Kurzsichtiges Vergnügen: Driveclub VR (PSVR) im Test
Der Titel Driveclub aus dem Jahre 2014 bekam ein tolles Update spendiert. Mit Driveclub VR soll das Game euer erster Must-have-Racer werden, so die offizielle Website! Doch wieso diese Rechnung so gar nicht aufgeht und was es vom Oriiginal unterscheidet, lest ihr in diesem Review.
Was macht Driveclub VR aus?
Unser David hat es im Testbericht anno 2014 schon bereits sehr gut beschrieben. Driveclub VR serviert euch verschiedene Spielmodi, Clubs und Online-Rennen. Ohne zu komplex und damit zu kompliziert zu werden, fühlt sich das Fahrverhalten der einzelnen Autos glaubwürdig an. Während man nach wenigen Spielstunden durch enge Kurven driftet, spürt man auch permanent das Gewicht des Autos auf der Straße und kann zu jeder Zeit halbwegs einschätzen, wie sich Lenkmanöver auf das Vehikel auswirken werden.
Auch die hohe PS-Anzahl der Fahrzeuge ist beim Fahren deutlich spürbar, wodurch besonders starke PS-Monster dazu tendieren, leichter auszubrechen als ihre etwas schwächeren Kollegen. (Sogar auf Geraden!) Zudem verfügt Driveclub VR über ein sehr schönes Geschwindigkeitsgefühl, das die einzelnen Streckenabschnitte vorüberfliegen lässt.
Als zusätzliche Motivation gibt es Ruhm und auf jeder Strecke drei Sterne zu holen. Einen Stern bekommt man meist für einen Platz auf dem Siegerpodest, einen anderen beispielsweise durch besondere Herausforderungen, wie etwa in einem Streckenabschnitt eine gewisse Durchschnitts- oder Höchstgeschwindigkeit zu überbieten oder perfekt um die angegebene Kurve zu driften. Durch Fahren im Windschatten oder andere erfolgreiche Fahrmanöver erhält man zudem Ruhmpunkte, die man im Verlauf des Rennens aber auch wieder verlieren kann.
Gut, böse, Driveclub VR
Rutscht man mal von der Strecke, wird man dabei automatisch gedrosselt und muss innerhalb von drei Sekunden wieder zurück auf dem Asphalt sein – sonst gibt es Strafsekunden. Das macht eigentlich Sinn, da man dadurch keine Kurven abkürzen kann. Allerdings wird diese Regelung durch die teilweise aggressive KI nervig, da man so auch ohne Selbstverschulden von der Straße gedrängt wird. Darüber hinaus ist der Windschatten oft weniger nützlich, als man annehmen mag: Lange Straßen verbringt ihr sehr oft hinter dem Heck eines Gegners, ohne merklich an Speed zu gewinnen.
Außerdem nutzt Driveclub VR eine Gummiband-KI, die zwar zu vielen Überholmanövern führt, fahrtechnisch die Rennen aber unrealistisch gestaltet. Hat man mal einen Dreher, dann zieht das gesamte Feld an einem vorüber und das Rennen scheint verloren. Blöd, wenn euch das in der vorletzten Kurve passiert. Die Gummiband-KI nimmt dann das Tempo raus und ihr habt fast das Gefühl, die Gegner warten schon darauf, dass ihr wieder Anschluss findet. Im Umkehrschluss ist es leider auch so, dass man sich kaum einen Vorsprung herausfahren kann, da die Konkurrenz einem immer dicht auf den Fersen bleibt.
Driveclub VR ist allerdings nicht das Originalspiel, so viel sei gesagt. Die meisten Inhalte kommen vom Original, und ein paar neue Strecken und Optionen habt ihr nun dabei. Trotzdem ist es anders genug, dass ihr den Spielstand nicht übernehmen könnt. Holt ihr euch also Driveclub VR, beginnt ihr in jedem Fall von vorne. Das ist ja nichts Schlechtes: Für PSVR sollte ein Rennspiel wie geschaffen sein. Eine tolle Cockpitansicht würde das Game realistischer gestalten sowie einfach und natürlich zu spielen sein. Bemerkt jedoch den Konjunktiv.
VR steht für … Viel Restalkohol?
