Attack on Titan Band 2 im Test

von Stefan Hohenwarter 14.06.2014

Nach dem harten Cliffhanger am Ende von Band 1 machte ich mir einige Gedanken: Handelt es sich bei den letzten Seiten von Attack on Titan Band 1 nur um eine Traumsequenz, kann einer der Charaktere möglich Zukunftsszenarien sehen oder ist es die bittere Wahrheit, dass der aufopfernd kämpfende Eren Jäger schon im Band 1 die Segel streichen muss? Wie die Geschichte weitergeht, erfahrt ihr in meinem Test zu Attack on Titan Band 2.

AttackOnTitan2

Facts

Genre: Action, Drama
Verlag: Carlsen
Mangaka: Hajime Isayama
Release: 27. Mai 2014

Eine trostlose Welt

Vor etwa einhundert Jahren löschten riesige, menschenähnliche Kreaturen – Titanen genannt – die Menschheit fast aus. Wo die Titanen herkommen, warum sie hinter den Menschen her sind und sie menschenähnliche Züge haben, ist bislang unbekannt. Nur eines steht fest: Menschen stehen auf dem Speiseplan der gigantischen Wesen. Zwar versuchte die Menschheit verzweifelt, sich gegen die Titanen zu wehren, da diese Wesen jedoch sowohl von der Größe als auch von ihrer schieren Körperkraft den Menschen haushoch überlegen sind, hatten Letztere kaum eine Chance: Die Menschheit wurde fast ausgerottet.

Die letzten Überlebenden des Massakers schlossen sich zusammen und zogen sich hinter drei gewaltige, in konzentrischen Kreisen aufgebaute Steinmauern zurück. Diese sind 50 Meter hoch und für die rund 15 Meter großen Titanen im Prinzip unüberwindbar. Hinter diesem Schutzwall lebt der Rest der Menschheit ohne moderne Technologie. Zwar erinnert man sich noch an das Grauen vergangener Tage, doch fühlt man sich hier in Sicherheit. Einzig der Erkundungstrupp, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Titanen, deren Herkunft und mögliche Schwachpunkte außerhalb der gigantischen Mauern zu erforschen, lebt in Gefahr. Die Bevölkerung hinter der Mauer gibt sich damit zufrieden, zusammengepfercht in einer Art Käfig zu leben und die ständige Bedrohung von außen so gut es geht zu verdrängen.

Von den Touren des rund hundertköpfige Erkundungstrupps kehren im Normalfall nur rund 20 bis 30 Leute zurück – der Rest wird von Titanen gefressen. Dennoch wird diese Einheit stets aufs Neue von ihrem Forschungsdrang angetrieben, sich ins Feindesland zu begeben, um vielleicht eine Lösung für das Dilemma der Menschheit zu finden.

Was bisher geschah …

Als einer dieser Erkundungstrupps eines Tages wieder – stark dezimiert – zurückkommt, ist das der Anfang vom Ende: Offenbar ist ein bislang nie gesehener kolossaler Titan dem Trupp gefolgt. Das über 50 Meter große Monster ragt über die äußerste Mauer und erblickt dahinter das Objekt seiner Begierde: Menschenfleisch. Wäre die Mauergarnison auf ihrem Posten gewesen, anstatt wieder einmal einen über den Durst zu trinken, hätte man vielleicht eine Chance gehabt, den äußersten Ring der Festung zu evakuieren, doch dafür ist es nun zu spät: Der kolossale Titan reißt ein gigantisches Loch in die schützende Außenmauer, durch das die nach Menschenfleisch lechzenden kleineren Titanen stürmen. Protagonist Eren, der dem Erkundungstrupp beitreten wollte, sowie seine Adoptivschwester Mikasa überleben das Massaker, müssen aber mitansehen, wie ihrer Mutter von einem Titan sämtliche Knochen gebrochen werden, ehe sie im Rachen des Monsters verschwindet. Eren und Mikasa melden sich daraufhin für die 104. Trainingsbrigade, um ElitesoldatInnen zu werden. Denn sie verfolgen ein Ziel: Freiheit für die Menschheit und Rache an den Titanen!

