Das Apple iPhone 6 im Test
Jedes Jahr das gleiche Spiel: Die Apple-Server gehen in die Knie, Fans auf der ganzen Welt zücken die Geldbörse und wärmen die Tastaturen vor, und Apple macht Rekordgewinne. Ein neues iPhone erblickt das Licht der Welt, und wir haben das iPhone 6 getestet. Lest hier den kompletten Bericht!
Das Erlebnis beginnt
Wie üblich kommt auch das neueste iPhone in einer tollen Verpackung, die aber schnell in Vergessenheit gerät. Das iPhone 6 ist schnell aus der Schachtel genommen, und der erste Eindruck ist ziemlich prägend: Es wirkt fast unauffällig, die Farbe „Space Grau“ ist etwas dunkler als der bekannte Alu-Look der sonstigen Apple-Geräte, und Mann, ist das Smartphone vielleicht dünn.
Bei der Präsentation wurde einiges an Zeit dafür aufgewendet, um zu erklären, dass das Display nicht gerade mit der Rückseite abschließt, sondern an den Kanten gebogen ist. Jedes Wischen und jede Berührung an den Seiten sorgt dafür, dass ihr niemals eine Kante, sondern immer eine Rundung in der Hand habt. Das kennen wir zwar schon aus dem Jahr 2011 vom LG Optimus 2X (oder LG-P990), es fühlt sich aber nach wie vor klasse an.
Auf der linken Kante erwarten euch der Stummschalter sowie die Lauter/Leiser-Tasten, auf der rechten Seite findet ihr den nun umgezogenen Stand-by-Knopf und den nanoSIM-Einschub und an der Unterkante den wohlbekannten Lightning-Connector sowie eine 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse. Von vorn wirkt das iPhone 6 wie alle anderen iPhones auch: ein schwarzes glänzendes Display mit einem runden Home-Button, nur ohne weißes Quadrat – das ist das Zeichen dafür, dass der Fingerabdruck-Sensor Touch ID an Bord ist.
Einschalten und loslegen
Nach dem Einschalten des iPhone 6 dauert es nicht lang, bis ihr zum ersten Set-up-Menü gelangt. Der Prozess gestaltet sich als äußerst einfach, es ist kinderleicht, das Gerät einzurichten. Ihr sucht eure Sprache aus, gebt euer WLAN-Kennwort ein, verlinkt euren Apple-Account, aktiviert die Ortungsdienste, und vielleicht teilt ihr Systemdaten über App-Abstürze mit den jeweiligen App-Entwicklern. Das war’s.
Der große Vorteil ist, dass es keine Drittanbieter gibt, die euch irgendwelche Zusatzdienste oder sonst etwas verkaufen möchten. Entscheidet ihr euch dafür, ein Back-up wiederherzustellen, könnt ihr das genauso tun. Sobald ihr mit den Grundeinstellungen fertig seid, beginnt das Gerät sofort, die Apps aus dem Back-up erneut herunterzuladen. Euer Homescreen wird dabei genauso wiederhergestellt, wie es in der Sicherung der Fall war – inklusive Ordnerstrukturen.
Das gilt aber nur für iPhones, die aus einem Back-up wiederhergestellt werden. Richtet ihr euer iPhone 6 als neues iPhone ein, so müsst ihr ganz wie beim Android-Mitbewerb ein wenig in den Einstellungen herumfummeln. Ich kann absolut nichts damit anfangen, wie die Tastatur versucht, meine Schreibweise (ich schreibe nämlich gern alles klein) automatisch zu korrigieren oder mir gar Vorschläge für das nächste Wort zu liefern. Nein, danke.
Größeres und schöneres Display
Das 4,7-Zoll-Display hat eine Auflösung von 1334 x 750 Bildpunkten, das bedeutet 326 Pixel pro Zoll. Das ist die gleiche Nummer seit dem iPhone 4, und nichts hat sich an der Lesbarkeit von kleinen Schriftarten geändert. Viele mögen behaupten, dass über 400 Pixel pro Zoll besser wären und ihr den Unterschied bemerkt – meine Meinung hierzu jedoch ist, dass es beim normalen Gebrauch absolut nicht auffällt. (Wer von euch hält sich denn das Smartphone direkt vor die Nase? Eben.)
Die Farben und die Reaktionsfreudigkeit des iPhone 6-Displays bekommen die Höchstpunkteanzahl. Die Farben sind knackig, jede Eingabe wird verzögerungsfrei verarbeitet, und die abgerundeten Kanten an den Seiten des Geräts lassen das iPhone 6 extrem gut in der Hand liegen. In Verbindung mit dem dünnen Gehäuse, das 6,9 Millimeter Dick ist, macht es einfach Spaß, das Gerät zu benutzen – auch in nur einer Hand.
