Expeditions: Rome im Test – Romanes eunt domus?
Expeditions: Rome vermischt klassische Party-Rollenspiele mit Rundenstrategie und statt Elfen und Orks gibts Gladiatoren und Centurios. Was das Game sich Lorbeeren verdient oder ob es heißt Romanes eunt domus, klärt mein Review.
Expeditions: Rome – darum gehts:
Wenn mir der Film Gladiator eines beigebracht hat, dann, dass im alten Rom vor allem die Intrige zum politischen Leben dazugehört. So startet auch Expeditions: Rome. Unser pater familias stirbt unvermittelt. Mutters Bauchgefühl bringt sie zu der Annahme, dass der Senator Vitellius Scaevola da seine Finger im Spiel hat, da er kurz vorm Ableben unseres Vaters in unsere reiche Patrizierfamilie einheiraten wollte – vermutlich um das neue Familienoberhaupt zu werden und das Erbe einzustreichen.
Unsere mater familias hat Angst, dass wir als jüngstes Kind Scaevola ebenfalls im Weg stehen könnten, weswegen sie uns in einer Nacht und Nebel-Aktion aufs nächste Schiff nach Kleinasien setzt und außer Landes schafft, damit wir beim Feldherren Lucius Licinus Lucullus als dessen Mündel und Tribun in Sicherheit sind.
Unlogischer Geschichtsrevisionismus
Zuerst erstellen wir uns einen Avatar, passen das Aussehen dezent an und wählen das Charakterportrait. Zudem wählen wir noch eine von drei Haltungen aus, wie wir charakterlich in den zahlreichen, gut und komplett in Deutsch vertonten Dialogen agieren wollen. Der Charaktereditor bietet relativ wenig Individualisierungsmöglichkeiten, was aber angesichts der Top-Down-Perspektive und fehlenden Zooms in Dialogen nicht allzu sehr stört.
Was mich hingegen in meiner persönlichen Empfindung mehr stört, ist der, nun sagen wir einmal „Geschichtsrevisionismus“, den Expeditions:Rome betreibt. Im Hier und Jetzt ist Feminismus und Gleichberechtigung der Geschlechter ohne Frage eine Sache, die indiskutabel wichtig ist. Im alten Rom war das der momentanen Quellenlage zufolge aber nicht so.
Alle Wege führen ins römische Multiversum, oder so…
Wenn es möglich ist, einen weiblichen Charakter zu erstellen, die getreu der Historie nicht einmal erben könnte und somit für den Senator Vitellius Scaevola in der Handlung von Expeditions: Rome keine Gefahr darstellte, wieso sollten wir dann fliehen und – ebenfalls eigentlich unmöglich – sowohl die Rolle eines Tribunus und später römischen Heerführers einnehmen?
Irgendwie höchst seltsam, aber naja: Licentia poetica – dichterische Freiheit. Vielleicht spielt es ja auch in einem Paralleluniversum, in dem zwar Cicero, Caesar, Cato und wie sie nicht alle heißen existieren, aber Frauen trotzdem schon gleichberechtigt waren, aber ach: Lassen wir das Korinthenkacken und konzentrieren uns aufs wirklich gute Gameplay von Expeditions: Rome
Römische Mischkultur
Wie bereits erwähnt ist Expeditions: Rome eine Mischung aus Rundentaktik à la XCOM 2 und klassischen Party-Rollenspielen wie beispielsweise Divinity: Original Sin 2 oder Baldur’s Gate 3. Sollte nun jemand glauben, dass deshalb Abstriche bei einem der beiden Spielsysteme gemacht werden mussten, der/die irrt.
Beginnen wir mit dem RPG-Part. Natürlich könnt ihr damit rechnen, dass ihr diverse Gegenstände, Rüstungen und Waffen für euren Einsatztrupp finden, ausrüsten und auch craften könnt. Kleiner Kritikpunkt hier ist, dass die gecrafteten Items meist nicht lohnen, weil die gefundenen oft besser sind. Ein Leveling-System hat Expeditions: Rome no na auch. Es gibt vier Klassen, die nach Wahl der letztgenannten sogar noch in je drei Unterklassen, bzw. Skilltrees aufgesplittert werden. Deren aktive und passive Fähigkeiten könnt ihr natürlich im Lauf der Kampagne entwickeln – soweit, so Rollenspiel Standard.
Was mir allerdings besonders gefallen hat, ist das Kommunikationssystem und wie dieses die Beziehung zu euren einzelnen Partymitgliedern verändern kann, was in weiterer Folge wiederum Einfluss auf die Performance eurer Kampfesgefährt:innen in den Taktikscharmützeln hat.
