Diablo 2: Resurrected im Test – Lang lebe der König
Diablo 2: Resurrected ist mehr als ein Remaster. Für mich ist es wie die Rückkehr in eine Zeit, als man sich einfach darauf verlassen konnte, dass Blizzard großartige Spiele produziert. Keine Strafverfahren wegen sexueller Belästigung, kein politischer Hickhack mit China, kein Activision das im Hintergrund die Fäden zieht. Diablo II war seinerzeit schlicht und einfach die Krone der ARPG-Schöpfung, und ein Zeitfresser wie kaum ein anderes Spiel. Ob diese Tugenden auch 2021 zu überzeugen wissen, lest ihr in meinem Testbericht.
Was ist eigentlich Diablo II
Doch, bevor ich auf die Neuerungen des Remasters eingehe, sei eingangs erzählt, was Diablo II im Jahr 2000 so großartig machte, und warum ich heute noch seiner Begeisterung erliege. Diablo 2 ist der Nachfolger des 1997 erschienenen Diablo. Entwickelt wurde das Spiel von Blizzard North, einem Ableger des südkalifornischen Blizzard Entertainment, das mit Marken wie Warcraft und StarCraft berühmt wurde. Wie im ersten Teil schlüpft ihr in die Rolle eines Abenteurers, oder einer Abenteurerin, die sich durch mehrere Akte ihren Weg durch Monsterhorden schnetzelt, um die Herrscher der Hölle, Mephisto, Baal und Diablo, eben dorthin zurückzuschicken. Zur Klassen-Auswahl stehen im Grundspiel Amazone, Barbar, Zauberin, Paladin und Totenbeschwörer. Mit der Erweiterung Lord of Destruction hielt nicht nur ein fünfter Akt, sondern auch der Druide und die Assassine als zusätzliche Klassen Einzug ins Spiel. Diablos Suchtpotenzial rührt von der so genannten Item-Spirale. Dabei gilt es die eigenen Fähigkeiten durch immer bessere Gegenstände laufend zu optimieren. Wenn man die fünf Akte abgeschlossen hat, schaltet man mit Albtraum und Hölle zwei zusätzliche Schwierigkeitsgrade frei, und kann die Herrscher der Hölle noch weitere male bezwingen.
Zusammen sind wir mehr – der Multiplayer-Modus
Was im Jahr 2000 noch als nette Dreingabe auf den Single-Player Modus gedacht war, entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren zum eigentlichen Herzstück des Spiels, und zum Wegbereiter für Spiele wie World of Warcraft und Overwatch: Der Multiplayer Modus! Darin konnte man sich über das blizzard’sche Battle.NET zu Gruppen zusammenschließen, und gemeinsam auf Monsterhatz gehen. Es entstanden Communities und Marktplätze zum Handeln von Gegenständen, sowie neue Geschäftsmodelle wie das Power Leveln und das Gold-Farmen.
Der Community zuliebe
Auch heute noch erfreut sich Diablo II einer lebendigen Community, deren Mitglieder How-To-Videos produzieren, versteckte Rezepte und Runenwörter entdecken und das Meta-Gameplay hinter den unzähligen Attributen entschlüsseln. Dieser Community zuliebe hat Blizzard das 20 Jahre alte Spiel in die begabten Hände von Vicarious Visions gelegt, um es einer behutsamen Frischzellenkur zu unterziehen.
LiebhaberInnen alter Blizzard-Spieleperlen werden jetzt argwöhnisch die Augenbrauen hochziehen, und sich mit Schrecken an Warcraft III: Reforged erinnern, wo Blizzard viele Versprechen gebrochen, und viele Fans vor den Kopf gestoßen hat. Kann das bei Diablo II gut gehen?
