Der Gesang der Flusskrebse Kritik: Verloren in der Übersetzung

von Elias Löwenau 14.08.2022

Am 18.08.2022 erscheint Der Gesang der Flusskrebse in den österreichischen Kinos! Was euch in dem Film erwartet, erfährt ihr hier!

Der Gesang der Flusskrebse

© Sony Pictures Entertainment

Inhalt

Im Alter von sieben Jahren wird Kya von ihrer gesamten Familie verlassen und ist gezwungen, alleine im Marschland von North Carolina aufzuwachsen. Über viele Jahre hinweg baut sie eine tiefe Verbindung zur Natur auf, die nur durch ihre Verfremdung zur Menschenwelt übertroffen wird. Ihr von Einsamkeit gezeichnetes Leben wird jäh auf den Kopf gestellt, als sie sich des Mordes an Chase Andrews, dem Gold-Jungen der angrenzenden Stadt Barkley Cove, angeklagt sieht. Im Verlauf des Prozesses enthüllt sich Stück für Stück ihre Vergangenheit mit Chase. Doch die Frage, wer den Mord begangen hat und ob überhaupt einer vorliegt, scheint nicht beantwortet werden zu können.

Hier könnt ihr euch die Trailer zum Film ansehen:

Verloren in der Übersetzung

Ein Film ist kein Buch. Dem filmischen Medium sind sowohl narratologische wie auch zeitliche Grenzen gesetzt. Daher ist es nicht überraschend, dass die Filmadaption einen etwas anderen Weg geht als das Buch. Das ist an sich keine schlechte Sache. Denis Villeneuves Verfilmung von Dune oder Blade Runner 2049 etwa transportiert die Essenz des Buchs auf meisterhafte Weise in das audiovisuelle Medium. Bei Der Gesang der Flusskrebse gelingt diese Übersetzung leider nicht ganz.

Der Film scheint die Handlung des Buchs durchaus ernst zu nehmen, zeigt aber wenig Gefühl dafür, die wesentlichen Charaktermomente eindringlich zu vermitteln. Grundsätzlich wird dieselbe Geschichte erzählt. Der Film versucht so viele Aspekte wie möglich aus dem Buch zu zeigen, ohne diesen Zeit zum Atmen zu lassen. So entsteht ein Film, der sich absurderweise sehr gehetzt anfühlt, aber gleichzeitig schmerzlich gehaltlos bleibt. Vor allem Kyas Kindheit, die die Grundfesten ihres Charakters festlegt, bekommt überraschend wenig Beachtung.

Dieser Mangel an erzählerischem Aufbau ist es schlussendlich, der die klimatischen Momente des Filmes unerfüllt wirken lässt und einen Film hervorbringt welcher sich mehr wie ein 08/15-Kriminaldrama anfühlt, als die introspektiv-epische Geschichte des Buchs.

Im Interview mit CBS Sunday Morning könnt ihr euch ansehen, was Produzentin Reese Witherspoon und Autorin Delia Owens zum Film zu sagen haben:

Gemischte Darbietungen

Der Gesang der Flusskrebse zeichnet sich durch unausgeglichene Charaktere aus. Daisy Edgar-Jones ist äußerlich eine sehr gute Wahl für die Protagonistin Kya und spielt sie auch relativ gekonnt. Leider werden ihr aber buchstäblich zu viele Wörter in den Mund gelegt. Im Buch ist Kya eine Person, die sich immens durch ihr Schweigen und ihre Scheue vor Menschen auszeichnet. All ihre Gefühle, Ansichten und Überzeugungen werden durch ihre Handlungen und ihre Gedankenwelt ausgedrückt. Natürlich lassen sich Gedanken im Film schwer darstellen, doch das Ausmaß an Redezeit, die der Film-Kya zugutekommt, fühlt sich stellenweise fast wie ein Verrat an der Figur an. Dabei ginge es anders. Es gibt unzählige Beispiele von Filmen, die es schaffen, Unausgesprochenes durch Handlungen sowie durch audiovisuelles Erzählen darzustellen.

