Kritik: Hans Zimmer Live on Tour 2017 in der Wiener Stadthalle
Wer über Filmmusik spricht, kommt an einem Namen nicht vorbei: Hans Zimmer. Der weltberühmte Komponist, der sich laut eigener Aussage normalerweise „hinter einer Leinwand in einem dunklen Raum“ versteckt, wagte vergangenes Jahr im Rahmen einer Konzertreihe das erste Mal gemeinsam mit 70 MusikerInnen den Schritt auf die Bühne. Dort schien er sich recht wohlzufühlen, denn es folgte prompt eine zweite Tournee, die am 6.6. in der Wiener Stadthalle haltmachte, um den ZuseherInnen, so Zimmer, „ein Erlebnis zu bereiten, das ganz anders als jedes Konzert, das sie je zuvor besucht haben, sein wird“. Wie recht er damit doch haben sollte.
Erster Akt hui
Zimmer behauptet von sich, starkes Lampenfieber zu haben, doch als er vor den riesigen, berstend vollen Saal der Stadthalle trat, war davon nichts zu merken: Mit viel Charme und einem leicht vom amerikanischen Englisch beeinflussten Deutsch – der gebürtige Frankfurter lebt schon seit vielen Jahren in den USA – begrüßte er das Publikum der „Musikstadt Wien“. Der erste Teil des Konzerts mäanderte scheinbar mühelos zwischen den berühmtesten Kompositionen Zimmers: Zu hören waren unter anderem Stücke aus Crimson Tide, The Da Vinci Code, Gladiator und Der König der Löwen, und vor allem die letzten beiden Stücke sorgten mit dem wunderbar dunklen Timbre von Czarina Russell und der markanten Stimme von Lebo M., die das Intro von „Circle of Life“ so unverwechselbar macht und sich in das musikalische Gedächtnis vieler gebrannt hat, für Gänsehautmomente.
Der Komponist selbst führte vollkommen unprätentiös, stets seine MusikerInnen in den Mittelpunkt rückend, durch den Abend, indem er einzelne von ihnen namentlich vorstellte und kleine Anekdoten erzählte – „Ridley Scott hat mich angerufen und gefragt, ob ich einen Gladiatoren-Film machen möchte“ –, um auf die nächste Komposition überzuleiten. Überhaupt ist Zimmer viel mehr Teil seines MusikerInnen-Ensembles als dirigierender Leiter: Er griff selbst zur Gitarre, setzte sich ans Keyboard und spielte noch so einige andere Instrumente (beeindruckend!), ohne sich je in den Vordergrund zu drängen. Der erste Akt kulminierte in einem „Fluch der Karibik“-Medley, in dem die exzentrische Cello-Virtuosin Tina Guo mit ihrem Können und akrobatischen Spielstil beeindruckte. Vollkommen enthusiasmiert applaudierte das Publikum dementsprechend nach dem Ende des ersten Teils.
Zweiter Akt pfui
Nach einer rund zwanzigminütigen Pause erwarteten sich die ZuseherInnen wohl eine Fortsetzung des Gute-Laune-Programms – doch weit gefehlt. Ein Komponist vom Kaliber eines Zimmers hat es auch nicht nötig, profanen Erwartungen eines unterhaltungssüchtigen Publikums gerecht zu werden, und so gab das Ensemble unbekannteren Stücken wie „Journey To The Line“ eine Bühne. Die Komposition aus dem Film The Thin Red Line hat etwas Hypnotisches, Bedrohliches – und damit auch etwas durchaus Anziehendes. Die ZuseherInnen, die wohl nicht recht wussten, wie sie das Gehörte einordnen sollten, quittierten die Darbietung mit höflichem Applaus, in der Hoffnung, nun wieder bekömmlichere Kost serviert zu bekommen.
Doch Zimmer hatte anderes vor: Er griff noch tiefer in seinen umfangreichen Katalog, holte noch düstere Stücke heraus und arrangierte sie zu einem Höllenritt. Dem Publikum schlugen die an sich wundervollen Kompositionen aus der The Dark Knight-Trilogie um die Ohren – das herrlich Dissonante, Getriebene wurde in der Live-Performance jedoch stellenweise zu infernalischem Lärm, der nur noch entfernt an Musik erinnerte. Die Kakophonie war ab einem gewissen Zeitpunkt so unerträglich, dass einige ZuseherInnen sogar den Saal verließen. Geschuldet war dies jedoch nicht der Musik an sich, sondern der anscheinend grässlichen Akustik in der Stadthalle. Es schien ab einer gewissen Lautstärke zu Frequenzüberlagerungen zu kommen: In dem Soundkonglomerat konnte man einzelne Instrumente bzw. Melodien beim besten Willen nicht mehr unterscheiden. Das daran anschließende Stück „Aurora“, das Zimmer in Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in der U.S.-Stadt Aurora komponierte und eigentlich das Attribut „engelsgleich“ verdient, verkam darob in der Stadthalle ebenso zu einem enervierenden, monotonen Gedudel – ob es am Arrangement oder an der Akustik lag, vermag ich nicht zu sagen, ich tippe allerdings auf Letzteres. Selbst die Zugabe, Stücke aus Inception, vermochte nicht, die zweite Hälfte des Abends für mich zu retten; sie blieb schlicht antiklimaktisch.
Fazit: Zimmer hui, Stadthallenakustik pfui
Man nehme ein meisterliches Bild und gebe ihm einen grässlichen Rahmen – es wird immer noch gut sein, aber an Strahlkraft einbüßen. Genau so erging es Zimmers Musik in der Stadthalle: Der erste Part des Konzerts war beeindruckend, die furchtbare Akustik machte den Zauber so einiger seiner Kompositionen vor allem im zweiten Part allerdings zunichte, ja, trieb sogar einige ZuseherInnen aus dem Saal. Um fair zu sein: Vielleicht macht es einen Unterschied, wo man sitzt, immerhin ist die Akustik nicht überall gleich. Wenn ihr Hans Zimmer und seine virtuosen MusikerInnen also live sehen wollt – und das solltet ihr, wenn ihr die Möglichkeit dazu habt –, dann sucht euch eine Location aus, die dem Bombast seiner Kompositionen gerecht werden kann. Und wenn nicht, macht es wie ich in Zukunft: Führt euch die Stücke Zimmers mit eurer eigenen, guten Musikanlage zu Gemüte – sie haben es sich redlich verdient.