Tacere non est respondere – Schweigen ist keine Antwort
Zuvor erzählte ich schon von den vielen vollvertonten Dialogen und auch von der Entscheidung, seinem Avatar eine von drei möglichen Haltungen bei der Charakterkreation zuzuweisen. Wählen könnt ihr zwischen Ethos, Logos und Pathos.
Konkret verhält sich euer Hauptcharakter bei ersterem sehr autoritär, ist sich seiner Fähigkeiten und seines Status bewusst, während ihr bei der Wahl von Logos eher versucht zu “drosten”, sprich euer Gegenüber mit Logik verbal zu Boden zu ringen. Wählt ihr Pathos, so nutzt ihr die Macht emotionaler Manipulation und Rhetorik um an euer Ziel zu kommen. Entsprechend eurer Wahl, habt ihr in den Gesprächen dann andere Dialogoptionen.
Der RPG-Part von Expeditions: Rome bietet also schonmal genügend Tiefgang.
Ludere est militare – Zu spielen heißt zu kämpfen
Habt ihr in XCOM 2 genug Aliens abgeknallt und wollt mal etwas Abwechslung, dann ist Expeditions: Rome definitiv eure Kragenweite. In den Rundentaktik-Gefechten geht ihr epochentypisch vornehmlich mit Gladii (Kurzschwertern), Scuti (Turmschilden) und Hastae (Speeren) im Nahkampf gegen eure Gegner:innen vor. Besonders bei Expeditions: Rome ist, dass die Angriffsarten oft an die ausgerüstete Waffe und nicht zwingend an die Charakterklasse gebunden sind.
Die Scharmützel laufen eigentlich absolut gleich wie in der XCOM-Serie ab. Eure Partymitglieder können sich in ihrem Zug bewegen und eine Aktion ausführen, sprich angreifen, heilen oder dergleichen, manche Charakterklassen bauen mit Angriffen auch sogenannte Fokuspunkte auf, mit welchen sie zusätzliche Attacken ausführen können. Zudem ist es allen Soldat:innen möglich, einmal pro Zug Verbrauchsgegenstände, wie beispielsweise. Pila oder Verbände anzuwenden.
Summa Summarum sind diese Kämpfe mein absolutes Highlight von Expeditions: Rome. Sie sind taktisch anspuchsvoll und bereits auf dem zweiten der vier Schwierigkeitsgrade durchaus herausfordernd. Für die ganz Hartgesottenen gibt es sowohl die Möglichkeit ein Permadeath Feature zu aktivieren und auch ein Ironman-Modus, der den Speicherstand löscht, sobald eure Hauptfigur stirbt, ist mit an Bord.
Weitere Gameplay Features in Expeditions: Rome sind der Lagerausbau und auch Massenschlachten. Letztere finde ich allerdings das schwächste Element. Hierbei seht ihr Schlachtfelder von oben und stellvertretend für eure Truppen werden euch Symbole angezeigt, die sich auf gegnerische Armee-Symbole zubewegen. Gelegentlich ploppen dann strategische Entscheidungen auf, die ihr entsprechend auswählt… Extrem LAAAANGWEILIG! Mir ist klar, dass dieses Feature wohl aufgrund der Legionsthematik eingebaut wurde, aber ganz ehrlich: das hätte man viel eleganter lösen können. Vielleicht sollten die Entwickler:innen bei einem etwaigen Nachfolger bei der Total War-Reihe Inspiration suchen.
Expeditions: Rome - das Fazit
Das dänische Entwickler:innenstudio Logic Artists hat mit Expeditions: Rome einen ziemlich ausgeklügelten Genremix aus RPG und Rundentaktik abgeliefert. Es überzeugt optisch durch seine schön gestalteten Levels und die abwechslungsreichen Missionsziele in den Taktikkämpfen. Ein tolles Dialogsystem, das zwar keinen Einfluss auf die Geschichte, jedoch auf die Partymitglieder und deren Performance im Kampf nimmt und auch andere Lösungsansätze für Missionen ermöglicht, rundet diese beiden Spielsysteme ab.
Die Massenschlachten hingegen finde ich unausgegoren und im Vergleich zum RPG- und Rundenstrategie-Part absolut schwach und langweilig. Kleinere Abzüge gibt es auch noch für die weiblichen Avatare, die die Grundprämisse der Story irgendwie ad absurdum führen, denn für mich trübt das die eigentlich spannende und wendungsreiche Geschichte von Expeditions: Rome
Jede:r der/die XCOM-Reihe mag und eine gewisse Faszination für die römische Republik hat bekommt von mir eine klare Kaufempfehlung für Expeditions: Rome. Frei nach Julius Caesar kann ich nur sagen: Venibat, vidi, vicit – Es kam, ich sah (es mir an), es siegte
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