Feuchtgebiete (Blu-ray) im Test

von Max Hohenwarter 10.02.2014

2008 veröffentlichte die ehemalige VIVA-Moderatorin Charlotte Roche den Roman Feuchtgebiete. Fünf Jahre später nimmt sich Regisseur David F. Wnendt dieses kontrovers diskutierten Buches an und verfilmt das Werk, das aufgrund seines expliziten Umgangs mit Sex, Körperflüssigkeiten und diversen „grindigen“ Alltagssituationen als unverfilmbar galt. Am kommenden Freitag erscheint der Film nun auch auf DVD und Blu-ray. Ob der Film befriedigt oder totale „Kackeschwitze“ (einer der wunderbar bildhaften Ausdrücke im Buch) ist, das erfahrt ihr in meinem Test.

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Facts

  • Genre: Tragikomödie
  • Vertrieb: Filmladen
  • Regie: David F. Wnendt
  • Release: 31. Jänner 2014

Worum geht’s?

Die rotzige und burschikose Helen Memel (exzellent dargestellt von Carla Juri) ist ein Scheidungskind, das mit ihren 18 Jahren wohl einiges mehr erlebt hat als so manche/r Erwachsene/r. Sie skatet am liebsten den ganzen Tag durch die Stadt, frönt der veganen Masturbation mit Zucchinis und sinniert über Körperhygiene, die bei ihr grundsätzlich kleingeschrieben wird. Sie philosophiert explizit über Dinge, für die die meisten von uns keine einzige Gehirnzelle bemühen. Wenn sie nicht gerade Avocadobäume züchtet, ist „Ficken ihr einziges Hobby“. Als sie nach einer ihrer „Sex-kapaden“ die Intimrasur für sich entdeckt, schneidet sie sich prompt und landet mit einer schmerzhaften Analfissur im Krankenhaus. Da sie sich sowieso schon immer eine Aussöhnung ihrer Eltern gewünscht hat, denkt sie, durch ihren Krankenhausaufenthalt die perfekte Situation dafür gefunden zu haben. Außerdem gibt es da noch diesen Pfleger, Robin (Christoph Letkowski), den sie mit ekligen Memel’schen Weisheiten zutextet. Zunehmend offenbart sich durch ihre ehrlichen und unverblümten Gespräche mit dem Krankenpfleger, dass Helen nicht so eindimensional und oberflächlich eklig ist, wie es den Anschein hat. Wie sich die Situation dadurch entwickelt, das könnt ihr seit dem 31. Jänner auf Blu-ray und DVD erfahren.

Bild, Ton & Extras

Das Bild präsentiert sich in 1080p (damit man auch jedes Schamhaar in seiner vollen Pracht bewundern kann) im Bildformat 16:9 – 2,35:1. Das Tonformat ist Deutsch Dolby Digital 5.1. In Sachen Extras lässt die Blu-ray keine Wünsche offen. Hier eine komplette Auflistung der Special-Features:

  • 3 Featurettes („Carla & Charlotte“, „Blutsschwestern“, „Mutprobe Dreharbeiten“)
  • Featurette Premiere Berlin
  • Featurette Open-Air-Premiere
  • Making-of
  • Film-Talk mit Charlotte Roche, Regisseur David Wnendt und Produzent Peter Rommel
  • Pressekonferenz zur Weltpremiere in Locarno
  • Interviews mit den DarstellerInnen, Regie und Produktion sowie Charlotte Roche
  • 3 Deleted Scenes
  • 5 Original Kinoteaser, Kinotrailer, zensierter Trailer und TV-Spots
  • Musikvideo „Land in Sicht“ von Christoph Letkowski und seiner Band von Eden
  • „Valeries Song“ mit Christoph Letkowski und Peri Baumeister
  • VFX Making-of der Titelsequenz
  • Soho House Q&A mit David Wnendt und Charlotte Roche
  • Kurzfilm „Badetag“ von Regisseur David Wnendt
  • Fotogalerie
  • Galerie mit Plakatentwürfen

Kritik

David F. Wendt wollte mit seiner Verfilmung von Feuchtgebiete einen provozierenden Film schaffen – das ist ihm voll und ganz gelungen. Aufgrund der vielen expliziten Szenen, bei denen die Kamera immer voll drauf hält, ist Feuchtgebiete fast als pornografisch zu bezeichnen. Das macht vor allem die BuchfreundInnen glücklich, die ansonsten wegen jedes Details meckern, das bei einer Literaturverfilmung verloren geht. Hinzugedichtet wurde kaum etwas. Lediglich die Flashbacks in Helens familiäre Vergangenheit fanden so im Buch nicht statt, beziehungsweise wurden immer durch Helens konfuse Gedankensprünge und Anmerkungen zerrissen und gingen so in der Wahrnehmung verloren. Der Film hingegen nutzt dies und liefert so eine nachvollziehbare und strukturierte Handlungsbasis. Auch Carla Juri nimmt man die Rolle der rotzfrechen und grundehrlichen Göre, deren Freizügigkeit schon fast an Soziopathie grenzt, ab. Doch auch ihr Wandel hin zur verletzlichen, hinter einer Fassade lebenden und tief beziehungsgestörten Person, die ihre Angst, allein zu sein, überspielt, wird von Juri so schleichend und natürlich offenbart, dass die Glaubwürdigkeit nie leidet. Auch die restlichen SchauspielerInnen geben sich keine Blöße – allen voran Meret Becker als Helens Mutter. Der kesse Soundtrack mit Songs von Peaches und Von Eden (Die Band des Robin-Darstellers Christoph Letkowski) passt wunderbar zum schmuddeligen Gedankengut, das Helen wie Weisheiten unter das Volk streut.

Zusammenfassung

Der Film macht es dem Buch gleich und polarisiert. Wer entweder einen guten Magen oder ohnehin kein Problem mit widerlichen Szenen hat, dem bzw. der wird mit Feuchtgebiete eine Kurzfassung des Buchs geboten. Der Ekel scheint zwar im Vordergrund zu stehen, doch wer diese Fassade durchschaut, bekommt – nicht zuletzt wegen Carla Juris überzeugender Darstellung – Einblicke in die Seele eines tiefgründigen Charakters. Und seien wir mal ehrlich: Sind wir nicht alle irgendwo ein bisschen „tiefgrindig“? Alle, die diese Frage mit Ja oder zumindest Jein beantworten können, sollten sich Feuchtgebiete zu Gemüte führen!

Wertung: 8.5 Pixel

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