iPhone X Review – Der Smartphone-gewordene Kompromiss
Apple hat es getan: Nach etlichen lauen Aufgüssen ein- und desselben iPhone-Designs ist mit dem iPhone X endlich die langersehnte Smartphone-Revolution geglückt. Zumindest, wenn es nach dem Marketing-Latein der Fallobst-Apostel geht. Ob es sich bei dem neuen Super-iPhone tatsächlich um die Offenbarung am Smartphone-Markt handelt, oder doch nur um eine Aufholjagt zur Android-Konkurrenz, will ich in meinem Review herausfinden. Dankenswerterweise hat mir A1 dafür ein weißes iPhone X mit 64 GB Speicherkapazität zur Verfügung gestellt.
Das Super Retina Display
Die auffälligste Neuerung vorweg: Das Display! Erstmals in der Geschichte des iPhones bekommen es Apple-Fans mit einem waschechten OLED-Bildschirm zu tun! Dieses 5,8″ große, Super-Retina getaufte Panel nimmt beinahe die volle Frontfläche des Smartphones ein, und löst mit 2436 x 1125 Pixeln auf. Diesem vollflächigen Design fiel auch der ikonische Home-Button zum Opfer, aber dazu später mehr. Das OLED-Panel bezieht Apple bei Lieblings-KonkurrentIn Samsung. Im Vergleich zum Galaxy Note 8 schneidet der Bildschirm des iPhone X dennoch schlechter ab. Mit 634 nits liegt die maximale Helligkeit des Super Retina Displays nicht einmal bei der Hälfte des Note 8. Mit seinen 522 PPI Pixeldichte hat das Samsung-Phone ebenfalls die Nase vorn. Zu alledem macht sich beim iPhone X ein deutlicher Gelbstich bemerkbar. 4 Millimeter breite Ränder rund um den Bildschirm und deutlich abgerundete Ecken sorgen für Infinity-Feeling auf Sparflamme. Und dann wäre da noch dieser eine, lästige Schönheitsfehler:
Der „Notch“
Das vielleicht augenscheinlichste Merkmal des neuen iPhones ist eine Einkerbung am oberen Bildschirmrand, genannt: „Notch“. Diese beherbergt die die Frontkamera, einen Lautsprecher und diverse Face-ID Sensoren. Links und rechts der Einkerbung befinden sich zwei Bildschirm-Ohren, die Apple den üblichen Kopfleisten-Symbolen, wie dem Empfangs-Indikator und dem Batterieladestand widmet. Diese dunkle Lasche im ansonsten strahlend hellen Display gibt dem iPhone X einerseits einen sehr eigenständigen und markanten Charakter. Subjektiv betrachtet verunstaltet sie die ansonsten makellose Frontfläche jedoch eklatant. In manchen Reviews ist zu lesen, dass man sich mit der Zeit an diese omnipräsente Einkerbung gewöhne, ich persönlich empfinde sie aber selbst nach zwei Wochen als störend. Wie oft habe ich mir gedacht: „Was für eine Schönheit du wärst, wenn da nicht dieser Buckel wäre“.
Die Notch bringt darüber hinaus einige Usability-Verrenkungen mit sich. Sie reduziert den Raum für die Kopfleiste so sehr, dass sich beispielsweise das ISP-Kürzel und die Akku-Anzeige in Prozent nicht mehr daneben ausgehen. Ebenso muss man auf den Bluetooth-Indikator und das Wecker-Symbol verzichten, sofern dieser aktiv ist. Die klassische Kopfzeile bekommt man nur zu Gesicht, wenn man das Control-Center öffnet, welche nicht mehr vom unteren, sondern vom oberen linken Rand herunterziehen lässt.
Face-ID
Ob Face-ID sicherer ist, als Touch-ID, sei dahingestellt
Mitverantwortlich für die Notch ist das Feature, welches wohl als schlechteste Ausrede für mangelhaftes Design in Erinnerung bleiben dürfte: Face-ID. Denn anstelle des etablierten Fingerabdruck-Sensors führt Apple eine neue Technologie ins Rennen, um das eigene Smartphone zu entsperren. Ein Array an Sensoren im oberen Bereich des Displays scannt bei jedem Anmeldeversuch das Gesicht seiner BetrachterIn, und vespricht somit noch mehr biometrische Sicherheit. Anders als bei Produkten der Konkurrenz soll dies auch mit Brillen, Bärten, Hauben und sogar im Dunklen funktionieren. Zwar wurden schon zahlreiche Fälle bekannt, in denen Face-ID mehr schlecht als recht funktioniert haben soll, im Wesentlichen funktioniert das System aber recht zuverlässig. Ob es nun sicherer ist, als andere biometrische Authentifizierungsverfahren, sei dahingestellt.
Technisches
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Im verhältnismäßig kompakten Gehäuse des iPhone X verbergen sich diverse Neuerungen. Dem A11 Bionic-Chip stehen 3 Gigabyte RAM und bis zu 256 GB Speicher zur Seite. Befeuert wird das Gespann von einem 2.716 mAh starken Akku. Wie schon das iPhone 7 verfügt das iPhone X über keinen dedizierten Klinkenstecker zum Anschließen von Kopfhörern. Dafür hat ein Qi-Modul zum kabellosen Aufladen seinen Weg ins Gehäuse gefunden. Spritzwasser- und Staubresistenz der Klasse IP67 sind ebenfalls vorhanden. Soviel geballte Technik hat natürlich ihren Preis, und der schlägt sich nicht bloß in der Geldbörse nieder. Stolze 174 Gramm bringt das iPhone X auf die Waage, schwerer ist nur mehr das deutlich größere iPhone 8 Plus.