Eine Chance dafür eröffnet sich früher, als sich alle erhofft haben. Der kolossale Titan greift erneut die letzte Bastion der Menschheit an. Die Abwehrkräfte formieren sich, doch der Riese reißt wieder ein Loch in die Mauer, wodurch der Weg für die kleineren Titanen wieder frei ist. Sie stürmen, angetrieben vom Ausblick auf saftiges Menschenfleisch, durch die Öffnung. Eren möchte das Übel an der Wurzel packen und macht sich ohne Umschweife auf dem Weg zum rund 60 Meter großen Titanen. Als der rachsüchtige Protagonist auf dem besten Wege dazu ist, dem Koloss das Licht auszublasen, indem er ein Stück Fleisch aus dem Bereich zwischen Kopf und Nacken schneidet – dies ist die bislang einzig bekannte Schwachstelle der Titanen –, verschwindet er plötzlich. Die kleineren Titan sind allerdings noch da und wüten in der Stadt. Die Abwehrtrupps der Menschheit versuchen verzweifelt, gegen die Monster zu bestehen, schinden aber lediglich Zeit, damit der Großteil der Bevölkerung evakuiert werden kann: Denn trotz ihrer Größe und fehlenden Intelligenz sind die Titanen übermächtige Gegner.

Eren kämpft unterdessen mit seinem Trupp, zu dem unter anderem auch Armin, ein schwacher Kämpfer, aber hervorragender Taktiker und Stratege, gehört, weiter verbissen gegen die Monster. Doch der aufopfernde Einsatz von Eren hilft nichts, denn beim Sprung von einem zu einem anderen Haus beißt ihm ein Titan ein Bein ab. Mit schmerzverzerrtem Gesicht liegt er nun auf einem Dach, doch es kommt noch schlimmer: Ein Titan steckt Armin, den Jugendfreud von Eren, in sein Maul. Dieser kann dabei nicht tatenlos zusehen – und springt ebenfalls in den Rachen des Titanen, um Armin zu retten. Dank Eren kann der geschockte Stratege zwar entkommen, doch für seinen Retter kommt jede Hilfe zu spät. Der Titan beißt die Zähne zusammen und trennt damit Erens Arm, der noch zwischen den Mahlwerkzeugen war, ab.

Mikasas Vergangenheit

Bevor ich Band 2 aufgeschlagen habe, habe ich ich auf der Rückseite des Einbandes gesehen, dass die Silhouette von Eren Jäger ausgegraut ist. Bedeutet das womöglich, dass die schlimmste Befürchtung nach Band 1 Wahrheit geworden ist?

Nun zum Inhalt von Attack on Titan Band 2: Mikasa ist mit ihrem Trupp ebenfalls in der Stadt unterwegs, um den Rückzug der Menschheit zu sichern. Sie weiß noch nichts von dem Unglück, das Eren widerfahren ist. Als sie auf Armin trifft, der als Einziger von seinem Trupp überlebt und die Nerven verloren hat, gelingt es ihr, den Strategen zu beruhigen. Durch ihre Worte ermuntert, schafft er es schweren Herzens zu erzählen, was in den letzten Minuten passiert und wie Eren gestorben ist. Mikasa ist innerlich aufgewühlt – schon wieder hat sie ihre Familie verloren –, lässt sich jedoch nichts von ihrem Schmerz anmerken.