Auch die Betrachtungswinkel sind richtig klasse, solltet ihr also nicht ganz gerade auf das Display blicken, werdet ihr keine Unterschiede in Sachen Sättigungsgrad, Klarheit etc. feststellen. Die Geräte kommen kalibriert zu euch, das heißt, Übersättigung oder falsche Farbwiedergabe kommt schlichtweg nicht vor. Der Kontrast wurde im Vergleich zu den Vorgängern stark verbessert, dieses Display macht einfach nichts falsch.
Leistung und Effizienz
Wenn es um Power und Ausdauer geht, macht dem iPhone 6 so schnell kein Konkurrent etwas vor. Auch wenn die Mitbewerber mittlerweile vier bis acht Kerne verbauen, hat in den Tests meist ein Apple-Gerät die Nase vorn. Dieses Jahr steckt im aktuellen iPhone ein A8-Chip, der „nur“ ein Zweikernprozessor ist und eine Vierkern-Grafikeinheit mit sich führt. Der Chip ist mit 1,4 GHz getaktet, und ihr habt etwa einen GB RAM-Speicher zur Verfügung.
Damit nicht genug, auch der interne Speicher hat ein starkes Update erhalten und operiert nun weitaus schneller als alles, was bisher auf dem Markt ist. Die Installationsprozesse dauern nun kaum noch zwei Sekunden, und das Verwenden von Apps stellt das Gerät vor keine Hürde. Ich behaupte sogar, dass der A8-Chip weitaus zu stark für das iPhone 6 ist, denn schließlich hat der Vorgängerchip das iPad Air mit einer Auflösung von 2048 x 1536 befeuert. Der A8-Chip ist stärker und muss weitaus weniger Pixel befehligen – das dürfte für eine lange Zeit reichen.
Der Wechsel auf 64-Bit-Prozessoren hatte einen triftigen Grund, und dieser heißt Touch ID. Richtig, der Home-Button fungiert beim iPhone 6 wie schon beim Vorgänger als Fingerabdrucksensor, und dieser funktioniert wunderbar. Einfach die Home-Taste zum Aufwecken des Geräts drücken, nicht ganz eine halbe Sekunde den Finger drauf lassen, und das iPhone ist entsperrt. Nicht nur dafür benötigt man die Prozessor-Power, die im Inneren des iPhone 6 schlummert.
Die Software: iOS 8.1
iOS 8 hatte ein paar Problemchen zu bewältigen (langsame Server, zu viel Speicherplatzverbrauch und vieles mehr). iOS 8.0.2 folgte rasch darauf folgte und bereinigte die meisten Dinge wieder. Wer noch immer zu wenig Speicherplatz für ein Update hat, sollte es über iTunes am Computer versuchen. Nun ist aber iOS 8.1 aktuell, das die neuesten Features mit sich brachte. Diese Version ist zudem schnell, stabil und verlässlich.
Ich habe es selbst mit Extremtests nie geschafft, einen Absturz hervorzurufen, sodass ein Neustart des Geräts erforderlich gewesen wäre. Weder durch Hardcore-Spielesessions oder durch Safari-Benutzung mit den Tabs, die sich neu laden müssen (was übrigens ein völlig überzogener Kritikpunkt ist), das iPhone 6 lief zu jeder Zeit stabil. Das kann nicht jedes Smartphone, das im Jahr 2014 erschienen ist, von sich behaupten.
Auch von der App-Kompatibilität gibt es keine Grenzen. Apps, die vor 2012 zum letzten Mal ein Update spendiert bekommen haben, sind natürlich weder auf das Vier-Zoll-Display des iPhone 5/5c/5s optimiert noch auf das 4.7-Zoll-Display des iPhone 6 (vom großen Bruder iPhone 6 Plus ganz zu schweigen). Egal, was ihr braucht, von Videoschnitten über Spiele bis hin zu Tagebüchern, im App Store ist so gut wie alles zu finden.
Die Kamera
Die beste Kamera ist diejenige, die man mit sich führt, so sagt man. Die Kamera selbst hat dieses Mal kein Update erfahren, doch der Sensor im Inneren des iPhone 6 sehr wohl. Ihr könnt nun Slow-Motion-Videos mit 240 Bildern pro Sekunde aufnehmen, und das normale Full-HD-Video mit 1920 x 1080 Bildpunkten funktioniert nun mit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde. Richtig gelesen, noch immer bietet Apple keine 4K-Videofunktion an. Aber warum?
Es stellt sich heraus, dass die Technik noch nicht ausgereift genug dafür ist. Viele Mitbewerber versuchten dies, doch entweder waren die Videos auf maximal fünf Minuten beschränkt und/oder die Geräte liefen während der Aufnahme so heiß, dass der Dreh keinen Spaß mehr machte. Ganz abgesehen davon: Wenn ihr eine 4K-Aufnahme macht, auf welchem Bildschirm seht ihr sie euch dann an? Die wenigsten Menschen haben bereits ein 4K-fähiges Gerät zu Hause herumstehen, und ich finde die Entscheidung absolut gerechtfertigt.