Tech-Specs im Überblick
- Wireless Charging
- 716 mAh Akku
- Face-ID Sensoren
- A11 Bionic-Chip
- 64 GB bzw 256 GB
- 3 GB RAM
- IP67 wasserresistent
- 12 MP Dual-Kamera mit OIS
- 7 MP Frontkamera
- Gewicht: 174 g
Die Kamera
Wie bei Flaggschiff-Phones jenseits der 1.000 Euro-Grenze üblich, führt auch das iPhone X nicht nur eine, sondern gleich zwei 12 Megapixel-Kameralinsen ins Rennen. Diese verfügen über optische Bildstabilisierung, und sind vertikal angeordnet, um Augmented Reality-Anwendungen im Landscape-Mode bestmöglich zu unterstützen. Bei jedem Foto errechnet die Kamera-Software im Hintergrund ein Tiefenprofil, was interessante Spielereien wie künstliche Tiefenunschärfe und Fotofilter-Effekte ermöglicht. Wie schon bei den Vorjahresmodellen steht das Kameramodul merklich aus der Rückseite hervor. Das Bedienen eines flach abgelegten Gerätes wird so zu einer instabilen Angelegenheit.
Ebenfalls neu ist die frontseitige 7 Megapixel Kamera, die durch die sensorischen Fähigkeiten der Face-ID-Leiste bereichert wird. So lassen sich Grimassen und Sprachaufnahmen der bei Face-ID registrierten Person auch auf sogenannte Animojis projizieren. Wer immer schon einmal mithilfe eines animierten Kackhaufens Schluss machen wollte, sollte sich das iPhone X unbedingt zulegen! Dummerweise funktionieren die Spielereien nur mit dem Gesicht der BesitzerIn eines iPhone X. Kinder und andere Interessierte schauen leider durch die Röhre.
Design
Trotz dem alles dominierenden Bildschirm ist es Apple beim iPhone X gelungen, weitere markante Design-Akzente zu setzen. Die glatte Glas-Rückseite des Gerätes ist dem Wireless-Charging-Feature geschuldet. Der abgerundete Antennenrahmen aus Aluminium erinnert an das ikonische Design der ersten beiden iPhone-Modelle. Dank seiner kompakten Bauweise und hochwertigen Materialien liegt das iPhone X erstaunlich kompakt in der Hand. Mit verschwitzen oder fettigen Händen sollte man jedoch Vorsicht walten lassen: Allzu leicht könnte das iPhone X aus der Hand gleiten, und in einem 1.300 Euro teuren Scherbenhaufen enden. Die Anschaffung einer Schutzhülle empfiehlt sich daher dringend.
Software
Das iPhone X kommt serienmäßig mit iOS 11 an Bord. Apple hat zahlreiche Anpassungen vorgenommen, um den Ansprüchen des neuen, randlosen Displays gerecht zu werden. Anstelle des physischen Home-Buttons sind Wischgesten gerückt, und Touch-ID wurde durch Face-ID ersetzt. An so mancher Stelle hakt das Konzept noch ein wenig, beispielsweise wenn man im App-Store zusätzlich den Power-Button drücken muss, um einer Installation mittels Gesichtserkennung zuzustimmen. Auch mit manchen Apps kommt das Konzept noch nicht so recht klar, insbesondere solchen, die Wischgesten von unten für sich beanspruchen. Alle Apps, die noch nicht auf das neue Seitenverhältnis des iPhone X optimiert wurden, weisen an den Rändern markante Schwarzbalken auf. Abgesehen von diesen kleinen Kinderkrankheiten geht das Bedienkonzept des neuen iPhones aber recht solide und intuitiv von der Hand. Schnell habe ich mich an den Swipe von unten gewöhnt, was auch den raschen und stets flüssigen Animationen geschuldet ist. Noch nie war der Übergang zwischen einer laufenden App und ihrer statischen Repräsentation im App-Switcher so nahtlos und subtil.
Fazit zum iPhone X
Die Smartphone-gewordene Kompromisslösung
Zugegeben, meine Erwartungen an das Jubiläums-iPhone waren seit seiner Ankündigung im September relativ gedämpft. Alles von dem, was präsentiert wurde, hat es so oder ähnlich auch schon bei der Konkurrenz zu sehen gegeben, teilweise bereits vor Jahren. Apples Drang zur Perfektion scheint ebenfalls im Schwinden begriffen, anders kann man sich den hässlichen Notch im sonst so ansprechenden Display nicht erklären. Auch auf die Gefahr hin, dass Apple-Fans mich dafür hassen werden, aber eine solche Kompromisslösung hätte ein Steve Jobs, wäre er noch am Leben, nie durchgewunken!
Was also bleibt vom Zehn-Jahreshype um das iPhone ist ein solides, aber auch hoffnungslos überteuertes Luxus-Gadget, das der Konkurrenz zwar die Zähne zeigen, aber nicht die Marschrichtung vorzugeben vermag. Apples Befreiungsschlag zur Innovationsführerschaft geht ins Leere, und die Konkurrenz lacht sich ins Fäustchen. Vor allem Samsung, denn die dürften an den iPhone X-Displays ordentlich mitverdienen. Geld, dass die KoreanerInnen nutzen werden, um den Innovationsvorsprung auf Cupertino erneut auszubauen.