Monochroma (PC) im Test
Als ausgewiesener Indiegame-Fan habe ich eine Schwäche für Games, die versuchen, die Grenzen und Möglichkeiten des Mediums auszuloten. Ob nun in technischer Hinsicht, in Hinblick auf das Storytelling oder in Sachen Artdirection – gegen den Strom zu schwimmen ist nicht nur „hipster“, sondern bringt die Branche als Ganzes voran. Ohne Spiele wie Braid, Brothers: A Tale of Two Sons oder Gone Home wären wir wohl dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit Zombie- und Alienhorden zu metzeln und dabei peinlichen Sprüchen zu lauschen.
M wie Monochroma
Dass es sich bei Monochroma, dem Debütgame des Studios Nowhere Games aus Istanbul, um ein Indiegame handelt, das sehr darum bemüht ist, solche Fettnäpfchen zu vermeiden, wird schon innerhalb der ersten Spielminuten klar. Weder Klischeegegner noch flapsige Dialoge kommen der Spielerfahrung in die Quere. Zudem verfügt das Game über einen sehr ausgeprägten Look. Statt mit dem gesamten Spektrum der 16 Millionen Farben zu klotzen, die ein Monitor darstellen kann, reicht dem Jump-’n’-Puzzler eine Farbe: Rot – Monochroma eben. Das Gameplay und die neblige, weichgezeichnete Schwarz-Weiß-Optik erinnern dabei, von den sporadisch eingesetzten Rottupfen abgesehen, stark an das Ausnahme-Game Limbo. Ob dieser Vergleich sehr zu Ungunsten des Puzzlers vom Bosporus ausfällt oder sich der Newcomer behaupten kann, kläre ich im Folgenden.
M wie mutig
Monochroma erzählt die Geschichte zweier Geschwister in einer düsteren Welt, die von einem mysteriösen Konzern beherrscht wird. Als älterer Bruder ist es eure Aufgabe, zusammen mit dem jüngeren Geschwisterchen unbeschadet Farmen, Bahngleise, Arbeiterquartiere und Industriekomplexe zu durchqueren. Das ominöse Logo der Firma – ein rotes M – wird auf eurer Reise ebenso zu einem vertrauten Wegbegleiter wie die muskulösen Schergen mit ihren Freddy-Krüger-esquen, rot gestreiften Sweatern, die euch einfangen und verschleppen wollen. Genauso nebulös wie die Rolle der Muskelmänner bleibt auch die Geschichte. Nach einer ausformulierten Story mit Dialogen, Einführung und Erklärungen sucht ihr in Monochroma vergeblich, vielmehr liefert euch das Spiel nur Bruchstücke und Andeutungen; daraus eine kohärente Welt zu konstruieren, liegt ganz in euren Händen. So überrascht es auch nicht, dass es im gesamten Spiel weder ein Wort zu hören, noch einen Satz zu lesen gibt. Das Storytelling findet in Monochroma nonverbal und zumeist auf Ebene der Art-Direction und des Leveldesigns statt; ein Umstand, der Mut und Vertrauen in die Neugier und Intelligenz der GamerInnen erfordert.
M wie mushy
Womit Monochroma aber seine Probleme hat, ist das Gameplay. Für einen Plattformer ist die Steuerung, im Speziellen der Jump-Part des Jump and Run, das Um und Auf. Leider kränkelt das Spiel in dieser Hinsicht. Das Springen fühlt sich zeitverzögert und unpräzise an. Mehr als nur einmal hat man das Gefühl, dass die Herausforderung mehr darin besteht, die Steuerung zu bezwingen als die Hindernisse, vor die man gestellt wird. Auch das Laufen fühlt sich einen Tick zu langsam an, sodass man sich immer wieder mal genötigt fühlt, zu checken, ob die Framerate im Keller ist. Was die schwammige Steuerung nicht besser macht, ist der Umstand, dass ihr die meiste Zeit mit eurem hilflosen, kleinen Bruder auf dem Rücken unterwegs seid. Dadurch verlangsamt sich euer Tempo noch einmal merklich, und auch eure Sprunghöhe leidet enorm unter dem menschlichen Rucksack. Das wäre alles halb so wild, wenn das Spiel nicht einen Grad an Präzision und Agilität von euch verlangen würde, den die Steuerung einfach nicht hergibt.
M wie Mal so, Mal so
Damit wären wir auch schon beim Hauptteil des Gameplays von Monochroma, denn neben klassischen Schalter- und Kistenrätseln machen Rätsel, bei denen ihr einen Weg finden oder schaffen müsst, den ihr auch mit eurem Bruder im Schlepptau nehmen könnt, einen großen Teil des Spiels aus. Da euer Bruder panische Angst vor der Dunkelheit hat, weigert er sich strikt, euren Rücken woanders als im gleißenden Licht eines Scheinwerfers zu verlassen. So seht ihr euch meist mit der Aufgabe konfrontiert, einen sicheren Aufenthaltsort für den Kleinen zu finden, wo ihr ihn parken könnt, während ihr euch ans Rätseln macht. Weniger spaßig als diese Passagen sind die immer wieder einmal auftauchenden Chase-Sequenzen, bei denen ihr unter Zeitdruck Jumpen und Runnen müsst. Hauptsächlich wegen der schwammigen Steuerung kommt bei diesen Einlagen nicht selten Frust auf. Auch bei den konventionelleren Puzzles gibt es immer wieder Grund zu meckern, weil die Qualität erheblich variiert. Manche der Rätsel halten das Qualitätsniveau, das man von einem inspirierten Indiegame erwartet, andere hingegen wirken schlampig hingehudelt. Am schlimmsten stechen dabei jene Stellen hervor, bei denen man erst nach mehrmaligem Sterben kapiert, was an der Stelle zu tun ist. Dieser Umstand verträgt sich ganz und gar nicht mit dem ansonsten durchwegs respektvollen Umgang, den das Spiel mit seinen SpielerInnen pflegt. Die doch etwas lang geratenen Ladezeiten und die manchmal fragwürdige Platzierung von Checkpoints tragen ihren Teil dazu bei, solche Passagen zu einer Geduldsprobe zu machen.
M wie Mmmmkay
Alles in allem sind das sind aber eher kleine Ärgernisse als wirkliche Gründe, das Spiel im Regal zu lassen. Monochroma hat durchaus Charme und Flair. Die Vergleiche mit den absoluten Top-Indiegames schaden dem Game aber mehr, als sie ihm nutzen. Ganz für sich selbst genommen ist der Jump-’n’-Puzzler aber ein ambitioniertes, wenn auch etwas unebenes Spiel. Im Großen und Ganzen schafft es Monochroma leider nicht, unter der von Limbo platzierten Latte hindurchzutänzeln, und auch die Beziehung der Protagonisten bleibt weit davon entfernt, jene emotionale Tiefe zu erreichen wie ICO oder Brothers: A Tale of Two Sons. Aber als Erstlingswerk zeigt Monochroma, wie viel Potenzial in dem kleinen Studio Nowhere Games steckt. Ich werde in Zukunft auf jeden Fall gespannt in Richtung Instanbul blicken, um zu sehen, was die EntwicklerInnen als nächstes in Angriff nehmen.