Zwei Seelen, ein Review: Beyond: Two Souls (PS4) im Test
Übernatürliche Kräfte, Leben nach dem Tod, der Einfluss von Existenzen aus dem Jenseits: Beyond: Two Souls wirft nun auch auf der PS4 viele Fragen auf und mischt die Antworten stark durch. Maßgeblich beteiligt sind die beiden Stars Ellen Page und Willem Dafoe, aber ist das genug, um Gänsehaut-Feeling in euer Wohnzimmer zu bringen? Lest hier weiter, wie es in der Zwischenwelt so abläuft…
Gestatten, Jodie Holmes
Gleich vorweg: Beyond: Two Souls lässt sich nicht so einfach klassifizieren. Einerseits ist es ein Action-Adventure, andererseits ist das Game auch ein interaktiver Film, der sowohl Thriller-ähnliche Sequenzen als auch richtig tief gehende Abschnitte in sich vereint. Die Macher des Spiels, Quantic Dream, zeichnen sich auch für Fahrenheit (PS2, PC) und Heavy Rain (PS3) verantwortlich. Daher ist es nicht verwunderlich, dass für Beyond: Two Souls nun echte SchauspielerInnen verwendet wurden, um die hauseigene Kara-Engine zu füttern. Das Resultat ist wahrlich erstaunlich.
Die PS4-Version von Beyond: Two Souls gibt euch die Möglichkeit, das Spiel entweder in der Originalreihenfolge durchzuspielen (also mit Zeitsprüngen nach vor und zurück; die Handlung reicht von Jodies Kindheit bis zu ihrem Leben als erwachsene Frau), oder aber in der chronologisch korrekten Reihenfolge – ein Wunsch vieler SpielerInnen, nachdem sie Beyond: Two Souls auf der PS3 gespielt hatten. Natürlich wurden auch die Grafik und die Technik überarbeitet, doch an der Story selbst hat sich nichts geändert. Sie reißt euch nach wie vor mit und sorgt für unterhaltsame Stunden vor dem Bildschirm.
Jodie Holmes ist die zu Beginn der Handlung acht Jahre alte Hauptheldin, die übernatürliche Kräfte benutzen kann. Sie hat Kontakte zu einer Parallelwelt, die auch Infra-Welt oder schlichtweg „die andere Seite“ genannt wird. Aus dieser Parallelwelt entstammt Aiden, ein unsichtbarer, aber mächtiger Zeitgenosse, der sogar die echte Welt beeinflussen kann. Da Jodie Aiden nicht unter Kontrolle hat, passieren manchmal unerklärliche Dinge, was nicht nur ihren Eltern Angst einjagt. So wird sie kurzerhand an das DPA (Department of Paranormal Activities, also Behörde für paranormale Aktivitäten) übergeben und dort observiert.
Nathan Dawkins, Freund und Helfer
Dort lernt ihr gemeinsam mit Jodie den gebeutelten Wissenschaftler Nathan Dawkins kennen, der es selbst nicht immer einfach im Leben hatte. Er nimmt sich fortan mit seinem Assistenten Cole Freeman um die junge Jodie an und versucht, ihre Begabung zu verstehen, zu fördern und zu erforschen. Da Nathan auch mehr oder minder die Vaterfigur für die kleine Jodie übernimmt, muss er sich auch mit den alltäglichen Dingen auseinandersetzen. (Ihr als SpielerInnen lernt schnell: Seine Probleme werden rasch zu euren.) So versucht er, Jodie auch als „normales Mädchen“ zu behandeln und sie etwa sich sozialisieren zu lassen.