Moment! Schon wieder? Kurz zuvor erfährt man mehr über ihre Vergangenheit und wie es dazu kam, dass Eren Jäger und Mikasa Ackermann unter demselben Dach lebten. Bei einem Arztbesuch von Erens Vater bei Mikasas Elternhaus finden der Arzt und sein Sohn Eren, der ihn begleitet, die Leichen von Mikasas Mutter und Vater: Sie wurden offenbar grausam ermordet. Von ihrer Tochter ist allerdings keine Spur zu sehen. Erens Vater verständigt die Polizei, während er seinem Sohn bittet, im Haus zu warten. Eren missachtet die Anordnung seines Vaters jedoch, macht sich auf die Suche nach Mikasa und findet sie auch bald: Zwei Kerle haben sie offenbar entführt und wollen sie an Menschenhändler verkaufen. Als Eren die Situation begreift, stellt er sich den Entführern entschlossen entgegen – und tötet beide. Eren löst Mikasa Fesseln, doch statt einem „Danke“ bringt sie nur „Es waren drei“ über die Lippen. Bevor Eren begreift, was Mikasa ihm damit sagen will, betritt ein dritte Entführer den Raum und schnürt Eren die Luft ab. Mit letzter Kraft sagt Eren zu Mikasa, dass sie kämpfen müsse: Denn wer nicht kämpfe, könne nicht gewinnen. Das verschreckte Mädchen, das bis dahin vor Angst wie gelähmt war, nimmt all ihren Mut zusammen und sticht den Verbrecher nieder. Als Dr. Jäger die beiden Kinder wohlbehalten wiederfindet, liest er Eren einerseits die Leviten, da er seine Bitte, im Haus zu verbleiben, missachtet hat, scheint andererseits aber froh zu sein, dass Mikasa dank seines Einsatzes nichts passiert ist. Er bietet dem Mädchen, das seine Eltern verloren und sonst niemanden mehr hat, an, bei seiner Familie zu leben. Überglücklich willigt sie ein. Von diesem Zeitpunkt an hat sich Mikasa zum Ziel gesetzt, Eren auf ewig zu beschützen.

Nun hat sie also wieder ihre Familie verloren. Der Mut der Verzweiflung lässt sie aber nicht in Wahnsinn verfallen. Mikasa sammelt ihre Gedanken und erinnert sich an Erens Worte bei ihrer Befreiung aus den Händen der Entführer: „Wenn du nicht kämpfst, kannst du nicht gewinnen.“ Daraufhin streckt sie eine Klinge in den Himmel und treibt die überlebenden KameradInnen dazu an, ihre Angst zu überwinden und weiter alles im Kampf gegen die Titanen zu geben. Ob das allerdings reicht, um in dieser grausamen Welt den nächsten Tag zu erleben?

Detail am Rande: Mikasas Pose mit dem ausgestreckten Schwert in Richtung Himmel wollte Isayama-san als Cover, doch sein Vorschlag wurde abgelehnt.

Zusammenfassung

Die grausame Welt, die Hajime Isayama in Band 1 geschaffen hat, ändert sich auch im zweiten Band nicht. Zwar besteht nun ein Fünkchen Hoffnung, da die neuen RekrutInnen rund um Mikasa und Armin sich geschickt anstellen und mit der Situation verhältnismäßig gut umgehen können, aber ob das reicht, um den Titanen Einhalt zu gebieten, wird sich erst zeigen. In Attack on Titan Band 2 erfahrt ihr mehr über Mikasas Vergangenheit und die Gründe dafür, dass sie oft teilnahms- und emotionslos erscheint. Nach dem Rückblick in Mikasas Jugend nehmen die Action und die Geschichte ordentlich Fahrt auf. Ein bislang ungesehenes Phänomen, das ich an dieser Stelle nicht spoilern möchte, verändert alles. Das Highlight sind allerdings die letzten paar Seiten des Bandes. Band 2 steht der Spannung, der Action und der erwachsenen Erzählweise des Debütbandes um nichts nach. Isayama-san schafft es mit Attack on Titan Band 2 hervorragend, den Charakteren durch Rückblenden in ihre Vergangenheit mehr Profil zu verleihen und gleichzeitig die mitreißenden Geschichte voranzutreiben.

9.5

Wertung: 9.5 Pixel

für Attack on Titan Band 2 im Test von