Präsentation: Wie damals, nur anders
Die Antwort ist: Größtenteils ja! Die Grafik des einstigen 2D-Spiels wurde mit enormem Aufwand restauriert und in modernes 3D-Gewand gepackt. Alle Items, Monster, Helden und Umgebungen im Spiel erstrahlen in zeitgemäßem Glanz, und empfinden das Original dennoch zielsicher nach. Da viele der Zaubersprüche und Animationen des Spiels auf 25 Bilder pro Sekunde optimiert wurde, konnte Vicarious Visions nicht einfach die Engine austauschen. Das alte Spiel läuft weiterhin im Hintergrund, und kann auch jederzeit durch Drücken der Taste „G“ in den Vordergrund geholt werden. Der moderne visuelle Überbau läuft dann aber doch in beliebig hohen Bildwiederholungsraten. Je nachdem, was der eigene PC und Monitor hergeben.
Das Spielgefühl von damals ist ebenfalls erhalten geblieben. Krüge bersten, Eisblöcke zerbröckeln und Edelsteine klimpern noch genauso suchterregend, wie Anno dazumal. Das Tempo des Spiels ist gleichgeblieben, und nach heutigen ARPG-Maßstäben natürlich etwas gemächlicher als beispielsweise das „Extasy-Piñata“-Bunte Diablo III. Der Soundtrack geht sofort in die neuronale Endlosschleife des Gehirns über. Wenn das erste Mal die Gitarren-Melodie von Matt Uelmen erklingt und Deckard Cain die salbungsvollen Worte „Stay a while, and listen!“ spricht, fühlt man sich gleich wie zu Hause.
Gameplay: Gute alte Zeit?
Nicht allen Fans hat es gefallen, dass die EntwicklerInnen das Gameplay des Originals beinahe unangetastet ließen. Eine moderne Steuerung mit Aktions-Tasten für Zaubersprüche, mehr Hotkey-Optionen und bessere Ingame-Erklärungen für Runenwörter & Co. Hätten dem Spiel sicher gutgetan, ohne Diablo II zu sehr von seiner Essenz zu entfremden. Immerhin gibt es mit der Konsolen-Umsetzung nun auch eine Gamepad-Steuerung, und diese bietet sogar multiple Aktionstasten, wie man sie aus modernen ARPGs wie Diablo III und Path of Exile gewohnt ist. Warum diese also nicht mittels Schalter in den Einstellungen auch Maus- und Tastatur-NutzerInnen zur Verfügung gestellt wurden, verwundert ein wenig. Immerhin – die Optionen für eine kleinere Mini-Map und Auto-Gold-Pickup finden sich dann doch als Qualitäts-Zugeständnisse in den Optionen.
Was besonders Multiplayer-Fans ebenfalls sauer aufstoßen dürfte, ist das fehlende Ladder-System. Das will Blizzard noch in D3-ähnlichen Seasons nachreichen. Wann die erste Season startet, und ob sie überhaupt jemals startet (Ja, wir schauen auf dich, Warcraft III: Reforged!) steht aber noch in den Sternen.
Fazit zu Diablo 2: Resurrected
Rein technisch und optisch kann man Diablo 2: Resurrected als durchwegs gelungenes Remaster des ARPG-Klassikers bezeichnen. Das Spielgefühl von damals kommt schon ab der ersten Minute ungefiltert zu Tage. Schon kurz nachdem man den ersten Unhold platt-geklickt und sich den ersten Heiltrank reingegluckert hat hat blendet man komplett aus, dass man eine modernisierte Neuauflage spielt. Und darum geht’s schließlich bei einem Remaster – es soll kein neues Spiel sein, dass die Handlung des alten Spiels erzählt. Die Fans erwarten sich IHR Diablo II, und das gefälligst alles so ist, wie sie es kennen und lieben. Ich will das Urteil der Fans nicht vorwegnehmen, aber ich denke es hat diesmal besser funktioniert als bei Warcraft III.
Auch, wenn die Ladder-Seasons nach wie vor auf sich warten lassen, und die Server beim Launch des Spiels wieder einmal hoffnungslos überfordert waren. Ich hoffe jetzt, dass Blizzard die Community nicht im Regen stehen lässt, sondern sie mit Patches und Updates bei der Stange hält. Dann (aber nur dann) ist Diablo II: Resurrected das, was wir uns alle gewünscht haben: Die Auferstehung des Königs der ARPGs!