Guitar Hero Live (PS4) im Test
2006 erschien das aller erste Guitar Hero und überzeugte mit seiner Zugänglichkeit und seiner Fähigkeit zum Party-Spiel, damals noch exklusiv auf der PS2. Mit Guitar Hero 3: Legends of Rock erschien 2007 bereits der dritte Ableger der Serie, welcher als Multiplattformer voll durchstartete und erstmals ein enorm großes Publikum erreichen konnte. Durch den steigenden Zuspruch und das Konkurrenz-Franchise Rockband, das in den folgenden Jahren ebenfalls viele Fans fand, gab es eine Marktschwemme mit unglaublich vielen neuen Teilen und ihren jeweiligen Ablegern. Ende 2010 erschien dann der sechste und vorerst letzte Teil der Guitar Hero Serie, denn das Genre war zu diesem Zeitpunkt so gut wie tot! Fünf ganze Jahre mussten wir auf ein neues Spiel warten und jetzt ist es endlich da – Guitar Hero Live. Ob das Spiel, inklusive neuem Gitarrencontroller, an die damaligen, glorreichen Zeiten anknüpfen kann, erfahrt ihr in meinem Test.
Die beste Plastikgitarre, die ich je in Händen hielt
Für Serien-Neulinge sei gleich vorweggenommen, Guitar Hero war schon immer eine Gitarren-Abstraktion und hat nichts damit zu tun eine echte Gitarre zu spielen! Es möchte eben kein detailgetreuer Simulator sein, dies wird viel mehr den Rocksmiths und Bandfuses dieser Welt überlassen. Das ist wichtig, denn man sollte auch keinen Arcade Racer für seine unrealistische, nicht simulationshafte Steuerung kritisieren. So, jetzt aber zurück zu Guitar Hero, denn das wurde früher mit fünf nebeneinander liegenden Knöpfen und einer Anschlagseite gespielt. Entwickler Free Style Games hat sich nun aber für zwei Reihen mit jeweils drei Knöpfen entschieden, um so mehr das Gefühl vermitteln zu können, Akkorde zu spielen. Dass das noch immer nichts mit einer echten Gitarre zu tun hat, liegt auf der Hand, es macht aber die Abstraktion um einiges vielseitiger und besser. Ein großer Pluspunkt für Veteranen wie mich ergibt sich dabei ganz von selbst. Durch das neue System müssen auch alteingesessene Plastikgitarren-Pros bei einem etwas niedrigeren Schwierigkeitsgrad beginnen, wodurch die Lernkurve etwas fällt und dadurch sofort die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten spürbar wird. Nach einer Zeit von gut 20 Stunden an der neuen Plastikklampfe kann ich sagen, dass dieser Controller, das bisher beste „Eingabegerät“ des Guitar Hero Franchises ist, da dieser am meisten Möglichkeiten bietet. So gibt es auf höheren Schwierigkeitsgraden die Möglichkeit eines Barrégriffs, bei dem die obere und untere Saite gedrückt werden muss. Damit dieser Absatz aber nicht in eine Technik-Diskussion abdriftet, erklärt euch Jamie Jackson, Entwickler bei Free Style Games noch mal die neu entwickelte Gitarre.
https://youtu.be/bolwf2q9Vb8
Prämisse Musikstreaming
Seit 2010 ist viel passiert, unter anderem haben sich Musikstreamingangebote wie Spotify durchgesetzt und verschaffen einer enormen Bandbreite von Usern gratis Zugang zu unzähligen Liedern. Da ist es quasi selbstverständlich, dass in der heutigen Zeit niemand mehr von einer 50-Songs-Playlist vom Hocker gerissen wird. Mit diesen Anforderungen setzt sich Guitar Hero Live auseinander, denn das Spiel ist in zwei Bereiche unterteilt – dem namensgebenden Guitar Hero Live und Guitar Hero TV (GHTV). Der Live Bereich ist aber eher klassisch angelegt und enthält 42 Songs. Wie der Name schon sagt, werden hier bekannte Klassiker, wie Paint it Black von den Rolling Stones, aber auch neue Lieder wie Skrillexs Bangarang gespielt. Die Aufmachung ist einem Musik-Festival nach empfunden, das jeden Tag mehrere Liveauftritte, auf unterschiedlichen Bühnen hat. Dabei zeigt sich eine der spannendsten Neuerungen von Guitar Hero Live, den anstatt vom immer gleichen Pixel-Publikum bejubelt zu werden, spielt man vor einer „echten“ Menschenmasse! Das sieht dann ungefähr so aus:
https://youtu.be/6SnIZgESm4c
Be the Guitar Hero
Wie man im Video sehen kann, spielt man aus der Egoperspektive des Gitarristen. Erstaunlicherweise greift dieser Kniff unglaublich gut, sodass sich bei mir tatsächlich so etwas wie Konzertatmosphäre einstellt. Vielleicht kann man mir an dieser Stelle eine gewisse Naivität vorwerfen, aber ich finde das Live-Feeling großartig. Noch nie zuvor bei einem Musikspiel (und man muss sich das lächerliche Bild vor Augen halten, dass ich dabei mit einer kleinen Plastikgitarre vor dem eigenen Fernseher stehe), habe ich eine so coole Atmosphäre verspürt. Mit diesem neuen Feature haben die Entwickler einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht, denn es ist einfach super „echte“ Konzertauftritte vor einem riesigen Publikum zu geben.
