Persona 5 Strikers Review: ein gelungener Genre-Spagat
Das Musou-Spinoff des erfolgreichen JRPGs Persona 5 ist seit dem 23. Februar auch in Europa auf dem Markt. Das ist Grund genug für uns im Persona 5 Strikers Review den Phantomdieben rund um Joker ein weiteres Mal auf den Zahn zu fühlen. Im folgenden Beitrag werden wir die verschiedenen Facetten des Spiels beleuchten und die Frage beantworten, ob der Titel mit der gefeierten Haupreihe mithalten kann.
Das Persona 5 Strikers Review: der Genre-Spagat
Was ist dieses Musou?
Bevor wir uns voll und ganz den spielerischen Details des neuen Phantomdiebe-Abenteuers widmen müssen wir aber noch den großen Elefanten im Raum benennen. Was ist eigentlich dieses Musou, das in Verbindung mit P5S (so die offizielle Abkürzung für Persona 5 Strikers) immer wieder genannt wird? Die Frage ist aber eigentlich ganz leicht zu beantworten, denn Musou ist einfach nur eine andere Bezeichnung für die bekannten Warriors-Spiele, wie zum Beispiel das aktuell beliebte Hyrule Warriors: Zeit der Verheerung aus dem The Legend of Zelda-Franchise (hier geht es übrigens zu unserem umfangreichen Test von Matthias).
Sicherlich ist das jetzt keine großartige wissenschaftliche Schrift, wie das Musou-Genre zu seinem Namen kam. Für ein grundlegendes Verständis der Begrifflichkeit reicht es aber allemal. Musou -bzw. Warriors-Games werden hauptsächlich dem Entwicklerstudio Tecmo Koei zugeschrieben, welche das Genre durch zahlreiche Titel des Dynasty Warriors-Franchise geprägt haben. In diesen Spielen geht es primär vor allem um eines: auf einem Schlachtfeld ganze Armeen von Gegnern mit einem übermächtigen Helden wegzumetzeln. Eine Spielmechanik, die ob ihrer Vermeintlichen Stumpfheit bei gestreckter Spieldauer auch seid jeher Kritik ausgesetzt war.
Aufgrund der bei Fans anhaltenden Beliebtheit solcher Titel gab es dennoch schonbald diverse Ableger für verschiedene Franchises, darunter One Piece, Fire Emblem oder eben The Legend of Zelda. So kam schließlich auch das beliebte und vor allem auch mittlerweile im Westen erfolgreiche Persona-Franchise zum Handkuss.
Der lange Weg zu Persona 5 Strikers
Aber muss ein Musou-Titel jetzt wirklich immer dieses monotone Spielprinzip von Schlachtfeld zu Schlachtfeld zu ziehen – nur unterbrochen von halbstündigen Cutscenes – erfüllen? Nein, dachten sich anscheinend die P5S-Entwickler, zu denen neben dem Hauptreihe-Studio ATLUS diesmal auch Omega Force (als Teil von Koei Tecmo) und P-Studio gehören. Für diesen weiteren Warriors-Ableger wich man nämlich verhältnismäßig stark vom üblichen Schema F ab. Heraus kam nun ein Titel, der sich mehr wie eine vollwertige Fortsetzung von Persona 5 anfühlt, als ein einfaches Spinoff, dessen Story notgedrungen irgendwo im Kanon untergebracht wurde.
Aufgrund dieser Tatsache, muss ich an dieser Stelle etwas klarstellen: Persona-Neulinge werden es mit P5S (oder Persona 5 Scramble: The Phantom Strikers, wie das Game offiziell in Japan genannt wird) sehr schwer haben. Das Game setzt nämlich fast nahtlos an den Ereignissen aus dem Hauptspiel an und schert sich wenig darum, die vielen verschiedenen Charaktere auch nur in einem Nebensatz einzuführen. Für Persona-Insider und jene, die den 5. Teil gespielt haben, ist das super praktisch. Der große Rest, der “mal einen Blick in dieses neue Hack & Slay riskieren will”, wird hingegen in den ersten paar Stunden überhaupt nur Bahnhof verstehen.
Deshalb der Hinweis an dieser Stelle: es macht wenig Sinn, P5S zu zocken, wenn ihr Persona 5 noch nicht durchgespielt habt oder gar nicht kennt. Insofern ihr die Gelegenheit habt, den 2016 erschienenen Titel nachzuholen, tut das auf alle Fälle! Nicht nur aufgrund der fast schon notwendigen Vorbereitung auf P5S, sondern auch, weil dieses über 100 Stunden andauernde JRPG zu den besten seines Genres gehört. Der Weg zu Persona 5 Strikers ist zwar ein steiniger, dafür werdet ihr anschließend umso mehr belohnt werden!