Eine Geburtstagsfeier mit Gleichaltrigen geht aber schwer daneben (wie sehr, liegt wie so oft in eurer Hand), und Nathan muss in seiner Funktion als Regierungswissenschaftler daraus Konsequenzen ziehen. Nicht nur der Kontakt zu Aiden, sondern auch ihre eigenen juvenilen Missgeschicke machen alle Versuche, ein normales Leben zu führen, unmöglich. So bleibt Jodie in der vertraut-verschlossenen Umgebung der Forschungseinrichtung. Nathan bemüht sich zwar sehr, kann sie aber nicht vor allem schützen, wie etwa der CIA, die Interesse an ihrer übernatürlichen Begabung und Aiden hat…
Ein erstes Einfühlen
Beyond: Two Souls ist von der technischen Seite sehr gelungen. Teils grenzen die Spielsequenzen an Fotorealismus, was die Illusion des interaktiven Films nur noch mehr verstärkt. Wenn ihr mit etwas interagieren könnt, wird dies nur durch einen weißen Punkt angezeigt, riesige Quest-Marker oder ähnliche Sperenzchen gibt es in Beyond: Two Souls nicht. Ihr spielt Jodie ausschließlich in der Third-Person-Perspektive, also „von außen“, wohingegen ihr Aiden, wenn Jodie ihn braucht, aus der Egoperspektive steuert. Seine Sicht ist ganz anderes, verschwommen Umrisse und Farben zaubern ein schaurig-schönes Bild auf euren Fernseher.
Ganz wie in Heavy Rain gibt es in Beyond: Two Souls viele Quick-Time-Events, die etwa von „Knopf drücken“ über „Knopf halten“ bis hin zu „Knopf schnell und wiederholt antippen“ reichen. Auch der rechte Stick, mit dessen Neigung ihr steuert, was ihr als Nächstes anfasst, wird gerade in schnelleren Sequenzen oft gebraucht. Hier wird euch groß und unmissverständlich angezeigt, welche Eingabe von euch erwartet wird. Je nachdem, ob ihr diese Quick-Time-Events meistert oder nicht, entwickeln sich einzelne Storystränge anders, genauso, wie wenn ihr bei Konversationen gewisse Themen anschneidet.
Beyond: Two Souls verzeiht ganz wie Heavy Rain viele Fehler und bietet euch fast immer alternative Routen an. Es macht auch richtig Freude, den schönen Lichteffekten zu frönen oder manchmal einfach nur die großartigen Texturen zu bewundern. Optisch ist das Spiel richtig opulent geworden, und auch spielerisch muss sich das Game nicht verstecken. Ganz wie in Life Is Strange werden euch nach jedem Kapitel die gravierendsten Entscheidungen präsentiert und eine Prozentzahl, wie sich die anderen SpielerInnen von Beyond: Two Souls an eurer Stelle entschieden haben. Das zeigt oft auf brutale Weise an, wenn ihr so ganz anders als die anderen ZockerInnen seid.
Die andere Seite
Mit der Dreieck-Taste könnt ihr so gut wie jederzeit euren Freund und Helfer Aiden herbeirufen. Das Spiel wechselt dann in eine geisterhafte Egoperspektive, und ihr übernehmt die Kontrolle über den Geist. (Übrigens gibt es in Beyond: Two Souls auch einen Duo-Modus, bei dem ihr beide Charaktere einfach auf zwei Controller aufteilt.) Oft lassen sich dank Aiden Orte ausspionieren, die ihr mit Jodie noch nicht erreichen könnt oder wollt, doch das ist noch nicht alles, was euer Freund aus dem Jenseits kann. Da er sich in der Welt der Toten befindet, sieht Aiden mehr, als das grobstoffliche Auge von Jodie erblicken kann.
Menschen werden durch Auren sichtbar gemacht, die gewissermaßen deren Seele darstellen. Blau bedeutet, dass der Charakter am Leben ist, Orange bedeutet, dass die Person einen willensschwachen Charakter besitzt, und Rot bringt Aiden dazu, diesen Menschen im Falle des Falles auszuschalten. Während ihr mit blau markierten NPCs nichts anfangen könnt, dürft ihr dank Aiden über orangefarbene Lebewesen die Kontrolle übernehmen (einzig das Reden fällt ihm schwer) und rot markierte Existenzen werden von euch via Würgegriff von der anderen Seite ausgeschaltet. Besonders stark ist, wenn ihr nach dem Ableben der Person darauf blickt, wie die Lebenskraft langsam aus dem Körper entweicht.
