Grow Home (PC) im Test
Ein kleiner roter Roboter, eine außerirdische Pflanze und erfrischend innovatives Gampeplay: Der Ubisoft-Titel Grow Home zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass weniger oft wirklich mehr ist. Auch was das Marketing betrifft folgt Grow Home – ganz Ubisoft untypisch – diesem Mantra. Das Game, das als internes Testprojekt einiger Spieleentwickler begann, hatte vor seinem Release am 4. Februar kaum jemand auf dem Schirm. Dieser Umstand ist heutzutage ebenso selten wie erfrischend, denn wann hat man als Spieletester schon einmal die Möglichkeit, sich einem Spiel ganz ohne Trailer, Previews und Features im Hinterkopf zu nähern? Genau dieses Privileg hatte ich bei meinem Erstkontakt mit dem Plattform-Puzzle-Hybriden. Ob Grow Home hält, was es … Moment … Macht der Gewohnheit … wie mir Grow Home gefallen hat, lest ihr in meinem Test.
Up, up and away!
In Grow Home übernehmt ihr die Kontrolle über den kleinen roten Roboter B.U.D., der einen fremden Planeten erkunden soll. Eure einzige Informationsquelle im Spiel ist dabei die Stimme von M.O.M. der KI, die euch durch die Mission führt und euch erklärt, was ihr zu tun habt. Im Grunde hat B.U.D. die Aufgabe, den mysteriösen Planeten zu erkunden. Dabei greift er auf einige nette Features zurück, die ihm seine Schöpfer für diesen Job eingebaut haben. Er kann hüpfen und vor allem klettern. Die innovative Klettermechanik ist so simpel wie genial: Der Rechte Bumper steuert euren rechten Arm, haltet ihr ihn gedrückt, klammert sich der kleine blecherne Held am nächstgelegenen Punkt fest; dasselbe gilt für den linken Bumper und den linken Arm. Um auf eine Klippe zu klettern, müsst ihr also mal schneller, mal langsamer rhythmisch beide Tasten abwechselnd drücken. Auf diese Weise könnt ihr nahezu jede Stelle in der Welt von Grow Home erreichen und das ist auch gut so, denn eine eurer Aufgaben ist es, Kristalle einzusammeln und die findet ihr meist an schwer zugänglichen Orten. Apropos schwer zugänglich, nachdem die erste Insel abgegrast ist, offenbart euch ein Blick nach oben, in welche Richtung eure Reise in Grow Home gehen wird: nach oben, ganz nach oben. Die schwebenden Inseln, die über euch hängen und ein wenig an den Movie Avatar erinnern, sind aber so weit entfernt, dass man sich fragt, wie man sie jemals erreichen soll. Weil gerade kein Alien-Flugviech zur Hand ist, das sich zu diesem Zweck zähmen ließe, muss B.U.D. auf eine altbewährte und zugegeben tierfreundlichere Methode zurückgreifen, um den Himmel zu erklimmen.
B.U.D. und die Bohnenranke
Zum Glück wächst auf der Insel auch eine riesige Pflanze, die ein wenig an eine außerirdische Bohnenranke erinnert. Neben einer riesigen Knospe hat diese auch ein paar kleine Triebe, die der kleine Roboter zum Austreiben bringen kann. Klammert ihr euch an einen solchen fest und drückt die entsprechende Taste, schießt der Trieb los und lässt sich von euch lenken. Ein gewisses Eigenleben der Pflanze macht den Ritt zu einer rodeomäßigen Erfahrung. Wie M.O.M. euch erklärt, müsst ihr die Spacepflanze mit Nährstoffen versorgen, indem ihr die Triebe mit den im Level verteilten, schwebenden Energiefelsen verbindet. Mit jedem neuen angezapften Felsen wächst der Haupttrieb weiter in die Höhe und hilft euch so, immer weiter nach oben zu klettern. Wiederholt ihr den Prozess ein paarmal, erreicht ihr die nächste große schwebende Insel. Um zu vermeiden, dass B.U.D. bei jedem Absturz quasi ganz von vorne anfangen muss, sind Teleporter im Level verteilt, die er aktivieren kann und die als Checkpoints dienen. Neben den Kristallen die – wenn ihr sie brav einsammelt – von Zeit zu Zeit Upgrades für euer Jetpack freischalten, gibt es auch andere Dinge zu entdecken. Auch Tiere findet ihr ab und an auf den satten grünen Weiden der Himmelsinseln. Die Viecher, wie zum Beispiel Schafe, beachten euch zwar kaum, wenn ihr sie aber greift, könnt ihr euch durchaus mal als Hirte versuchen und sie herumtreiben. Besonders cool sind auch die Blumen, die B.U.D. wie einen Fallschirm einsetzten kann und die Blätter, die ihm sogar erlauben, durch die Lüfte zu segeln. Ansonsten gibt es zwar per se nichts zu tun, aber umso mehr zu entdecken. Trotz des reduzierten Artstyles sind die Umgebungen wunderschön anzusehen und motivieren so zum Flanieren und Erkunden.
Frisch und Knackig
So cool die Steuerung und das Gameplay auch sind, ein wenig fühlt sich das ganze Game schon wie ein Tech-Demo oder Proof of Concept an. Wer sich schon bei Games wie Little Big Planet über die „floaty“ Controls ärgert, wird auch bei Grow Home Gründe zum Nörgeln finden. Die Steuerung beim Herumlaufen ist okay, aber etwas wabbelig und beim Klettern kann es schon mal vorkommen, dass B.U.D. Posen einnimmt, die an den Film Der Exorzist erinnern. Wenn euch aber Innovation und sandboxstyle Gameplay, das zum Experimentieren einlädt, wichtiger sind als High-End-Grafik und Polish, werdet ihr mit Grow Home eine gute Zeit haben. Trotz der relativ kurzen Spieldauer, die natürlich dehnbar ist, wenn ihr alle Kristalle sammelt oder Schafe quält, ist Grow Home jedem Spieler zu empfehlen, der coole neue Ideen zu schätzen weiß. Wie für viele offenere Games gilt auch in diesem Titel der „What you give is what you get“. Wenn ihr als Kind Lego am liebsten nach der Anleitung gebaut habt, werdet ihr Grow Home wahrscheinlich ganz nett finden, wenn ihr aber mit großen Augen vor einem Haufen der kleinen bunten Steine gesessen und endlos viele Möglichkeiten gesehen habt, werdet ihr – wie ich – viel Spaß mit dem Spiel haben.