Might & Magic X Legacy (PC) im Test
Rundenbasierte Kämpfe, das Erforschen von lang vergessenen Umgebungen, dies alles als klassisches Rollenspiel verpackt in einer zeitgemäßen Kulisse: Ubisoft will mit Might & Magic X Legacy der Serie zu altem Glanz verhelfen. Ob dies klappt, lest ihr hier im Testbericht!
Der Klassiker neu aufgelegt
Das waren noch Zeiten, als Might & Magic der Platzhirsch der Rollenspiele war. Lange vor Games wie Skyrim und Konsorten waren die Vertreter der Might & Magic-Reihe derart beliebt, dass man sich damals nicht vorstellen konnte, wie ein anderes gutes RPG aussehen sollte. Vor etwa einem Jahr verkündete Ubisoft, mit Might & Magic X Legacy einen neuen Ableger präsentieren zu wollen, der Altbewährtes mit neuen Ideen vermischen sollte. Ich konnte diesen Titel nun schon einige Stunden spielen, doch alles der Reihe nach.
Zunächst erstellt ihr eine Party mit vier Mitgliedern, bei denen ihr vieles gestalten und konfigurieren könnt. Genretypisch stehen euch vier Rassen (Menschen, Elfen, Zwerge und Orks) zur Verfügung, und jedes dieser Völker darf eine von drei Klassen spielen. Da wären für die Menschen der/die SöldnerIn, der/die Kreuzritterin und der/die FreimagierIn, die Elfen dürfen sich für den/die KlingentänzerIn, den/die WaldläuferIn oder den/die DruidIn entscheiden. Zwerge wiederum schlagen den Weg des/der VerteidigerIn, des/der SpäherIn oder des/der RunenpriesterIn ein, und der handelsübliche Orkcharakter darf zum/zur BarbarIn, JägerIn oder SchamanIn werden. Keine großen Überraschungen also.
Ihr müsst euch aber nicht mit dem Editor herumschlagen, sondern könnt euch auch für eine halbwegs ausbalancierte, vorgefertigte Standardtruppe entscheiden. Die Bindung zu den eigenen Charakteren ist aber denkbar höher, wenn ihr ein bisschen Zeit für die Erschaffung eurer Gruppe aufwendet. Gesagt, getan: Nach der Einführung startet ihr in Sorpigal in der Welt von Ashan, dem Schauplatz von Might & Magic Heroes 6.
Was von Beginn weg auffällt, ist, dass sich Might & Magic X Legacy konsequent an zwei Dingen orientiert: Rundenbasiertheit und Raster. Ihr müsst zwar nicht eure eigenen Karten anfertigen, doch für EinsteigerInnen kann es schnell in Frust umschlagen, dass ihr alle Städte und Wege zunächst einmal ablaufen müsst, damit ihr wisst, wo in etwa welche Sehenswürdigkeit liegt. Die Bewegungsfreiheit und -freude hält sich damit arg in Grenzen, hier trennt Might & Magic X Legacy schon binnen weniger Minuten gnadenlos die Spreu vom Weizen. KämpferInnen der alten Garde jubeln hier ob dieser Designentscheidung laut, während vor allem die jüngere Generation wohl schneller das Handtuch werfen wird.
Herausfordernd und anziehend
Nicht nur das Spielprinzip selbst, das euch rundenbasierten Kampf und Erforschung bietet, sondern auch die Gegnerhorden stellen insbesondere für AnfängerInnen eine große Herausforderung dar. Der Schwierigkeitsgrad beginnt auf einem moderaten Level und nimmt von da an stetig zu. Oft trefft ihr auf größere Gegnergruppen, die euch gern umzingeln wollen und dies leider auch nur allzu oft schaffen. Da ihr aus den Kämpfen nur schwer fliehen könnt (die GegnerInnen verfolgen euch oft bis zum Schluss), macht dies die Sache mit der Vorbereitung und der Taktik ziemlich knifflig. Etliche Kämpfe enden so in einer Vielzahl an Wiederholungen, bei denen natürlich immer der letzte Spielstand zu Rate gezogen wird. Besonders bitter hierbei: Ihr könnt bei dem simplen Kampfsystem nicht einstellen, wer in welcher Kampfreihe steht. Stellt euch vor, dass vier KriegerInnen einfach in einer Reihe nebeneinander hermarschieren. So geht viel Taktikfinesse flöten, und auch ein bisschen das Herumbastelflair.
Wer sich allerdings zu früh von Might & Magic X Legacy abschrecken lässt, verpasst eine ganze Reihe an schönen Ideen, die das Spiel so richtig erlebenswert machen. So dürft ihr nach einigen Spielstunden eure Charaktere weiterentwickeln, beispielsweise vom Kreuzritter zum Paladin, was euch wiederum ganz neue Wege zur Spezialisierung freischalten kann. Weiters ist es auch möglich, neue Zonen zu betreten, beispielsweise seichtes Wasser. Zuvor war euch das verboten, doch sobald ihr diesen Segen erhalten habt, ist kein Wrack in Küstennähe mehr vor euch sicher!
