Angela Merkel eröffnet die Gamescom 2017 – Was will sie da?
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird die diesjährige Gamescom eröffnen. Ein deutliches Signal aus einem politischen Umfeld, das vom Begriff der „Killerspiele“ geprägt wurde. Doch es hallt auch noch Merkels „Neuland“-Sager nach, den sie auf einer Pressekonferenz über das Internet zum Besten gab. Mir stellt sich die Frage: Was kann eine Inhaltlich kaum Bewanderte wie Merkel dazu beisteuern, dass die Spieleindustrie im deutschsprachigen Raum endlich ernst genommen wird? Es folgt meine persönliche Meinung hierzu, die gerne auch diskutiert werden darf.
Deutschland, ein Schwellenland für Games
Frankreich, Kanada und Polen entwickelten auf staatlicher Ebene Vorzeigemodelle, wie man dem größten Wachstumsmarkt der Unterhaltungsbranche mit offenen Armen begegnen kann. Förderprogramme, Ausbildungsstätten und eine grundlegende positive Grundeinstellung dem Thema gegenüber haben dort einen fruchtbaren Nährboden für kreative Studios und Vertriebsmodelle geschaffen.
Gaming-Leichen pflastern unsere Wege
Sieht man sich hierzulande um, und da nehme ich Österreich durchaus auch in die Pflicht, läuft es einem Kalt über Rücken runter. Natürlich könnte man das Scheitern der heimischen Szene auf wirtschaftliches Unvermögen reduzieren. Aber das wäre zu einfach. Es kann kein Zufall sein, dass Firmen wie Phenomic, JoWood, Max Design, Crytec oder Sunflowers hierzulande scheitern, oder gleich nach Osteuropa abwandern. Um Kreativität aktiv zu fördern, ist es oft notwendig, ein finanzielles Fangnetz zu spannen. Denn Kreative sind in der Regel keine guten Wirtschafter. Das haben Länder wie Frankreich und Polen verstanden. Deutschland und Österreich eben nicht. Hier glaubt man immer noch, dass ein Künstler eben auch ein guter Geschäftsmann sein muss, um erfolgreich sein zu können. Zumindest, was die digitale Kunst anbelangt.
Mißwirtschaft? Ja, aber…
Denn im Umfeld der etablierter Künste gibt es diese Förderprogramme. Fernsehsendern wird das Geld geradezu in den Rachen geschoben, und von privaten Inkassobüros unter staatlichen Deckmäntelchen eingetrieben. Und sei der Unterhaltungswert des Endergebnisses noch so bescheiden. Kleinkunst-Bühnen und kulturelle Etablissements brauchen sich ebenfalls kaum Sorgen um ihren Fortbestand machen, selbst, wenn dort bisweilen die übelsten Stilblüten der Misswirtschaft gedeihen.
Merkel Gamescom-Eröffnungsrede
Doch zurück zum Stein des Anstoßes: Ich bin bespannt, wie eine Bundeskanzlerin Merkel die zurecht skeptische Gemeinschaft der Spielenden mit ihrer Eröffnungsrede zu besänftigen gedenkt. Große Zugeständnisse werden nicht zu erwarten sein. Ebenso bezweifle ich eine ernstgemeinte und profunde Bekenntnis zur digitalen Kunst und Kultur. Eher erwarte ich mir eine mit “wir haben euch eh lieb”-Floskeln gespickte Rede, die das Unvermögen der deutschen Politik den kulturellen Wert der heimischen Spieleindustrie zu erkennen, widerspiegeln wird. Des weiteren stehen Wahlen an in Deutschland, und da bietet sich die Gamescom an, nochmal schnell im Lager der jugendlichen WählerInnen zu fischen. Ich bin jedenfalls gespannt darauf, was Frau Merkel glaubt zu diesem Diskurs beisteuern zu können.
Danke für deinen Beitrag, Mari! Der Artikel ist bewusst kontroversiell und zugespitzt formuliert. Natürlich gibt es auch in anderen Kunst- und Kulturbereichen Beispiele für nackten Überlebenskampf. Wenn man die Zahl der Firmenpleiten der digitalen und etablierten Künste vergleicht, wird aber schnell klar, dass die besagten Fangnetze für Bühnen und Theater besser greifen, als die für digitale Kunst. Was nicht heißt, dass nicht auch dort hie und da mal jemand in den sauren Apfel beißen muss.
Und zur Grundfrage des Artikels, was Merkel auf der Gamescom so kurz vor den Wahlen will: Natürlich potentielle WählerInnen abgreifen. Aber wenn dadurch Videospiele als Medium weiter in die Mitte der Gesellschaft rücken und ihr “Killerspiel”-Image weiter verlieren, habe ich nichts dagegen. 😀
“Kleinkunst-Bühnen und kulturelle Etablissements brauchen sich ebenfalls kaum Sorgen um ihren Fortbestand machen, selbst, wenn dort bisweilen die übelsten Stilblüten der Misswirtschaft gedeihen.” – Das ist schlichtweg falsch! Viele kleine Theater, Clubs und auch Musikschulen kämpfen ums Überleben. In Deutschland hört man seit Jahren immer wieder von Traditionsclubs die schließen müssen, weil die Mieten unleistbar werden. Musikschulen werden in Österreich immer weniger gefördert, sodass deren Besuch für mehr und mehr Familien unleistbar wird. Und ich könnte adhoc noch 5 weitere Beispiele nennen. Ja, die Videospielindustrie im deutschsprachigen Raum gehört meiner Meinung nach auch mehr gefördert, aber dass es in allen… Read more »