Insofern ihr euch die zahlreichen Stunden für Persona 5 auf keinen Fall antunt wollt, haben wir auch noch eine Zusammenfassung des Hauptspiels für euch vorbereitet. Diese gibt noch einmal einen Einblick in die wichtigsten Geschehnisse und erklärt alles für P5S notwendige, sodass ihr im Ernstfall wirklich gleich mit dem Musou-Game loslegen könnt.
Wiedersehen macht Freude
Wie schon eingangs erwähnt, ist Persona 5 Strikers nicht das klassische Musou-Game. Ganz im Gegenteil! Nach einem kurzen Intro, in dem die grundsätzlichen Spielmechaniken mehr als Showcase als wirkliches Tutorial für den Spieler erklärt werden, werden wir erstmal für eine ganze Weile in die Geschichte geworfen. P5S spielt ein halbes Jahr nach den Ereignissen aus dem Hauptspiel. Joker kehrt in den Sommerferien in die Großstadt Tokio zu seinen Freunden zurück.
Und obwohl sich einige Dinge seit ihrem letzten Treffen geändert haben ändern sich einige Dinge doch nie. Ryuji ist immer noch der begriffstutzige aber liebenswerte Hampelmann der Gruppe und Morgana ist immer noch bis über beide Katzenohren in Lady Ann verknallt. Auch in der Parallel-Welt der Schatten hat sich offensichtlich nicht genug getan und es tummeln sich immer noch Palastherren in ganz Japan herum, die schleunigst einem Sinneswandel unterzogen gehören.
Da fackelt unsere eingespielte Phantomdiebe-Truppe natürlich nicht lange und geht der Sache auf den Grund. Unterstützt werden sie diesmal von der KI Sophia, die sich als wertvolle Verbündete für die Freunde erweist. Als weiterer Kampfgefährte oder durch die Bereitstellung eines Online-Shops stellt sie auch für uns als Zocker eine echte Hilfe dar. Einziger Wermutstropfen an der Integration dieser neuen Figur ist für mich als Spieler der Directors Cut-Version Persona 5 Royal, dass die dort eingeführten bzw. ausgebauten Figuren Akechi, Maruki und vor allem Kasumi überhaupt keine Rolle spielen, diese im Endeffekt gar nicht in der Form existieren, da sich P5S die ursprüngliche Version von 2016 als Basis nimmt und nicht die überarbeitete von 2019.
Abgesehen davon fühlt sich die erneute Zusammenkunft mit Joker, Makoto, Yusuke und Co. aber wie Balsam für die Seele an. Viel Zeit mit den liebgewonnenen Charakteren zu verbringen und sie bei ihren Abenteuern zu begleitern war schon ein großer Pluspunkt im Hauptspiel. Diesen Faktor hat man sich auch für das Spinoff wieder herausgepickt, obwohl das meiner Auffassung nach nicht unbedint zu erwarten war. Ich fühle mich schon nach einer halben Stunde im Game schon wieder komplett angekommen und wenn das erste “For Real” von Ryuji ertönt, wundere ich mich selbst eigentlich, wie sehr ich diese Protagonisten und ihre Macken ins Herz geschlossen habe. An diesen Stellen produzieren die Entwickler zahlreiche Fanservice-Momente, die fast nie erzwungen wirken und sich nahtlos in die Handlung eingliedern.
Elegante Gesellschaftskritik
Apropos Handlung. Dies darf bei Persona-Games bekanntlich auch nie zu kurz kommen. Wer sich eine bierernste Story ohne den gewissen JRPG-Touch erhofft hat, wird enttäuscht werden. P5S ist Persona durch und durch. Dennoch trauen sich die Entwickler erneut, problematische Themen unserer modernen Gesellschaft zu beleuchten. Korruption, Geldgier oder Bullying werden erneut in die Geschichte miteingewoben, bilden für einzelne Abschnitte sogar so etwas wie ein Leitmotiv.