Damit Beyond: Two Souls aber nicht zu einfach wird, hat Quantic Dream eine Begrenzung eingebaut, die gleichermaßen auch die gröbste Schwäche des Spiels ist. Aidens Reichweite ist begrenzt, so wie seine Aktionen: Mehr als Stoßen, Übernahme und Würgen ist nicht drin. Das wäre ja nicht das Thema, allerdings gibt es keine Erklärung, wieso der unkontrollierbare Aiden (intelligent gelöst: Klar weiß Jodie nicht, was ihr als SpielerInnen von Aiden als Nächstes anstellt) nicht einfach alles umnieten kann, was nicht niet- und nagelfest ist. Gerade bei Sequenzen, wo ihr mehrere Feinde auszuschalten habt: Wieso kann sich Aiden nur um eine Person kümmern?
Wahlfreiheit – oder doch nicht
Aiden ist ein interessanter Charakter, da ihr Feinde ablenken könnt, um Jodies Aufmerksamkeit kämpfen dürft oder schlichtweg für Chaos sorgt. Jodie beginnt ihr Leben als Außenseiterin, wird langsam zum lebendigen Experiment und schlussendlich zum Werkzeug, doch wie sich die Story tatsächlich entwickelt, liegt in eurer Hand. Der Erzählstil ist ebenfalls gut gelungen, da ihr ständig Jodies innere Monologe in Gedanken mitverfolgt und so ein Gespür für die Situation bekommt. Wo Aiden aber herkommt, bleibt bis zum letzten Kapitel ein Mysterium – danach ist aber alles klar. Beyond: Two Souls befriedigt also die Neugier aller SpielerInnen, so viel sei gesagt: Spannend bleibt das Game bis zum Schluss.
Allerdings ist der Handlungsbogen von Beyond: Two Souls klarerweise ein linearer, allzu viele Optionen habt ihr nicht. Ihr könnt zwar in manchen Situationen anders entscheiden, was sich in dieser einen Mission auswirkt, doch richtig zusammen hängt in diesem Spiel nicht viel. Dafür sorgt die bruchstückhafte Erzählweise, denn immerhin warten über 20 Kapitel auf euch, die zwar Jodie als Protagonistin gemein haben, aber ein richtiger Guss kommt in der originalen Erzählvariante nicht auf. Euch wird vieles klar, und viele Hintergründe werden zu den richtigen Zeitpunkten beleuchtet – wirklich viel Entscheidungsfreiheit habt ihr im Großen und Ganzen jedoch nicht.
Das soll aber kein Vorwurf an Beyond: Two Souls sein, denn auch in unserem echten Leben ist es in Wahrheit nicht anders: Wo die Reise hingeht, bestimmen wir im Vorfeld nur selten. Viel mehr können wir darauf Einfluss nehmen, wie wir mit den kleinen und oft auch weniger bedeutsamen Dingen im Leben umgehen. Das meistert Beyond: Two Souls bis zur Perfektion, und schon wie Heavy Rain zuvor geht es weniger um das Spielen, sondern um das Erleben in diesem Titel. Und das kann Beyond: Two Souls wahrhaftig: Selten hat mich ein Titel derart gefesselt, dass ich ihn in einem Zug durchgespielt hatte. Bei einer Spieldauer von mindestens sieben bis acht Stunden ist das auch kein Zuckerschlecken mehr.
Hinweis: Da unsere vergebenen Spielspaßwertungen immer schon die eigene, subjektive Meinung repräsentierten und auch weiterhin repräsentieren, folgen nun zwei unterschiedliche Wertungen von Mandi und David. Außerdem konnten wir uns den Gag in der Überschrift einfach nicht verkneifen!
