Call of Duty: Vanguard – Review zum neuen Weltkriegs-Shooter
Call of Duty: Vanguard bringt uns wieder einmal auf die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Intermezzo zur Zeit des Kalten Krieges nun also wieder zurück zu den Wurzeln aller Kriegs-Shooter. Ich war zunächst skeptisch, ob es spielerisch noch Neues dazu zu erzählen gibt. Mit Vanguard, zu deutsch Vorhut, schaffen es die Entwickler:innen von Sledgehammer Games aber tatsächlich, ein irgendwie neues Spielgefühl auf den Schirm zu bringen.
Call of Duty: Vanguard – Die Story
Vier Protagonisten stehen im Zentrum: der Draufgänger Wade, die gnadenlose Polina, der aufmüpfige Lucas und der knallharte Arthur. Warum die Namen erwähnen? Weil es erstmals bei einem CoD-Spiel Sinn macht, auch über die Protagonisten zu sprechen. Sie haben Ecken und Kanten, ihre Motive sind nachvollziehbar und ich möchte wirklich wissen, wie sie sich entwickelt haben, wie sie zu denen wurden, die sie sind. Vanguard bedient sich dabei eines praktischen Kniffs. Nach einem eher lauwarmen Start, währenddessen ein Zug in ein generisches, kaum zu erkennendes Hamburg geritten wird, findet sich dieses Spezialkommando in einer Gefängniszelle wieder. Die folgenden Verhöre durch einen halbwegs plausiblen Nazi-Schergen namens Richter erzählen, wie die einzelnen Mietglieder des Teams auf verschiedenen Schauplätzen des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz kamen.
Die Hintergrundgeschichten sind bestens geschrieben und bieten unterschiedliche Spielvarianten. Historisch akkurat sind sie natürlich nicht. Die Autor:innen haben sich viele Freiheiten genommen und lediglich echte Schauplätze als Vorlage verwendet. Das stört aber nicht. Es kommt ein ähnliches Gefühl auf wie bei Battlefield V, als endlich einmal Alternativen zur Landung in der Normandie und Ähnlichem erzählt wurden. Deutlich hervor sticht die Geschichte rund um die Russin Polina, die mit Mut und vollem Einsatz Stalingrad verteidigt. Mit dem geheiligten Gewehr des Vaters, er wird vor unseren Augen standrechtlich erschossen, schwört Polina Rache an den Faschisten zu üben. Als Lady Nachtigall versetzt sie die deutschen Schergen in Angst und Schrecken. Ihr eigentliches Ziel ist aber der Chef-Nazi in Vanguard namens Heinrich Friesinger.
Spielerisch abwechselnd
Bei Friesinger lässt sich der neue Typus des Nazi-Bösewichts erkennen. Seit Inglourious Bastards wirken sie alle wie eine billige Kopie des von Christoph Watlz grandios interpretierten SS-Standartenführers Hans Landa. Mimik, Gestik und in der deutschen Fassung auch die Art zu sprechen sind so deutlich an ihm ausgerichtet, dass es schon fast ein wenig weh tut. Vielleicht hätte Friesinger mehr Charakter und wäre ein spannenderer Bösewicht, wenn er anders gezeichnet wäre. Besonders schade ist das, weil die Zwischensequenzen den Vergleich mit großem Kino nicht scheuen müssen. CoD ist zwar bekannt dafür, dass die Cutscenes gut gelungen sind, Vanguard setzt aber noch eines drauf. Ich warte nicht, bis diese endlich vorbei sind und ich wieder spielen kann, nein, ich möchte sie unbedingt sehen.
Vier Protagonisten erzeugen aber nicht nur viel Spannung für die Story, das ist auch spieltechnisch ein guter Kniff. Die Entwickler:innen verpassten jeder und jedem besondere Fähigkeiten, welche die Spielmechanik zwar nicht massiv aber doch praktisch verändern. Arthur kann seinem Team einzelne Ziele vorgeben, was seinen Weg ein wenig leichter macht. Leider sind die Ziele vom Spiel vorgegeben. Befehle, Positionen zu halten oder einzelne Feinde anzugreifen, wie zum Beispiel aus Mass Effect bekannt, funktionieren nicht. Wade hat eine Art Fokus-Modus, der Feinde auch hinter Wänden sichtbar macht und Ziele in Zeitlupe ausschalten lässt.
