Magie in vier Bildern: Gorogoa im Test
Das Jahr neigt sich dem Ende zu, alle großen Titel sind längst erschienen. Und gerade als man denkt, 2017 hätte sein letztes Quäntchen Videospielmagie bereits verschossen, erscheint das kleine, feine Puzzlespiel Gorogoa, das mit ungewöhnlichen Rätseln, detailverliebten Bildern und einer reichhaltigen, mythischen Symbolik verzaubert.
Buddismus trifft Orient
Jedes der detailverliebten Bilder des Spiels wurde mit Buntstiften und Aquarellfarben handgezeichnet bzw. -gemalt. Diese stecken voller religiöser Symbole, mystischer Muster und architektonischer Elemente aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Gorogoa schafft es buddhistische Elemente mit orientalischen Ornamenten und klassizistisch-südeuropäischen Baustilen harmonisch zu verschmelzen. Dadurch entsteht ein Gefühl zwischen Exotik und Vertrautheit; als befände man sich in einer traumhaften Parallelwelt zu der unseren.
Wer die Spielwelt aufmerksam betrachtet, kann so einiges in die Bildsymbolik interpretieren. Und das muss man auch, will man der wortlos erzählten Geschichte folgen. Das Spiel beginnt mit einem Jungen, der vom Fenster eines Mansardenzimmers aus einen Drachen über den Häuserdächern der Stadt aufsteigen sieht. Daraufhin macht sich der Junge auf die Suche nach fünf Früchten unterschiedlicher Farbe, um sie dem Drachen zu opfern. Eine verzweifelte, einnehmende Suche, die den Protagonisten sein ganzes Leben lang beschäftigen wird. – Soweit zumindest meine Interpretation des Gezeigten, das eher metaphorisch als bildlich zu verstehen ist.
Intuitiv statt logisch
Die Natur der Rätsel in Gorogoa unterstreichen den traumartigen Charakter des Spiels. Der Bildschirm ist in vier Quadrate aufgeteilt, in denen sich je ein Bildausschnitt, ähnlich wie Panels eines Comics, befinden kann. Um voran zu kommen, muss man die Bilder auf unterschiedliche Arten manipulieren: Sie hin- und herschieben, übereinanderlegen, drehen, auf bestimmte Stellen zoomen, Schichten eines Bildes trennen, usw. Hat man die Bilder auf die richtige Weise verändert, läuft die Geschichte ein Stück weiter.
Hier ein kleines Beispiel aus dem ersten Kapitel des Spiels: Eines der Bilder zeigt einen verletzten Mann im Rollstuhl vor einem Baum mit einer Krähe. Wir vergrößern den Bildausschnitt mit der Krähe im Geäst. Ein zweites Bild daneben zeigt uns das Innere eines Raumes, in dem ein Gemälde hängt. Wir zoomen zum Gemälde, auf dem ein Apfel abgebildet ist, der an einem Baum hängt. Daraufhin erkennen wir, dass die beiden Bildausschnitte zueinander passen und setzen das Bild mit dem Apfel rechts neben das mit der Krähe. Nun will noch ein dritter Bildabschnitt perspektivisch angepasst und korrekt positioniert werden, dann geht die Geschichte weiter.
Es mag zunächst verworren oder kompliziert erscheinen, dass die Rätsel viel weniger durch logische Überlegungen denn durch Herumprobieren und dem Erkennen zusammengehöriger grafischer Elemente zu lösen sind. Doch Gorogoa schafft es durch dezente Hinweise und eine klare Bildsprache, einen gerade genug an der Hand zu nehmen, um nicht zu frustrieren. Wer etwas überlegt und alle Bilder sorgfältig betrachtet, kommt früher oder später auf die richtige Lösung. Darüber hinaus sorgt die auf vier Abschnitte beschränkte Spielfläche dafür, dass die Aufgaben nie zu komplex werden. Die Rätsel selbst sind herrlich ungewöhnlich und abwechslungsreich. Nichts wiederholt sich oft genug, um zur Routine zu werden.
Kurz und Zauberhaft
Als der Spaß nach gerade mal zwei Stunden vorbei war, hätte ich gerne nochmal so lange weitergerätselt. Doch dafür lässt Gorogoa in dieser kurzen Zeit ein Ideenfeuerwerk los, dessen Strahlkraft SpielerInnen noch einige Zeit nach dem Spielen von Erstaunen geblendet zurücklässt.
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