Die Säulen der Erde: Buch 1 im Test
Es ist nicht unüblich, dass Bücher verfilmt werden. Es ist auch nicht unüblich, wenn Videospiele zu Filmen erscheinen. Dass jedoch ein Videospiel direkt auf einer Buchvorlage basiert, kommt selten genug vor, um aufhorchen zu lassen. Daedalic Entertainment hat sich daran gewagt Die Säulen der Erde, das 1300-seitige Monumentalwerk des britischen Autors Ken Follett, in drei Teilen zu versoften. Ich habe mir den ersten Abschnitt angesehen und verrate euch, wie mir Die Säulen der Erde: Buch 1 gefallen hat.
Vom Roman zum Spiel
Um zu verstehen, welch schwere Aufgabe sich die EntwicklerInnen mit der Videospielumsetzung von Die Säulen der Erde gesetzt haben, müssen wir uns zuerst kurz an den Roman zurück erinnern. Dieser bietet vordergründig eine spannende Geschichte mit vielschichtigen und interessanten Hauptcharakteren und deren Gegenspielern. Von diesen hebt das Spiel den ehrgeizigen Mönch Phillip, den angehenden Baumeister Jack und die ehemals adelige Wollhändlerin Aliena als spielbare Charaktere hervor. Diesen drei Figuren folgen wir durch die von weltlichen sowie geistlichen Machtkämpfen geprägte Handlung. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist dabei der Bau einer gotischen Kathedrale in Kingsbridge und das Wiederaufleben der Stadt.
Neben der vordergründigen Handlung voller Intrigen, Schicksalsschläge und Liebesverwirrungen bietet der Roman ein umfassendes Sittenbild des Hochmittelalters, in dem es meist gar nicht ritterlich zuging. Während das Spiel die vordergründige Handlung gut auf das Wesentliche eindampft, um spielerisch interessante Szenen zu einer kohärenten Geschichte zu verknüpfen, ist Die Säulen der Erde: Buch 1 zu begrenzt, um das zugrunde liegende Weltbild eindrücklich zu vermitteln.
Telltale lässt grüßen
Spielerisch bietet Die Säulen der Erde: Buch 1, wie man es z.B. bereits von Telltale-Adventuren kennt, keinerlei Herausforderungen oder weitreichende Interaktionsmöglichkeiten. Man kann die spielbaren Charaktere über die detaillierten Hintergründe spazieren lassen, Gegenstände sowie die Umgebung betrachten, in Multiple-Choice-Dialogen mit anderen Figuren plaudern und mit bestimmten Dingen interagieren. Für manche Interaktionen muss dazu ein recht anspruchsloses Reaktionsminispielchen absolviert werden.
Auch was die Präsentation angeht, hat sich Die Säulen der Erde etwas von Telltale abgeschaut: Buch 1 ist in sieben Kapitel unterteilt, an deren Ende man die getroffenen Entscheidungen in einer kurzen Zusammenfassung angezeigt bekommt. Welche Tragweite die eigenen Entscheidungen haben, lässt sich nach dem ersten Drittel des Gesamtspiels natürlich noch nicht sagen; bis jetzt schienen die Änderungen des Handlungsverlaufs durch meine Aktionen jedoch marginal.
Gute Ideen, durchwachsene Umsetzung
Doch Die Säulen der Erde will sowieso nicht mit Gameplay, sondern mit seiner Geschichte überzeugen. Wie eine Autorin des Spiels, Valentina Tamer, selbst in einer Präsentation auf der Respawn in Köln meinte: Das ganze Spiel soll zur Handlung und Immersion in dieser beitragen. Auch das Gameplay soll umfassend als erzählendes Element genutzt werden. Dieses Vorhaben ist meiner Meinung nach gut gelungen: Fällt ein Minispiel bei dem schnelle Reaktion gefragt ist, besonders leicht aus, wird dadurch unterstrichen, dass auch der Spielcharakter keine Probleme mit dieser Aufgabe hat. Oder auch die zur Auswahl stehenden Antworten in Dialogen sagen bereits viel über den spielbaren Charakter aus.
Dennoch gelingt es dem Spiel nicht, die gewollte Spannung aufzubauen, was vor allem an technischen Problemen liegt. Wenn sich zwei Leute gegenseitig ins Wort fallen sollten, aber die tatsächliche Sprechpause viel zu lange dauert, um dies glaubhaft zu vermitteln, wird man als SpielerIn eher ungeduldig, als dem Gesagten gebannt zu lauschen. Die deutschen Stimmen empfand ich darüber hinaus als weitgehend emotionslos und das allgemeine Sprechtempo als viel zu langsam. Auch die Animationen der Figuren und die Steuerung wirken behäbig.
Das ist deshalb besonders schade, da es einige Versatzstücke gibt, die ich an Die Säulen der Erde: Buch 1 wirklich mag: Die schön und detailliert gezeichneten Hintergründe, das realistische Mittelaltersetting sowie die dem Spiel zugrunde liegende Geschichte. Doch in seiner jetzigen Form, weiß ich nicht, wem ich dieses Spiel tatsächlich empfehlen sollte. Wer das Buch oder die Mini-TV-Serie dazu kennt und schätzt, wird hieraus wenig Mehrwert ziehen. Und wer zuvor noch nie mit Ken Folletts Werk in Berührung gekommen ist, dem würde ich eher den Roman oder die Serie ans Herz legen.
Die Zukunft wird's weisen
Sollte sich das Tempo der Dialoge und Animationen in den künftigen zwei Abschnitten, Buch 2 und 3, erhöhen, sodass sich die Dramatik der Geschichte besser entfalten kann und mir die Charaktere im weiteren Spielverlauf mehr ans Herz wachsen, kann die Endwertung zu Die Säulen der Erde jedoch durchaus anders ausfallen. – Ich hoffe darauf.