I Am Setsuna (PS4) im Test
I Am Setsuna ist einer jener Titel, die ihr liebt oder gar nicht ausstehen könnt. Ihr begleitet eine junge Dame auf ihrer Reise, um die Welt zu retten. Einen (fast) unvoreingenommenen Blick auf den Square Enix-Titel findet ihr hier! Zur offiziellen Website des Titels geht es übrigens hier lang – wenn ihr gestattet.
Wie alles begann
Das Entwicklerstudio Tokyo RPG Factory arbeitete zwei Jahre an diesem Titel. Das Konzept lautete, ein Spiel wie die RPG-Klassiker von anno dazumals zu schaffen. Oft lest ihr, dass es einige Anleihen von Chrono Trigger (ursprünglich auf dem SNES, mittlerweile auch auf iOS und Android zu finden) genommen hat. Dazu später mehr.
I Am Setsuna hat ein vorwiegendes Thema, namentlich Traurigkeit und Melancholie. Die Reise der gleichnamigen Setsuna beginnt nicht unähnlich wie in Final Fantasy X. Sie muss im Alleingang die Welt retten und bekommt eine Leibwache zur Seite gestellt, um ihren Zielort unbeschadet zu erreichen. Natürlich ist auch euer Held mit von der Partie.
Die mehrköpfige Party macht sich also auf den Weg, um Setsuna vom Startpunkt Nive Island sicher an ihr Ziel zu geleiten. Die Welt ist von Monstern überrannt, daher wurde Setsuna ausgewählt, um die Fieslinge zu beruhigen. Dementsprechend karg ist die Welt geworden: Anfangs stapft ihr durch endlose Schneegebiete, aber auch später wird es nicht viel bunter.
Die Weltretter
Es ist schon spannend, wenn man ein wenig Erfahrung mit RPG-Spielen hat. Auch in I Am Setsuna sind die Hauptcharaktere immer ein wenig schillernder, ein wenig herausstechender, ein bisschen mehr edgy als die anderen. Es wird euch also nur wenig überraschen, dass ihr meist im Vorfeld schon genau wisst, wer sich eurer Party anschließen wird.
Aber nur, weil das Game teils eine Spur durchschaubar ist, heißt das nicht, dass es schlecht ist. Euer Hauptheld Endir bekommt den Auftrag, sich zur namensgebenden Setsuna durchzuschlagen. Während euer Protagonist ein eher schweigsamer Zeitgenosse ist (ab und zu könnt ihr „Entscheidungen“ treffen), versucht Setsuna, überall beliebt zu sein. Sie ist so knuffig, sie schafft das auch.
Zu Beginn des Spiels ist eure Party klein, doch wenn die Welt gerettet werden soll, müssen viele LeibwächterInnen zu euch stoßen! Da kommt beispielsweise die kesse Aeterna hinzu, die nicht auf den Mund gefallen ist. Der geheimnisvolle Nidr schließt sich euch genauso an wie der begabte Kir, und so weiter. Jeder eurer BegleiterInnen (und von denen habt ihr mehrere) hat eine alles überstrahlende Eigenschaft, und dieses liebevolle Überzeichnen macht sie sogar sympathisch.
So prügelt ihr euch durch
Damit ihr stets bei Laune bleibt, hat I Am Setsuna ein interessantes Kampfsystem spendiert bekommen. Es nimmt sowohl Anleihen bei den Final Fantasy-Titeln (Active Time Battle), aber auch bei Chrono Trigger. Und ja, auch hier ist die Logik außer Kraft gesetzt. Es geht um nichts weniger als die Rettung der Welt, aber es kämpfen immer nur drei Charaktere! Die anderen machen Party oder Picknick, zumindest scheint es so. Das ist etwas, was pingelige Leute wie mich immer stört.
Zurück zum Kampfsystem an sich: Nicht nur die Werte und Angriffe sind zu betrachten, auch die Zusammenstellung der Party ist immens wichtig. Sind nämlich kompatible Charaktere in eurer Party, könnt ihr eine Kombinationsattacke starten. Findet ihr also besonders starke Kombos heraus, solltet ihr sie bis zum Umfallen nutzen – die erste Möglichkeit zwischen Aeterna und Endir seht ihr gleich in den ersten Spielminuten. Taktik ist also Trumpf.