Um ein ehemals gehyptes Spiel wie Driveclub in den Klassiker-Status zu erheben, sollte VR doch ausreichen. Das war mein Gedanke: Noch näher am Geschehen sein, noch immersiveres Autofahren, die Rennen würden den Adrenalinpegel heben. Das tun sie auch, aber leider aus den falschen Gründen. Das Cockpit selbst sieht ganz annehmbar aus, wobei euch hier schon auffällt, dass der Tachometer und die anderen Anzeigen äußerst schwummrig aussehen. Seht ihr dann auch noch aus dem Fenster, bemerkt ihr matschige Umgebungen. Driveclub VR sieht aus wie ein PS3-Titel, allerdings seid ihr kurzsichtig und habt zusätzlich noch eure Brille vergessen.
Gleich nach dem Start verwandelt sich die Strecke durch all die Bewegung in ein unscharfes Desaster. Ich dachte zunächst, es liegt an mir und einer falschen Einstellung, doch nach mehreren Testdurchläufen und anderen KandidatInnen ist es leider der Fehler des Spiels. Diese Unschärfe und virtuelle Kurzsichtigkeit geht sogar so weit, dass ihr oft raten müsst, wohin ihr fahren sollt. Im Cockpit selbst habt ihr immer einen kleinen Radar mit Streckeneinschaltung, und wenn ich mich schon darauf mehr verlasse als auf meine Sicht, sagt das einiges aus.
Das Problem ist, dass hier zu viele technische Abkürzungen genommen wurden. Um eine stabile Framerate von 60 FPS zu gewährleisten, wurde zu viel geopfert (Soundeffekte, grafische Feinheiten, die Auflösung, die Sichtweite). Es ist zwar ein klasses Gefühl, in einem McLaren zu sitzen und sich tatsächlich darin zu befinden, aber die Neuheit geht dann rasch verloren. Selbst, wenn ihr auf die Stoßstangenansicht oder auf die Drittperspektive wechselt, ist spätestens nach ein paar Rennen Schluss. Das originale Driveclub sieht am TV so viel besser aus, dass es schwer ist, dann auf PSVR zu spielen.
Gutes Game, Umsetzung naja
Dabei sind die Ansätze, die Driveclub so gut und neuartig machten, immer noch vorhanden. Es macht Spaß, die Einzelziele zu sammeln und eine Durchschnittsgeschwindigkeit gerade halt so zu überbieten. Es ist äußerst befriedigend, den vorgegebenen Driftpunktestand um Haaresbreite zu schlagen. Nichts ist frustrierender, als um zwei Zehntelsekunden das Podium zu verpassen. Driveclub VR macht all diese grundlegenden Sachen richtig, und wenn ihr kein Problem damit habt, die Strecken noch besser kennen zu müssen als im Original, dann könnt ihr auch die PSVR-Variante genießen.
Die fehlenden Wettereffekte und der Umstand, dass ihr von vorne beginnen müsst, sind für mich zwei herbe Rückschläge im Spielspaß. Ja, das Geschehen läuft zu jeder Zeit flüssig ab und Unfälle resultieren meist aus Eigenfehlern. Diese Schwäche hatte ich schon bei Gran Turismo und Konsorten, daran wird auch Driveclub VR nichts ändern. Doch als selbst kurzsichtiger Mensch will ich unter keinen Umständen jemals ein Spiel zocken, das mir die Kurzsichtigkeit auch noch als Spielmechanismus verkauft. Leider ist das Spielgefühl genauso, was mich als Betroffenen bestimmt noch mehr stört als Normalsichtige.
Ich kann mich letzten Endes nur Davids Fazit von 2014 anschließen. Der Hype ist bestimmt gerechtfertigt, die Grundideen sind klasse, doch es fühlt sich unfertig an. PSVR hat bestimmt seine Daseinsberechtigung, und ein Rennspiel ist wie geschaffen dafür. Driveclub VR ist jedoch nicht der Titel, der dem Renn-Genre zum VR-Durchbruch verhilft. Zu verwaschen ist die Sicht, zu verbissen sind die Gegner und irgendwie fehlt die Abwechslung im Game. Als Experiment und für kurze Spielsessions ist Driveclub VR durchaus zu empfehlen, doch wenn ihr die Kampagne durchstehen wollt, wünsche ich euch viel Geduld – ich habe sie nicht aufgebracht.