Das iPhone 6 konzentriert sich eher darauf, was es gut kann, und das ist „normale“ Fotografie. Porträtfotos und Makrofotografie liegen dem Sensor besonders gut, selbst wenn gute Spiegelreflexkameras natürlich noch eine ganz andere Stimmung aus dem Bild holen können. Generell sind die Fotos stets natürlich und ausgeglichen beleuchtet, auch in düsteren Lichtverhältnissen funktioniert alles wie gehabt, und der neue Autofokus fokussiert binnen einer halben bis ganzen Sekunde, selbst während einer laufenden Videoaufnahme.
Akkulaufzeit: Mehr, aber nicht zu viel
Ja, das iPhone 6 hat im Vergleich zu seinen Vorgängern einen stärkeren Akku spendiert bekommen. Im Normalgebrauch hatte ich nie ein Problem damit, das Gerät einmal zwei Tage hintereinander nicht aufzuladen. Selbst wenn ich meine Nutzung etwas verschärfte, sprich ab und zu mal ein Spiel zockte, die Navigation nutzte und von WLAN zu WLAN sprang, hatte ich noch nach einem langen Arbeitstag über 30 bis 40 Prozent Akkuladung.
Bemerkenswert hierbei ist aber, dass es keinen Stamina-Modus wie bei anderen Smartphones gibt. Einerseits ist iOS selbst sehr restriktiv, was Ressourcen, die Hintergrundlaufzeit von Apps und generell die Chipnutzung angeht, andererseits nutzen nur die allerwenigsten Smartphone-BenutzerInnen einen dedizierten Batteriesparmodus. Nicht viele wissen, dass es überhaupt einen gibt, und noch weniger entscheiden sich dafür, ihn auch einzuschalten.
Das iPhone 6 hält also unter allen Umständen zumindest einen gesamten Tag durch, wenn ihr nicht gerade ununterbrochen anspruchsvolle Games spielt. In diesem Dauertest wurde das iPhone zwar ein wenig warm, aber nicht unangenehm heiß, und klarerweise litt die Akkulaufzeit darunter enorm. Dieses Problem haben aber auch Gaming-Notebooks, die über 2000 Euro kosten, daher soll das jetzt kein Abtörner sein. Das iPhone 6 stellt keine neuen Ausdauerrekorde auf, bringt euch aber weiter als jedes iPhone zuvor.
Das iPhone 6 und sein Datenblatt
Im Vergleich zu anderen, kürzlich erschienenen Smartphones mag das iPhone 6 eher lächerliche Spezifikationen besitzen, und manche Fans könnten sogar davon ausgehen, dass der Mitbewerb anhand dieser Zahlen schlichtweg bessere Smartphones herstellt. Im Alltag bemerkt ihr überhaupt nichts von diesen Unterschieden, aber das muss sowieso jede/r selbst entscheiden.
Der A8-Chip hat eine Zweikern-CPU, die mit 1,4 GHz getaktet ist, und die Grafikeinheit ist ein Vierkernprozessor der Marke GX6450 von Imagination Technologies, der auf etwa 300 MHz Taktung läuft. Der interne Speicher ist in 16, 64 und 128 GB erhältlich, das 4,7-Zoll-Display besitzt 1334 x 750 Bildpunkte, und natürlich sind LTE, Bluetooth 4.0 und sogar eine eigens abgeschottete NFC-Variante für Apple Pay vorhanden.
Diese Zahlen mögen für BeobachterInnen des Premium-Smartphone-Segments fast schon armselig erscheinen. Schließlich gibt es genügend Konkurrenten, die mit einem 2,5-GHz-Vierkernprozessor aufwarten oder gar mit sechs Kernen. Allerdings macht hier iOS, die Software des iPhones, den Unterschied, und so kommt es nicht selten vor, dass in Benchmarks (standardisierten Tests der Hardware) der vermeintlich schwache A8-Chip die anderen Prozessoren so richtig verheizt. Wie immer gilt: Probiert die Smartphones eurer Wahl ruhig vor dem Kauf einmal aus – Benchmarks erzählen nur die halbe Geschichte.
iPhone 6: Das beste Smartphone auf dem Markt?
Es macht alles richtig, und doch ist es nicht perfekt. Einige Apps sind noch nicht für die neue Auflösung optimiert worden, auch der Akku ist nicht so viel besser als bei den alten Geräten. Dennoch: Das integrierte Back-up funktioniert einwandfrei, es stürzt nicht ab, und Touch ID macht das iPhone 6 noch ein Stückchen besser. iPhone-NutzerInnen werden gern entweder zu diesem oder zum größeren Gerät greifen, wohingegen Android-Fans bestimmt in ihrem Lager bleiben werden. Das iPhone 6, obwohl es klasse ist, gibt den Android-Leuten keinen Grund zum Wechsel – für alle anderen ist es auf alle Fälle einen Blick wert.