Die Darsteller:innen-Wahl der Nebencharaktere ist ebenfalls etwas durchwachsen. Den beliebten Quarterback Chase Andrews mit dem attraktiven Harris Dickinson zu besetzen, ergibt durchaus Sinn. Taylor John Smith ist in der Rolle des eigentlich sensiblen Naturwissenschaftlers Tate Walker mit seinem Super-Modell-Aussehen aber völlig fehlbesetzt. Weiters setzt der Film einen überraschenden, aber durchaus interessanten Fokus auf den Charakter Tom Milton, gespielt von David Strathairn. Unglücklicherweise macht der Film aber nicht viel aus diesem Fokus und letztlich ist die Figur im Buch eindrucksvoller, obwohl sie weniger im Rampenlicht steht.

Insgesamt bleiben viele Charaktere wie etwa Jumpin oder Jodie, die im Buch sehr wichtige Bezugspunkte zu Kya repräsentieren, auf der Strecke liegen. Hier hätte dem Film eine charakterliche Refokussierung sehr gutgetan.

Hier könnt ihr euch ein Gespräch der Schauspieler:innen und Produzentinnen von Sony Pictures über den Film ansehen:

Blühende Natur in künstlicher Ästhetik

Wunderschöne Naturaufnahmen, gestört von CGI-Vögeln und Greenscreen-Momenten. Kritiker betrachten Film sicher sehr viel differenzierter als das allgemeine Publikum. Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob ich in dieser Kategorie einfach zu pingelig bin, aber ich komme nicht um die Tatsache herum, dass ich den Unterschied sehe, wenn etwas in einem VFX-Studio oder direkt on-lokation aufgenommen worden ist.

In Der Gesang der Flusskrebse haben wir beide Fälle. Einerseits ist klar erkenntlich, dass sich die Schauspieler:innen vor allem während Boot-Szenen wirklich im Marschgebiet aufhalten und diese Sequenzen wirken auch immens. Andererseits fängt der Film aber schon mit einem CGI-Vogel an, der für einige Minuten in sehr unnatürlicher Weise über das Marschland fliegt. Keine Frage, einen Vogelschwarm bei der Landung im Wasser zu filmen stellt keine geringe logistische Herausforderung dar, aber es wäre der Naturverbundenheit der Geschichte durchaus nähergekommen, als die Figuren auf einen Greenscreen starren zu lassen.

Letztlich muss man den Film aber durchaus dafür loben, das idyllische Marschland in einer Weise darzustellen, die der Natur-Botschaft des Buchs durchaus gerecht wird. Allgemein liegen die größten Stärken des Films in den Naturbildern und dem herausragenden Soundtrack, der ein sowohl einsames wie auch melancholisch-schönes Gefühl hervorruft.

Im Interview mit Jake’s Takes sprechen Daisy Edgar-Jones und Taylor John Smith über ihre Erfahrungen beim Dreh:

Der Gesang der Flusskrebse: Das Fazit

Der Gesang der Flusskrebse ist ein Film, der besonders im Vergleich mit dem Buch in fast allen Bereichen entschärft und geglättet wirkt. Das vermutlich beste Beispiel dafür ist das Weglassen der durchaus essenziellen Sequenz, in der Kya lernen muss, mit ihrer ersten Periode umzugehen, aber ebenso der unpassend saubere Look und der im Film sehr abgeschwächte Rassismus. Insgesamt ist Der Gesang der Flusskrebse eine durchschnittliche Literaturverfilmung, die für Menschen, die das Buch nicht kennen, vielleicht etwas mehr zu bieten hat, aber letztlich im Schatten des Buchs untergeht. Dennoch würde ich den Film empfehlen und sei es nur, wenn er euch Anreiz gibt, das fantastische Buch zu lesen/hören.

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