Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia im Test
Vor langer, langer Zeit…
Angesichts der großen Remake- und Remasterflut der letzten Jahre, wirft man Publishern teilweise sicher zu Recht vor, Fans mit aufgewärmten Klassikern Geld für etwas entlocken zu wollen, das sie bereits gespielt und wofür sie bereits bezahlt haben. Doch obwohl Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia das Remake von Fire Emblem Gaiden ist, würde ich es nicht in diese Schublade stecken. Erstens erschien das ursprüngliche Spiel 1992, also vor 25 Jahren. Viele, die (wie ich) die Gnade einer späten Geburt genießen, entdecken diesen Titel durch Shadows of Valentia also höchstwahrscheinlich erst jetzt. Und zweitens fand das Spiel damals seinen Weg nicht aus Japan hinaus, wodurch BewohnerInnen der westlichen Welt die Geschichte mit Shadows of Valentia zum ersten Mal erleben dürfen.
Ich habe mich gefragt, warum sich der Titel des Remakes so sehr von dem des Originals unterscheidet und wurde durch eine kurze Befragung von Doktor Google schlauer: Das japanische Wort “Gaiden” bedeutet zu deutsch soviel wie “Nebenhandlung” oder “Erzählung” und wird oft im Sinn von “Spin-Off” verwendet. Es handelt sich dabei also um eine Erzählung, die strikt genommen nicht in den Kanon der vorangangenen Geschichte passt. Damals, als Fire Emblem Gaiden der zweite Teil der Videospielreihe war, passte dieser Titel sicher besser, als jetzt, da die Hauptreihe mehr als 15 Spiele umfasst, deren Geschichten in den unterschiedlichsten Zeiten und Ländern spielen. Außerdem verrät die Phrase Shadows of Valentia eindeutig mehr über die Handlung, als der alte Titel.
Es waren zwei Königskinder…
Apropos Handlung: Diese ist recht schnell erzählt. Der Kontinent Valentia wurde durch die göttlichen Geschwister Mila und Duma in zwei Nationen getrennt: Das Reich der Erdgöttin Mila wurde Zofia genannt, das Land des dunkeln Gottes Duma Rigel. Schließlich kam es zum Krieg zwischen den beiden Ländern und einige Opportunisten sahen darin ihre Chance, sogar die Götter zu vernichten. In diesem Krieg folgen wir den beiden Kindheitsfreunden Alm und Celica, die vor Jahren getrennt wurden und im Laufe des Spiel wieder zueinander finden. Gemeinsam kämpfen sie gegen die Armeen von Rigel, um Valentia wieder in Frieden zu vereinen.
Während die Handlung wahrlich keinen Maßstab für innovatives Storytelling setzt, ist die theatralische Inszenierung der Geschichte hervorragend gelungen. Fast alle Dialoge sind auf englisch vertont (für den Text kann auch Deutsch gewählt werden), das Design der Charaktere ist äußerst detailliert und abwechslungsreich und die Kampfanimationen habe ich mir auch nach Stunden noch gerne angesehen. Während die meisten Dialoge mittels Charakterstandbildern, wie man es von Visual Novels kennt, recht statisch ablaufen, könnte sich der ein oder andere Anime von der Qualität der Cutscenes eine ordentliche Scheibe abschneiden.
Reise durch Valentia
Die gefahrenvolle Reise durch Valentia wird auf einer Landkarte dargestellt. Darauf bewegen wir uns von Punkt zu Punkt, die Orte repräsentieren. Manche Orte, wie Dörfer oder Burgen, können betreten werden und führen zu kleineren Karten, in denen wir uns wieder über angewählte Punkte von Raum zu Raum bewegen. Die einzelnen Räume können untersucht werden, um nützlichen Proviant oder wertvolle Waffen zu offenbaren. Plaudert man mit den BewohnerInnen dieser Orte, erhält man außerdem nützliche Informationen oder gar die Gelegenheit, ein neues Gruppenmitglied anzuheuern. In Dungeons hingegen laufen wir in Third-Person-Ansicht frei herum, finden hin und wieder Schätze und werden von Gegnern überrascht, wobei das Spiel in den Kampfmodus wechselt. Trifft man an einem Punkt der Weltkarte auf Feinde, wird ebenfalls in die Kampfansicht gewechselt.
Diese sich sehr unterscheidenden Ansichten wirken komplett voneinander losgelöst, doch man gewöhnt sich daran. Weniger zurecht kam ich mit der sehr starren Navigation in Gebäuden oder Dörfern, die mir im Vergleich zu den Dungeons sehr eingeschränkt und unnatürlich erschien.