Damit nicht genug, schon vor der eigentlichen Schlacht könnt ihr euch einen entscheidenden Vorteil erschleichen. Zufallskämpfe gibt es nicht, ihr behaltet in so gut wie jeder Situation die Kontrolle! Greift ihr nämlich die jederzeit sichtbaren Feinde von hinten an, startet ihr mit einer vollen Aktionsleiste und gefüllten SP. Die Aktionsleiste bestimmt, wann ihr angreift, und die SP lassen sich am besten als Limit-Schlag erklären.
Allerdings könnt ihr diesen Limit-Boost bei so gut wie jeder Aktion einsetzen. Anders als in herkömmlichen Rollenspielen, in denen der Spezialangriff immer gleich aussieht, hängt es hier von euch ab. Die Heilung verstärken? Kein Problem. Einen Angriff doppelt ausführen? Bittesehr. Neben einer Attacke auch die Resistenz senken? Einfach Quadrat drücken.
Weitere Support-Fähigkeiten
Das rundenbasierte Kampfsystem ermöglicht euch gerade im „Warten“-Modus, immer den Überblick zu bewahren. Wenn ihr nämlich bei gefüllter Aktionsleiste abwartet, sprich nichts tut, füllen sich eure SP-Punkte. Bis zu drei könnt ihr sammeln und dann nach Lust und Laune einsetzen, natürlich immer nur dann, wenn ihr grade dran seid.
Das Magiesystem selbst will auch ein wenig erläutert werden. Anders als gewohnt bekommt ihr keine fixen Zauber zugeteilt, sondern auch hier seid ihr HerrscherIn über eure Party. Wenn ihr ein wenig in der Welt von I Am Setsuna unterwegs seid, könnt ihr Ressourcen sammeln. Manche sind weniger exotisch, andere wiederum extrem wertvoll.
Diese Materialien könnt ihr bei den zugehörigen Magiekundigen gegen Spritnites eintauschen. Diese sind dann auszurüsten und versorgen euch mit den Zaubern im Kampf. Hier könnt ihr dann entweder Supportfähigkeiten oder aktive Angriffs-Kommandos pro Charakter zuteilen. Der Grad der Anpassung ist enorm, ihr müsst euch nur entscheiden!
Dungeons und Feinde
I Am Setsuna wird euch nicht sonderlich mit abwechslungsreichen Gegenden verwöhnen. Eher scheinen die selben Templates ein paar mal wiederverwendet zu werden, von der Umgebung her wie von den Feinden. Das Spiel leidet ein wenig dadurch, wenn es um das Entdecken von Neuem geht.
Schon alleine die Tatsache, dass es stärkere Monster gibt, die mehr Materialien fallen lassen, lässt unsere Herzen höher schlagen. Allerdings sind das vom Aussehen her die exakt gleichen wie die Standard-Monster, denen ihr zuvor zuhauf begegnet. Einzig und allein die Farbe ist unterschiedlich – das ist ein wahrlich günstiger Aufwand.
Der sehr piano-lastige Soundtrack von I Am Setsuna begleitet euch mal mehr, mal weniger aufdringlich durch das Spiel. Auch diese Tunes wiederholen sich nach den ersten drei bis vier Spielstunden immer wieder – Fans von Klavieren fühlen sich wohl, andere könnten ein wenig davon abgestoßen werden. Ohrwurmfaktor ist aber definitiv vorhanden.
Der Retro-Faktor in I Am Setsuna ist ziemlich hoch. Wenn ihr eine Art Leitsystem wie in Neverwinter erwartet, dem ihr folgen könnt, seid ihr schief gewickelt. Auch das Finden von Schätzen ist nicht nur auf die klassischen Truhen beschränkt, sondern auch am Boden befinden sich Materialien. Diese blinken unscheinbar, und wenn ihr euch in der Nähe befindet, gibt es einen akustischen Hinweis. Das macht das Game richtig gut.
Pfusch mit Handel und Heilung
Als gelernte RPG-SpielerInnen vertraut man in jedem Spiel auf gewisse Grundfeste. Da gibt es Ye Olde Shoppes, das gute alte Gasthaus, den Schwert- und Rüstungsschmied und eventuell eine Werkbank. I Am Setsuna, und das kann durchaus verwirrend wirken, verzichtet auf die Hälfte dieser Features und kommt damit auch noch ganz gut davon!
