitkonto. Damit ergeben sich packende Rennen aufs Green, wo bis zur letzten Sekunde alles offen bleibt. Hier gibt es wie im Standard-Golf zwei Zählarten. Entweder ihr bekommt absteigend Punkte pro Loch und am Ende gewinnt die Person mit den meisten Punkte oder ihr habt ein Zeitkonto, das über alle Löcher hinweg weiterzählt. Auf einem 18-Lochkurs hatten wir am Ende gerade einmal zwei Sekunden Unterschied zwischen Erst und Zweitplatziertem. Dabei entsteht dann auch die typische Couch-Koop Magie, die Nintendo so gut beherrscht.
Zu viel Action?
Kommen wir abschließend noch zum Battle-Golf sowie der Bewegeungssteuerung, die für mich beide unter die Kategorie Nice to Have fallen. Das Battle-Golf ist eine chaotischere Variation des Speed-Golf und findet in einer eigens dafür gebauten Arena mit neun Löchern statt. Wer zuerst drei Löcher schafft gewinnt. Der Clou daran ist, dass die geschafften Löcher für alle anderen verschwinden. Zusätzlich gibt es noch Beschleunigungsstreifen und Anhöhen, die ausgenutzt bzw. überwunden werden müssen. Für Zwischendurch ist es ein kurzer Spaß. Allerdings geht hier der strategische Aspekt verloren, da zu oft der Zufall entscheidet, ob ihr gerad ein „freies“ Loch bespielt oder andere Golfer:innen euch es vor der Nase wegschnappen.
Prinzipiell können alle Modi immer auch mit Bewegungssteuerung gespielt werden und auch das kann an einem heiteren Koop-Abend für Abwechslung und Stimmung sorgen. Es braucht auf jeden Fall ein bisschen Eingewöhnung wie stark man die Abschläge mit dem Joy-Con timen soll. Natürlich ist die Steuerung deutlich besser als noch zu Wii Sports Zeiten, aber beim genauen Putten kann es dann doch immer wieder zu frustigen Momenten kommen. Immer wieder mal eine Bewegungssteuerungsrunde einzustreuen, kann aber trotzdem sehr witzig sein.
Mario Golf: Super Rush Fazit
Ich hoffe ich konnte es euch deutlich machen, dass ich das prinzipielle Gameplay von Mario Golf: Super Rush für ausgereift und großartig erachte. Nur das Drumherum ist nicht mein Fall. Ich hätte lieber mehr Charaktere, mehr Golfplätze, und mehr spielerische Golfplatz-Features gehabt. Stattdessen habe ich einen Abenteuer-Modus bekommen, mit dem ich nicht besonders viel anfangen kann. Ich bin ganz einfach der Spielertyp, der die Mario-Sportspiele beinahe ausschließlich mit echten Mitspieler:innen bestreitet. Aber auch bei einer realen Partie Tischtennis ändern sich weder Schläger, noch Tisch und deshalb sind trotz des nur ausreichenden Umfangs weitere unzählige Partien Mario Golf: Super Rush geplant. Einzig und allein das verschenkte Potenzial werden mir dabei immer ein bisschen im Hinterkopf bleiben.
Servicehinweis:
Leider gibt es schon ab Release nur wenig Möglichkeiten Online zu spielen. Zu selten findet man Räume. Schade auch, dass Nintendo hier keine Raumliste zur Verfügung stellt, sondern mich per Filtersuche immer direkt einem Raum zuteilen möchte. Einzig das Spielen mit befreundeten Accounts klappt sehr gut und problemlos.