Diesem ganzen narrativen Konstrukt übergeorndet steht das Thema der sich ständig weiterentwickelnden Technik und wie diese unseren Alltag beeinflusst. Ja technischer Fortschritt ist super, wie man das im Game an unserer KI Sophia erkennen kann. Sie findet in windeseile die Beste Route für unsere Phantomdiebe quer durch Japan, da wir uns in diesem Abenteuer nicht ausschließlich auf Tokio beschränken. Sophia ist schon eine echte Hilfe.
Gleichzeitig führt die Technik in Form von Smartphone-Apps dazu, dass wir Menschen unfreiwillig unserer Begierden beraubt und so zu willenlosen Sklaven “höherer Mächte” degradiert werden. Das ist teilweise schon sehr tiefgründiger Tobak. Die weiterführende en détail Umsetzung in einzelnen Dialogen und Handlungen ist dann schon eher wieder aus der Kategorie Vorschlaghammer. Dennoch bleiben die Intentionen klar und nachvollziehbar, Charaktere bleiben sich stehts treu und deshalb wirkt die Szenerie auch nicht aufgesetzt.
Alles in allem hat man einen würdigen Story-Rahmen gefunden, der sich in die bisherigen Entwicklunen rund um die Phantomdiebe eingliedert. Spannend ist auch der Umstand, dass sich uns unsere Nachforschungen nach den neuen Übeltätern wie angesprochen auf ganz Japan ausdehnen. So bekommen wir alle paar Stunden ein neues Setting vorgesetzt, das immer wieder neue Anreize bietet und den Spielfluss somit am Laufen hält.
Auch die Paläste – oder wie die Dungeons in P5S jetzt heißen – Gefängnisse können sich wieder auszeichnen. Zwar sind diese in punkto Leveldesign nicht ganz auf dem Niveau von Persona 5, das ist aber der gänzlich anderen Gameplay-Struktur geschuldet. Für die Massenschlachten braucht man eben geräumige Areale, keine verwinkelten Gänge.
Persona 5 Strikers Review: Dungeons und Gameplay
Und dennoch wurden wieder viele bewährte Elemente aus dem großen Vorbild hineinverpflanzt. Das fängt bei stimmig ge-remixten Versionen von absoluten Persona 5-Kult-Tracks wie “Rivers in the Desert” oder “Life Will Change” an. Beim finalen Eintreten in den Dungeon (bevor man dem örtlichen Boss den obligatorischen Sinneswandel verpasst) habe ich mich schon gefragt, ob das dafür vorgesehene Thema auch in Persona 5 Strikers wieder erklingt. Und tatsächlich wird die E-Gitarre angeschmissen! Sofort bin ich in der notwendigen Stimmung und Euphorie, dem großen Bösewicht seine gerechte Strafe zukommen zu lassen. So ganz nebenbei hat P5S aber auch selbst einige coole neue Stücke beizusteuern. Der von Lin Inaizumi eingsungene Track “Daredevil” sticht da für mich besonders heraus.
Auch auf das eigentliche Gameplay wurde stark Rücksicht genommen. Menüsstruktur, Auswahl der Standard-Gegner, die Einbindung von Elementen über die verschiendenen Personas – an alles wurde gedacht. Das ist erneut ein Punkt, den ich als Persona 5-Spieler sehr schätze. Ich kann mich sofort ins Kampfgeschehen stürzen, ohne mir erstmal die Bedeutung der Ausnutzung von Elementschwächen lang und breit zu Gemüte zu führen.
In den Gefechten selbst fühle ich mich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wie ein Fisch im Wasser. Zu Beginn bin ich tatsächlich ein wenig unsicher, ob sich der Hack & Slay-Stil von P5S mit all den übernommenen Features auch tatsächlich nach Persona anfühlt. Schnell wird mir aber klar: das tut es! Und als ich dann verinnerlicht habe, dass sich Persona 5 Scrambe: The Phantom Strikers auch wirklich so spielen lässt wie das Hauptreihen-JRPG – nur eben flotter und nicht rundenbasiert – ist es sowieso um jegliche Zurückhaltung geschehen. Wie im Flug husche ich von Gefecht zu Gefecht, während ich mich immer unentwegt hinter Abdeckungen verstecke um – natürlich wie im Hauptspiel – aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Ob der Massenschlachten haben sich die Entwickler aber auch ein paar neue Gameplay-Szenen einfallen lassen. So muss man an gewissen Stellen im Gefängnis ein Schoss hecken, was Zeit beansprucht. Während unsere IT-Spezialistin Futaba also den Hack startet müssen wir sie für die Dauer des Prozesses vor unliebsamen Schatten beschützen, die auch sogleich aus allen Richtungen heranströmen. Diese zeitliche Herausforderung stellt ebenso ein nettes Feature dar wie die immer mal wieder eingestreuten Kämpfe gegen Mini-Bosse. All das stellt zwar keine Welt-bewegenden Änderungen oder gar Neuheiten dar, sorgen aber gemeinsam dafür, dass die kompakten Dungeons – die sich anders als in Persona 5 nur über wenige Tage strecken – immer genug Abwechslung bieten.