Good Times, Bad Times
Der zweite Bereich von Guitar Hero Live ist Guitar Hero TV und beschäftigt sich mit dem Musikstreamingproblem, das ich vorher angesprochen habe. Guitar Hero Live verzichtet nämlich auf Add-Ons, wie das z.B. früher mit Guitar Hero: Metallica oder Guitar Hero: Aerosmith gemacht wurde. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Tests gibt es bei GHTV genau 234 verschiedene Lieder (eine offizielle Liste dazu findet ihr hier. Alle damit verbundenen, verfügbaren Lieder sind mit ihrem originalen Musikvideo spielbar, was beeindruckend, wie spaßig ist. Diese Liste soll zudem nach und nach anwachsen und das komplett ohne Nebenkosten. Allerdings gibt es einen Haken! Möchtet man aus der Liste spielen, dann muss man entweder mit Ingame- oder Echtgeld dafür bezahlen. D.h. aber nicht, dass einem der Song dann gehört, man wird jedes Mal zur (Ingame-) Kasse gebeten. Über die Kehrseite der Medaille sprechen wir sofort, zuerst aber noch eine kurze Einführung zu den GHTV Channels, denn die sind in diesem Zusammenhang ein wichtiges Feature.
Turn the Radio on
Es gibt zwei Channels, die nach gewissen Themen (z.B. Indie, Rock Anthems, etc.) die gesamte Liederliste zufällig abspielen, 24/7 und überhaupt nichts kosten. Man ist damit zwar der Playlist ausgeliefert, findet aber mit den zwei verschiedenen Musikrichtungen (meist Indie/Pop VS Rock/Metal) sehr unterschiedliche Musik, die jeden Geschmack abdecken sollte. Ich für meinen Teil spiele die Channels sehr gerne, da ich bei Musikgenres, inklusive der dazugehörigen Songs nicht sonderlich wählerisch bin und mir zweitens die Suche nach dem nächsten Lied abgenommen wird. Außerdem gibt es noch Guitar Hero Premium, das ganz neue Musik enthält. Die muss aber freigeschaltet werden, in dem man drei vorgegebene Lieder erfolgreich zu Ende spielt. Die drei Songs können wiederum mit etwas Glück, bei einem der beiden Channels vorkommen oder eben mit Ingame-Geld separat ausgewählt werden (geht sich locker ohne Echtgeld aus). Momentan darf ich dann z.B. drei Lieder von einem Livekonzert von der Band Avenged Sevenfold nachspielen. Auch dabei kommt wieder großartige Live-Stimmung auf, die ich so in einem Musikspiel noch nicht erlebt habe.
Das bedeutet für mich, es stehen auf der einen Seite die großartigen Livesongs und die schon jetzt hohe Anzahl an TV-Liedern, bzw. auf der anderen Seite der fade Beigeschmack bei einem Vollpreistitel (mit Gitarre ca. 100€) erneut zur Kasse gebeten zu werden. Deshalb sei gesagt, dass ich bis jetzt überhaupt kein weiteres (Echt-) Geld ausgegeben habe und trotzdem unglaublich viel Spaß mit Guitar Hero Live hatte. Mit einem handelsüblichen Mikrofon (USB-Output vorausgesetzt) und zwei Gitarren, bleibt die Guitar Hero Serie weiterhin ein ganz großer Partyspaß. Durch den neuen, verbesserten Kontroller müssen zudem auch Veteranen den Umgang mit der Plastikklampfe neu erlernen. Durch die verschiedenen Schwierigkeitsgrade Casual (nur eine Reihe, sprich drei Tasten), Normal (alle sechs Tasten), Fortgeschritten (einige Barrégriffe) und Experte (das volle, gnadenlose Programm), kann wirklich jeder, vom Core-Gamer, bis hin zur musikinteressierten Großmutter, das Spiel erlernen. Schade finde ich nur, dass auf einen Übungsmodus verzichtet wurde und das erneute Abspielen von (GHTV) Liedern etwas kostet. So bleiben gewisse, sehr coole, aber teuflisch schwere Soli auch weiterhin eine unüberwindbare Hürde und verkommen so zu spontanen Frustmomenten. Dafür werden die Lieder nicht mehr, wie früher, wegen zu lausigem Spielen abgebrochen, man ist dann ganz einfach nur schlecht!
Im Großen und Ganzen ist es eine Grundsatzdiskussion zwischen der sich kostenlos erweiterbaren, sehr großen Musikbibliothek und den eventuell zu tätigenden Mikrotransaktionen. Trotzdem oder gerade deswegen findet damit aber eine gewisse Musikspiel-Modernisierung statt – im Positiven, wie auch im Negativen. Ich für meinen Teil spiele Guitar Hero Live auch nach vielen Stunden immer noch gerne und freue mich auf die zukünftig erweiterte Playlist, denn mir genügen die beiden Channels und das großartige Live-Feeling vollkommen.