Bonnie und Clyde in den wilden 70ern: A Way Out im Test
Ich saß auf der Parkpank, eine große Zeitung in der Hand. Durch die zwei Löcher, die ich in das Papier geschnitten hatte, sah ich, wie sich David unauffällig von Laternenmast zu Laternenmast huschend näherte. Er setzte sich neben mich, öffnete seinen Trenchcoat und zog aus dessen Innentasche ein PS4-Spiel hervor, das er mir verstohlen zuschob. “Der Adler ist also gelandet”, stellte ich fest. “Ja, heute Nacht ist es endlich soweit. Dann können wir gemeinsam A Way Out spielen und aus dem Gefängnis ausbrechen!”, erwiderte er in Zeichensprache.
So diskret wie wir gekommen waren, machten wir uns auf den Heimweg. Ich installierte das Spiel auf meiner PS4. Alles, was mein Kollege David auf seiner benötigte, war eine gratis Demo, um mit mir mitspielen zu können. Nun brauchte ich nur noch das Spiel zu starten, ihn von meiner Freundesliste einzuladen und schon konnte es losgehen.
It’s a hard knock life
In A Way Out schlüpfen wir in die Rolle zweier Verbrecher: Den eher besonnenen Vincent, der zu Beginn des Spiels eben eingeliefert wird und den hitzköpfigen Leo, der bereits eine Weile einsitzt. Beide verbindet eine Abscheu gegen den Gangsterboss Harvey, der sie beide in der Vergangenheit hintergangen hat. Also schmiedet das ungleiche Duo einen Plan, um aus dem Gefängnis auszubrechen und sich an Harvey zu rächen.
Dabei verbrät die Story so ziemlich alles, was typische Gangster- und Prison-Break-Szenarien hergeben. In spannenden Szenen, mopsen wir Feilen oder verstecken uns vor Gefängniswärtern, in der ständigen Angst entdeckt zu werden. Da man im Falle eines Versagens lediglich ein paar Sekunden zurückgesetzt wird, hält sich der Frust jedoch in engen Grenzen.
Am besten funktioniert das Spiel erstaunlicherweise in den ganz ruhigen Momenten. Zum Beispiel wenn wir uns nach dem Ausbruch in den Wäldern gegenseitig beim Fischefangen helfen müssen oder wenn wir in einem alten Farmhaus auf dem Klavier herumklimpern und lustige Hüte probieren. In den simplen Laufpassagen lernen wir am meisten über die Charaktere, die zwar nicht übermäßig komplex sind, aber genügend Tiefe bieten, um uns in den paar Spielstunden ans Herz zu wachsen.
Wenn der Pate zu Rambo wird…
Leider wechselt A Way Out nach etwa der Hälfte des Spiels die Tonart und macht aus einem gefühlvoll erzählten interaktiven Film eine mittelmäßige Uncharted-Variante. Wir sollten uns den Gefahren, denen unsere Figuren ausgesetzt sind, bewusst sein; sie als echte Menschen anstatt comichafter Actionhelden verstehen. Diese Botschaft wird jedoch durch einige Actionszenen, die in ihrer Übertriebenheit geradezu komödiantisch anmuten, völlig untergraben. Auch aus spielmechanischer Sicht hätte ich auf die seichten Deckungsshooter-Passagen gerne verzichtet. Ein paar deutliche Logiklöcher sind uns während des Spielens auch aufgefallen. So wissen Charaktere stellenweise Dinge, über die sie eigentlich nicht informiert sein sollten und reißen SpielerInnen so aus der Welt.
Erst gegen Schluss hin findet A Way Out wieder zu seiner anfänglichen erzählerischen Stärke zurück und weiß mit seinen möglichen Enden zu überzeugen.