Diese Fähigkeiten sind nett, wirklich spannend wird es aber erst bei Lucas und Polina. Die Russin kann es locker mit Nathan Drake aufnehmen, so elegant klettert sie über die Dächer Stalingrads. Weil Vanguard aber nunmal ein Ego-Shooter ist, geht das nur an bestimmten Stellen. Außerdem duckt sie sich wesentlich schneller. Für ihre Funktion als Scharfschützin sehr passende Fähigkeiten. Lucas ist der australische Sprengstoffexperte. Wenn er eines seiner vier möglichen Explosivmittel wirft, wächst kein Gras mehr. Beim Werfen zeigt eine Linie, wo die Granate einschlägt. Taktisch klug eingesetzt, ergibt das oft einen schnellen Sieg.
Maue KI, toller Multiplayer
Viele kleine Änderungen machen die Kampagne von Vanguard zu einer der besten, die ich lange in einem Shooter erspielt habe. Erzählerisch und spielerisch spannend und mit rund sieben Stunden nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz. Da ist es fast angenehm, dass an einer Sache nichts verändert wurde: der KI. Die Feinde sind eher Kanonenfutter als echter Widerstand. Wenn sie überhaupt einmal Deckung finden, bleiben sie auch dann noch dort, wenn Wade, Polina, Arthur oder Lucas bereits um die Ecke schauen und sie aufs Korn nehmen. Da helfen auch die schwer gepanzerten Todesengel nicht. Die können auf ihrer Flucht noch so viel Qualm versprühen, zwei, drei Magazine oder eine gut platzierte Granate später segnen auch die Helm-tragenden Ungetüme das Zeitliche.
Zum Multiplayer von CoD-Spielen ist glaube ich schon alles gesagt worden. Es erinnert ein bisschen an die jährliche Iteration der FIFA-Spiele. Ob Goodies in hölzernen Kisten abgeholt oder mittels Booster-Packs den Weg ins Spiel finden, scheint mir gänzlich unerheblich. Wichtig sind ein stabiles Netz, ausgewogene Karten und gutes Balancing. All das funktioniert auch bei Call of Duty: Vanguard wieder reibungslos. Wie immer ist der Einstieg holprig, vor allem, wenn viele Spieler:innen mit Maus und Tastatur dabei sind. Vanguard unterstützt natürlich den aktuellen Trend Cross-Platform, das bedeutet, egal ob mit PC, PS5, PS4 oder eine XBOX, alle sind miteinander vernetzt. Dank der Möglichkeit das Spieltempo in den einzelnen Modi anzupassen, hält sich der anfängliche Frust aber in Grenzen. Insgesamt bleibt Vanguard dem typischen CoD-Gefühl treu: wenig Taktik und teils ultra-schnelle Gefechte.
Gear up - Das Fazit zu Vanguard
Ich habe es an dieser Stelle bereits mehrmals erwähnt und muss es auch für Call of Duty: Vanguard wiederholen. Diese Blockbuster-Shooter, die sich ein historisches Thema wie den Zweiten Weltkrieg als Ausgangspunkt nehmen, sind teils sehr unreflektierte Spiele. Sie dienen als klassische Held:innen-Geschichten, bei denen der kritische Blick auf ein Thema verstellt bleibt und ein plakatives Schwarz-Weiß-Denken im Vordergrund steht. Folglich bleibt ein Nazi-Scherge wie Heinrich Friesinger ein eindimensionaler Charakter und die Held:innen-Truppe wird glorifiziert. Vielleicht liegt aber gerade in dieser Eindimensionaltät der Reiz solcher Geschichten. Möchte ich über Motive des Bösewichts nachdenken, wenn ich Horden von dummen KI-Nazis wegballere? Wenn das die Frage ist, muss das Genre als Ganzes hinterfragt werden.
Währenddessen kann darüber diskutiert werden, ob eine verzögerte Ladezeit eine Waffe in einem Shooter authentischer macht oder nicht, beziehungsweise ob es sein muss, dass einem auf dem Schlachtfeld Gliedmaßen um die Ohren fliegen und in programmierten deutschen Städten Nazi-Flaggen wehen. Spielerisch bietet Vanguard gerade so viel Neues, dass ich gerne wieder in diese Shooter-Welt eintauche und sowohl durch die Kampagne fetzte als auch schnelle Multiplayer-Gefechte genieße.