Eines dürft ihr allerdings niemals: euch sicher fühlen. Might & Magic X Legacy wirft euch regelmäßig Gegnertruppen entgegen, die euch binnen weniger Runden das Lebenslicht auslöschen können. Überhastete Fluchtversuche arten dann in ein bizarres Schachspiel aus, da ihr ja streng rundenbasiert ein Kästchen nach dem anderen gehen dürft. Zwar wird konsequent auf Rundenbasiertheit und das Kästchenprinzip gepocht, allerdings könnt ihr euch mit der Maus frei umsehen. Warum das so ist, ist mir ein Rätsel: Das Umsehen bringt euch wenig bis gar nichts, lauft ihr über einen Schatz, richtet sich die Kamera selbstständig nach unten, und selbst, wenn ihr vor einem Fass steht, beugt ihr euch perfekt darüber. Dieser Mechanismus ist also eigentlich für die Katz. Gut hierbei ist allerdings, dass wenn ihr ein Gebiet komplett von GegnerInnen befreit habt, dort auch keine mehr hingesetzt werden.
Bunt, knallig und viel Beute
Grafisch ist Might & Magic X Legacy eher der Mittelklasse zuzuordnen, denn selbst auf höchsten Qualitätseinstellungen sieht das Spiel bestenfalls mittelprächtig aus. Richtig beeindruckend sind die Monstertypen, die mit viel Liebe zum Detail erstellt wurden – anders sieht es wiederum bei den halbwegs generischen Umgebungen aus. Da ihr alles rein aus der Egoperspektive erlebt, gibt es kaum Animationen, die euch von den Texturen oder sonstigem Terrain ablenken. Das sorgt auch schon mal für kurze Schockmomente, wenn ihr euch von der letzten Schlacht noch nicht mit Proviant versorgt habt und schon wieder GegnerInnen im Anmarsch sind; hier ist die Schlachtenanzeige am oberen Bildschirmrand Gold wert.
Auch wenn ihr eine Truhe oder ein Fass öffnet und daraus plötzlich eine Spinne auftaucht, kann das schon mal ein kurzer Überraschungsmoment sein. Wenn ich da an eine 3rd-Person-Perspektive à la Neverwinter Nights denke, wäre der bzw. die GegnerIn im Fass kein Anlass, auch nur ein „Meh“ von mir zu geben. Die Umgebungen sind anfangs bunt und knallig gehalten, doch je mehr ihr vom Spiel seht, um so düsterer gibt sich Might & Magic X Legacy. Dass der Schwierigkeitsgrad ähnlich anzieht, wurde bereits erwähnt, doch dafür gibt es zwei Tatsachen, die diesen Fakt wieder wettmachen: Einerseits fällt in diesem Spiel eine Unmenge an Loot (Erinnerungen an diverse Diablo-Games werden wach), was eure Chancen auf bessere Ausrüstung erheblich steigert. Andererseits könnt ihr ganz Might & Magic-typisch TrainerInnen finden, die euch gegen einen zum Teil heftigen Unkostenbeitrag gern lehren, noch besser in eurem Fach zu werden.
Apropos Unkosten: Obwohl ihr schon nach den ersten Quests meint, ihr habt eine Menge Gold gescheffelt, so vergeht dieses Gefühl spätestens nach dem Besuchen der reisenden HändlerInnen. Jedwede nützliche Ausrüstung, sei es Gegengift, sei es eine stärkere Axt, ist halbwegs teuer und somit ein Objekt der steten Begierde. Nochmals in aller Deutlichkeit: Wenn ihr nicht die Geduld habt, den letzten Speicherpunkt wieder und wieder zu laden, weil euch ein Boss- oder Elitemonster binnen weniger Runden zerlegt hat, kann es sein, dass Might & Magic X Legacy möglicherweise nichts für euch ist. Ähnlich wie bei Dark Souls müsst ihr auch hier ein klein wenig Masochismus mitbringen – der guten alten Zeiten willen.
Might & Magic X Legacy: Spätzünder mit Retroflair
Limbic Entertainment hat sich so richtig ins Zeug geworfen, um euch hier den idealen Crossover zwischen altem Charme und neuen Ideen zu präsentieren. Dieses hehre Ziel wurde leider nicht erreicht, da es einfach noch zu viele Baustellen gibt. Zu unfair sind die Gegnerhorden, die euch binnen weniger Runden die Lichter ausblasen können, zu lieblos wird euch anfangs die Story präsentiert, zu seicht sind die Rätsel oder Fallen.
Erst nach über zehn Spielstunden nimmt Might & Magic X Legacy langsam an Fahrt auf, und da habt ihr schon ein gutes Drittel des Spiels durchgezockt. Solltet ihr also Neulinge in diesem Universum sein, seid gewarnt: Der Anfang wird sich nicht gerade als leicht erweisen, doch je mehr ihr euch in den Sog des Titels begebt, umso mehr bekommt ihr auch wieder zurück. Limbic hat jedoch versprochen, in den kommenden Wochen via Patches die brennendsten Mankos zu beheben, und ich kann nur gespannt darauf warten, was denn nun tatsächlich geändert wird. Falls ihr mich jetzt entschuldigt, mein Ork will weiter trainiert werden!