Mangelndes Zeitmanagement
Allerdings beraubt sich P5S an dieser Stelle auch ein wenig einer der größten Stärken des Hauptspiels: nämlich das permanente Zeitmanagement. Im JRPG musstet ihr euch entscheiden, mit wem ihr am Nachmittag nach der Schule eure Zeit verbringt. Angle ich lieber mit Ryuji um so meine Bindung zu ihm zu verstärken oder nehme ich an der Burger-Challenge teil um meinen Charme aufzuwerten? In den Dungeon sollte ich auch mal wieder zurück und dort Fortschritt generieren. Schließlich läuft meine Frist für diesen schon in 4 Tagen ab!
Das alles sind in Persona 5 lebenswichtige Entscheidungen, die euch in Persona 5 Strikers weitestgehend genommen werden. Es gibt zwar Social-Links, allerdings nicht für einzelne Team-Mitglieder, sondern nur für die gesamte Gruppe. Wann ihr diese auslöst wird euch vom Spiel auch weitestgehend vorgegeben, wenn diese nicht gerade sowieso mitleveln. Zumindest könnt ihr euch für das Stärken eurer Bindung einige wichtige Skills kaufen, die euch in den weiteren Dungeons große Vorteile bieten.
Richtiger Zeitdruck besteht aber dennoch nie. Kommt ihr einmal in einem Gefängnis nicht weiter und müsst dieses verlassen so wäre in Persona 5 der Tag für euch zu Ende. Versucht es morgen wieder! In Strikers verharrt ihr nach dem Verlassen immer noch am selben Tag, solange, bis ihr in der Story des Dungeons weit genug fortgeschritten seid. Dann wechselt der Tag automatisch. Bei all den gut integrierten Features hätte man das Zeitmanagement auch noch irgendwie unterbringen können. Hier hat man aus Entwickler-Sicht wahrscheinlich gedacht, dass dieser Part zu viele alteingesessene Warriors-Fans abschrecken könnte.
Kaufempfehlung für Hauptspiel-Kenner!
Persona 5 Strikers Review Fazit
Ihr habt es meinen bisherigen Ausführungen sicherlich schon entnommen: ich finde Persona 5 Strikers richtig gut! Der Spagat zwischen actiongeladenem Musou-Hack & Slay und japanischem Rollenspiel mit Visual Novel-Elementen ist den Entwicklern bravourös gelungen. Die Synergie aus abgeändertem Gameplay und bewährten Elementen funktioniert auch in Kombination mit der hinzugekommenen Story richtig gut. Unterm Strich fühlt sich das Spinoff deshalb mehr wie eine gelungene, direkte Fortsetzung an, als wie ein notdürftig zusammengetragenener Abklatsch von bereits bekanntem Genre-Mustern.
Für Persona 5-Kenner gibt es daher eine klare Kaufempfehlung! Für den Rest gilt: auf alle Fälle zuerst Persona 5 durchzocken! Um das volle Ausmaß von Strikers mit all seinen versteckten Anspielungen und liebgewonnenen Charakteren genießen zu können, muss man das Hauptspiel zuvor einfach erlebt haben. Wer dieses nicht gezockt hat, sollte das ungedingt noch nachholen, ansonsten wird man im aktuellen Titel absolut keine Zusammenhänge verstehen. Wem das dennoch vollkommen egal ist, der wird dennoch viel Spaß mit dem Game haben. Die Kämpfe sind Franchise-treu gestaltet und spielen sich abwechslungsreich genug, dass man sich ohne Müdigkeitserscheinungen von Kapitel zu Kapitel schnetzeln kann.
Als Abschluss zum Persona 5 Strikers Review möchte ich auch das Lob an die Entwickler nicht unter den Tisch kehren. Wenn man schon ein gut laufendens Franchise weiterverwurschtelt, dann doch bitte so wie ihr! Meinen Segen haben ATLUS und Co. auf jeden Fall für den ersten Third-Person-Shooter aus dem Persona-Universum.