Mandi: Beyond: Two Souls geht unter die Haut
Woher kommt die Verbindung zu Aiden? Warum hat sie Jodie? Was wartet auf sie? Wird Jodie glücklich? So wie Life Is Strange von Dontnod Entertainment ist auch Beyond: Two Souls von Quantic Dream ein Meisterwerk geworden, das euch nicht kalt lässt. Es wäre nicht abzusehen, würden sich diese beiden Studios einmal an einer Kooperation beteiligen – die Gefühlswelten von SpielerInnen auf der ganzen Welt wären dann vermutlich ein einziger Trümmerhaufen. Daran nicht ganz unbeteiligt ist Quantic Dreams’ eigene Kara-Engine, welche die ProtagonistInnen in Beyond: Two Souls erst so richtig zum Leben erweckt. Von ausdrucksstark über gelangweilt bis hin zu ganz großen Emotionen bringt das Spiel alles rüber, was es will.
Die intelligent geführte Kamera zeigt euch ohne großes Federlesen fast immer genau an, wo ihr hin sollt, und die Animationen der einzelnen Charaktere ist zu jeder Zeit total überzeugend. Ihr nehmt Beyond: Two Souls immer ernst, und das können nicht viele Spiele von sich behaupten. Auch die sporadisch eingesetzten Horror- und Thrillerelemente sitzen perfekt, gerade die junge Jodie, die noch nicht so an den Kontakt mit der anderen Seite gewöhnt ist, kann euch manches Mal mittels simplem Jumpscare vom Hocker reißen. Doch auch die Stimmung in Beyond: Two Souls sucht ihresgleichen, und da macht diesem Titel niemand was vor.
Was Heavy Rain für DetektivInnen war, ist Beyond: Two Souls für FreundInnen von Action und Thriller. Gerade das Spiel mit den Toten und dem Thema, mit verstorbenen Familienmitgliedern wieder kommunizieren zu wollen, jagt euch ein ums andere Mal einen Schauer den Rücken hinunter. Die Inszenierung ist einfach zu überzeugend und zu glaubhaft. Auch das Ende von Beyond: Two Souls baut sich allmählich auf und ist viel mehr als eine simple Ja/Nein-Entscheidung. Bei allen Kritikpunkten, die man Beyond: Two Souls vorwerfen könnte, ist es jedoch genau das, was Quantic Dream wollte: Eine Wahnsinnsreise, ein mitreißendes Spektakel und ein Must-Have-Titel für die neue Konsolengeneration.
Mandis Wertung: 9.0 Pixel
David: Meilenstein mit Schwächen
Beyond: Two Souls ist für mich ein großartig gewählter Name (nicht nur wegen der Ähnlichkeit zu BeyondPixels), denn ich bin so hin und hergerissen, wie selten bei einem Spiel! Einerseits bietet mir das Spiel eine inszenatorische Wucht, die ich so selten gesehen habe. Ellen Page und William Dafoe überzeugen und verleihen Jodie und Nathan eine Lebendigkeit. Man könnte sogar gewissermaßen sagen, eine Seele! Trotzdem tritt ein wenig Enttäuschung über das gefakede Entscheidungssystem auf. Viele Optionen besitzen nicht die Tragweite, die das Spiel vorzugeben scheint. Ich verstehe zwar den Ansatz „Der Weg ist das Ziel“, allerdings wird hier eine große Chance vergeben. Weitreichende Konsequenzen werden nicht eingeführt, die dem Spielerlebnis noch viel stärker den eigenen Stempel aufdrücken würden.
Im Kontext eines Videospiels kann man sagen, dass Beyond: Two Souls eine gute, teilweise sogar großartige Geschichte erzählt. Im Kontext mehrerer Medien wie Bücher oder Filme ist David Cage für mich aber nicht der herausragende Storyteller, für den man ihn allzu oft hält. Um meinen Zwiespalt nun aber abzuschließen, ist als letzter Punkt das Folgende zu sagen: Beyond: Two Souls schaffte es trotz aller Umstände, mich emotional zu berühren und sehr intensive Spielmomente zu kreieren. Gerade aus diesem Grund gebe ich Mandi Recht. Beyond: Two Souls ist ein Unikat und ein Must Have für alle BesitzerInnen der Sony Next-Gen Konsole. Allerdings für mich nur mit Abstrichen.