Film zum Mitspielen
Aufgrund seiner cineastischen Inszenierung und des simplen Gameplays bin ich versucht, A Way Out als “Film zum Mitspielen” zu beschreiben. Meistens laufen beide Charaktere im Splitscreen durch die Gegend und plaudern miteinander. Das eigentliche Gameplay besteht hauptsächlich aus Quicktime-Events, dem Einsammeln von Gegenständen oder Gesprächen mit anderen Leuten. Erst später kommen auch mittelmäßig umgesetzte Stealth- und Schusspassagen hinzu.
Das besondere an A Way Out ist, dass sich das storygetriebene Spiel ausschließlich zu zweit spielen lässt. Das wird einem durch die zahlreichen Möglichkeiten (Couch-Coop oder Online möglich, nur eineR muss das Spiel besitzen) löblich einfach gemacht. Das Spiel wurde eindeutig für Coop konzipiert und entfaltet nur durch die Interaktion mit einem anderen Spieler oder einer anderen Spielerin ihr Potential.
Technisch ist das Spiel solide und sieht stellenweise sogar richtig gut aus. Hin und wieder sind die Charakteranimationen nicht ganz sauber und es ist uns während des Testens ein oder zwei Mal passiert, dass eine Figur wo hängen blieb. Doch, was soll ich sagen, man hat bei so manchem großen AAA-Spiel schon deutlich Schlimmeres erlebt.
Maris Fazit - Emotionale Fahrt mit Stolpersteinen
Ich habe das letzte Spiel des Studios, Brothers: A Tale of Two Sons, aufgrund seines nordischen Settings, seiner herzerweichenden Geschichte und der innovativen Steuerung geliebt. Natürlich hat das in mir für das Folgewerk recht hohe Erwartungen geweckt. Nun, nach dem Durchspielen, kann ich sagen, dass man A Way Out nur bedingt als geistigen Nachfolger betrachten sollte. Die Geschichte ist simpel und offenbart erst zum Schluss, nach gröberen tonalen Unsicherheiten, ihre Stärke. A Way Out ist ein gutes Coop-Spiel geworden, das durch die spielerische Anspruchslosigkeit dazu einlädt, es auch mit Leuten zu spielen, die sonst nicht viel mit Videospielen am Hut haben. Vielleicht hätte dem Spiel jedoch sogar noch weniger Spiel und mehr erzählerische Tiefe gut getan.
Davids Fazit - Mutiger Schritt
A Way Out ist zwar kein perfekter, aber ein mutiger Schritt. In Zeiten von risikoarmen Mainstream-AAA-Titeln trauen sich Hazelight Studios, aber auch EA, auf ein Spiel zu setzen, das auf einer Splitscreenmechanik basiert und ausschließlich im Koop gespielt werden kann. Nun ist das Koopgameplay teilweise spaßig, an wenigen Stellen sogar sehr einfallsreich, aber in der Regel eher Standard. Auch die Story bietet euch trotz Entscheidungsmöglichkeiten keine weit verästelte Geschichte, aber die beiden Hauptcharaktere sind interessant und eigen genug, sodass man trotzdem wissen möchte, wie es mit Leo und Vincent weiter geht. Besonders gelungen finde ich den Umgang mit dem Splitscreen, der je nach Situation kleiner und größer wird und sogar manchmal komplett den anderen Charakter aus dem Bild „rausdrückt“. Damit rücken die EntwicklerInnen nach belieben, die wichtigen Ereignisse in den Mittelpunkt, was A Way Out sehr filmisch macht und packend inszeniert. Auch wenn mit Logiklücken und Slapstick-Shooter-Einlagen bei weitem noch nicht alles perfekt ist, hat mir die frische Spielerfahrung, gemeinsam mit Mari, sehr viel Spaß bereitet (besonders unsere gemeinsame Bootsfahrt bleibt unvergessen). Ich hoffe wir dürfen uns in Zukunft über mehrere Koop-Spiele dieser Art freuen. A Way Out hat einen sehr soliden und interessanten Anfang gemacht und teilt man sich die Kosten mit dem Freundes-Pass, kostet das Spiel gerade einmal 15 Euro – EA kann auch Mal vorbildlich sein.