Guter Schlachtplan gesucht
Kommen wir nun zum eben angesprochenen Kampfmodus, indem wir den Großteil des Spiels verbringen: Die rundenbasierten Kämpfe finden wie für Fire-Emblem üblich auf einer schachbrettartig aufgeteilten Karte statt, die wir in Vogelperspektive betrachten. So haben wir einen guten Überblick über die Position der Truppen, sowie das Terrain auf dem sie sich befinden. Wer nun glaubt, dass die Kämpfe einfach seien, nur weil man alle Zeit der Welt hat, um sich seinen Zug zu überlegen, irrt. Es gibt eine Menge Faktoren zu bedenken!
So zum Beispiel das Terrain: Gewisse Stellen, wie bergiges Gelände oder Sand, lassen einen nur schwer vom Fleck kommen. Versteckt man sich im Gebüsch, kann man Angriffen leichter entgehen. Und kämpft man von einer erhöhten Position aus gegen einen von unten kommenden Gegner, trifft dieser einen ebenfalls weniger häufig. Weiters sollte gut überlegt werden, wie man seine Truppen anordnet, sowie wohin und wie weit sich diese bewegen sollen. In der Regel dauert es nicht lange, bis man beginnt, Schlachten nach der Hälfte neu zu laden und seine ursprüngliche Strategie zu überdenken. “Welche Gegner soll ich zuerst ausschalten? Soll ich vorpreschen, oder die Gegner auf mich zukommen lassen? Wie nutze ich die Umgebung am besten aus? Wie levle ich schwache MitstreiterInnen möglichst schnell auf, um sie stärker werden zu lassen?” sind nur ein paar der Fragen, die man sich regelmäßig stellt.
Haben Charaktere einige Levels hinzugewonnen, können sie üblicherweise ihre Klasse wechseln. Auch diese Entscheidung will wohl überlegt sein, denn unterschiedliche Klassen erfüllen in Kämpfen völlig unterschiedliche Aufgaben. Während der berittene “Kavalier” schnell über das Schlachtfeld prescht, überwinden “Pegasusreiter” auf ihren geflügelten Pferden mühelos Barrieren, an denen Bodentruppen nicht vorbei kommen. “Bogenschützen” und “Magier” greifen aus der Ferne an, ohne dass NahkämpferInnen zurückschlagen können, “Soldaten” können dafür mehr Schaden einstecken.
Wie auch schon bei Fire Emblem Fates kann man sich das Leben einfacher machen, indem man zu Beginn den einfachen Modus wählt und im Kampf gefallene Einheiten danach wieder geheilt zurück erhält. Wer hingegen klassisch spielen will, muss auf einmal getötete Einheiten das ganze restliche Spiel über verzichten.
Kleine Zeitreise
Ein weiteres neues Element, welches das Spiel einfacher gestalten soll, ist Milas Zeitenrad. Dieses lässt einen im Kampf eine begrenzte Anzahl von Zügen ungeschehen machen und so kürzlich begangene Fehler ausbügeln. Ich persönlich fand das Zeitenrad nur mäßig hilfreich, da sich die meisten unklugen Entscheidungen nicht zwei sondern zwanzig Züge später bemerkbar machen. Oder man merkt fünf Kämpfe zu spät, dass man einem Charakter besser eine andere Klasse zugewiesen hätte. Oder dass man die falschen MitstreiterInnen gelevelt hat. Dass zunächst banal erscheinende Entscheidungen weitreichende und teilweise erst spät bemerkbare Folgen haben, spricht zwar für das erstklassige fordernde Gameplay von Fire Emblem Echoes, aber gegen die Sinnhaftigkeit des Zeitenrads.
Fazit zu Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia
Wer schon andere Fire Emblem-Teile gespielt hat, wird sich bei Fire Emblem Echoes sofort zuhause fühlen. Eine faszinierende Handlung sollte man sich hier nicht erwarten, doch das Herzstück des Spiels sind ohnehin taktisch fordernde Kämpfe sowie die dramatische Inszenierung einer Geschichte über Gut gegen Böse. Auch komplette Fire Emblem-Neulinge können bei diesem Teil getrost in die Reihe einsteigen, sofern sie bereit sind, in den ersten paar Spielstunden herum zu experimentieren und aus ihren Fehlern zu lernen, ehe sie mit einem “richtigen” Spieldurchlauf beginnen.