Gleich vorweg: Händler gibt es, aber sie sind nicht mit Schildern oder Ähnlichem markiert. Zufälligerweise sind sie aber schwer berucksackt und stets gleich angezogen, ihr müsst also nicht blindlings durch die Ortschaften schlendern. Diese Shopkeeper sind gleich in mehreren Varianten erhältlich: Einen Chef fürs Essen, einen Ausrüstungstypen sowie einen Magiekundigen gibt es beispielsweise (die Liste ist nicht vollständig).
Verkaufen könnt ihr eure überflüssigen Dinge, sprich Materialien, nur bei einem der Händler. Oh, und eure gebrauchte Ausrüstung? Die tragt ihr mit euch mit. Fieserweise benötigt ihr die Materialien für neue Magie, doch das durch einen Verkauf gewonnene Geld könntet ihr in Ausrüstungen stecken. Hier hat es sich I Am Setsuna gewaltig einfach gemacht: Statt Rüstungen, Handschuhen und Eisensocken gibt es nur eine Waffe. Fertig.
Diese Waffe hebt all eure Stats, was sie um so wichtiger macht. Ein Boost um relativ wenig Punkte hat somit relativ viel Wirkung in I Am Setsuna! Das ist zwar sehr schlicht gehalten, aber das Handelssystem wirkt unnötig kompliziert. Zwar nur ein kleiner Störfaktor am Rande, aber dieser kommt euch immer wieder unter. Oh, und es gibt keine Gasthäuser zur Heilung. Richtig gelesen.
Seid ihr Setsuna?
Grundsätzlich gibt es Heilfertigkeiten, die eure Setsuna auslösen kann. Später habt ihr die Möglichkeit, auch euren anderen Charakteren ein Heil-Spritnite zu verpassen. Falls ihr aber denkt, in einem Dorf seid ihr sicher, denkt nochmals: Heilung gibt es nicht. Entweder heilt ihr euch durch Gegenstände, durch Magie oder durch Aufleveln. Ein Stufenaufstieg füllt alle HP und MP wieder auf, ein Bett jedoch nicht. Schön, oder?
Das ist aber auch verschmerzbar, sobald ihr euch daran gewöhnt habt. Viel mehr fällt euch das Kampfsystem auf, das ihr immer und immer wieder bedienen werdet. Etwas repetitiv, aber umso schwungvoller reiht ihr Kombinationen aneinander und prügelt euch durch die Monsterhorden. Das macht auch nach mehreren Stunden immer noch Laune, viel Abwechslung dürft ihr euch eben nicht erwarten.
Je mehr SP-Punkte ihr einsetzt (also eure Aktionen verstärkt), umso mehr Momentum generiert ihr. Dieses System werkt im Hintergrund und kann euch zufällige Boni verschaffen. Recht ausnutzen könnt ihr es in den meisten Kämpfen nicht, doch bei den knackigen Boss- und Zwischenkämpfen kann es entscheidend werden. Der Schwierigkeitsgrad ist übrigens grade recht: Teils einfach und teils sehr fordernd, ohne unfair zu werden.
Fazit: I Am Setsuna
Egal, wie lange ihr gespielt habt, irgendetwas zieht euch immer wieder zu I Am Setsuna zurück. Für mich war es definitiv der klavierlastige Soundtrack, der aber bestimmt nicht für jeden so angenehm ist. Die Aufmachung und die Story sind ebenfalls top, nach den ersten Spielstunden ist es sehr unwahrscheinlich, dass ihr den Titel weglegt.
I Am Setsuna erfindet das Rad beileibe nicht neu. Es wagt sich an das gute alte Retro-Feeling eines Chrono Trigger heran, ohne an diesem Monument rütteln zu wollen. Einige Design-Entscheidungen sorgen bei mir auch für Unverständnis, das Handelssystem und die Heilung sind zwei Beispiele. Stört euch dies aber nicht, solltet ihr euch nicht von diesem RPG abhalten lassen.
Obwohl es nicht allzu viel Abwechslung bietet, kann I Am Setsuna als Gesamtpaket überzeugen und macht von Anfang an Spaß. Bosskämpfe sind fordernd und werden euch manchmal einen Game Over-Bildschirm aufzwingen, frustrierend wird das Spiel jedoch nie. Fans einer guten Story dürfen bedenkenlos zugreifen, NostalgikerInnen haben längst zugeschlagen, und alle anderen verpassen etwas. Stimmung macht I Am Setsuna auf jeden Fall, und so etwas schaffen nur wenige Spiele.