Seen on Earth: Das Schöne und das Biestige im Kunst Haus Wien
Ökologie trifft auf Kunst
„Seen on Earth“, die neue Fotoausstellung des Kunst Haus Wien, die vom 17. März bis 30. Juni 2016 in der Galerie im Untergeschoss betrachtet werden kann, zeigt auf eindringliche Weise drei internationale Positionen, die sich unterschiedlich mit der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt auseinandersetzen. Die KünstlerInnen Mandy Barker, Eduardo Leal und Simon Norfolk arbeiten mit der Fotografie, einem der wirksamsten Mittel, um durch Menschen verursachte Umweltschäden zu dokumentieren. Ihre auf drei verschiedenen Kontinenten – Afrika, Amerika und Asien – aufgenommenen Bilder zeigen die global fortschreitende Verschmutzung der Umwelt und die daraus resultierenden Auswirkungen auf Vegetation, Klima und das sich verändernde Ökosystem auf. Sie versuchen, für die Thematik zu sensibilisieren, die, unabhängig vom Ort des Geschehens, die gesamte Menschheit betrifft. Die drei KünstlerInnen wurden 2015 mit dem EarthAward von LensCulture, einer der weltweit größten kuratierten Online-Plattformen für zeitgenössische Fotografie, ausgezeichnet.
Eindrücke von der Ausstellung
Das Schöne und das Biestige
Wie bringt man Menschen dazu, das, man muss es leider so sagen, beinahe schon „öde“ Thema Umweltverschmutzung nahe bzw. wieder ins Bewusstsein zu bringen? Mit Schönheit, könnte die Antwort im Kontext der Ausstellung „Seen on Earth“ lauten. Tatsächlich versuchen alle drei KünstlerInnen den (Um-)Weg über eine Ästhetisierung der Verschmutzung zu gehen, was – teilweise fast zu gut – gelingt: Als BetrachterIn fühlt man sich von den Bildern seltsam angenehm angetan. Erst beim genaueren Hinsehen bemerkt man, dass diese Ästhetik gebrochen wird – durch die einfache Tatsache, dass man den Müll als solches identifiziert. Besonders zeigt dies das Bild „Lotus Garden“ aus der Serie „Hong Kong Soup: 1826“ von Mandy Barker:
Dieses Arrangement ließe sich fast als bezaubernd bezeichnen – es ist wohl nicht umsonst das Titelbild der Ausstellung –, würde man auf den zweiten Blick nicht erkennen, dass es sich bei der Blütenpracht um weggeworfenes Plastik handelt. Barker weist in dem Namen ihrer Serie bereits auf den Ursprung der von ihr in ihren Werken verwendeten Objekte hin: Es sind in akribischer Arbeit von Hongkongs Stränden gesammelte Überreste der 1826 Tonnen Müll, die täglich (!) in Hongkong weggeworfen werden. Die Plastiküberreste sind kategorisierend, fast systematisch auf ihren Bildern angeordnet; das Schöne offenbart erst bei genauerer Betrachtung das Biest in sich.
Ähnlich geht der Künstler Eduardo Leal bei seinen Bildern vor: Da sieht das Plastik, das sich weit weg von seinem Verwendungsort nach einer Reise mit dem Wind in eigentlich unberührter Natur der bolivianischen Hochebene Altiplanot verfängt, fast entrückt, beinahe wie ein Teil davon aus – dabei hat Plastik je nach seiner Zusammensetzung eine lange, sehr lange Abbauzeit. Wenn die Pflanzen bzw. Bäume, in denen dieser Plastikmüll hängt, längst vergangen sind, wird es noch immer bestehen:
Einen etwas anderen Zugang wählt Simon Norfolk: Seine Bilder sind zwar mindestens ebenso ästhetisch wie jene der anderen beiden KünstlerInnen, dokumentieren aber nicht etwas, das im Überfluss da ist, sondern etwas, das gerade wegen der Umweltverschmutzung verloren geht: Eismassen. Norfolk visualisierte mithilfe historischer Landkarten und moderner GPS-Technik die ehemaligen Umrisse des Lewis-Gletschers. So schön seine Aufnahmen sind, so schmerzhaft führen sie den BetrachterInnen vor Augen, welche Fülle an Süßwasserreserven durch die Klimaerwärmung schlicht wegschmilzt.
Nach dem Presserundgang durften wir nach einleitenden Worten von Bettina Leidl, Leiterin und Geschäftsführerin des Kunst Haus Wien, der von Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher Greenpeace, moderierten Podiumsdiskussion lauschen, bei der sowohl die Kuratorin, Verena Kaspar-Eisert, als auch die KünstlerInnen Barker und Norfolk – Leal war leider nicht vor Ort – Fragen zu ihrem Wirken beantworteten. Dabei wurde nicht nur die technische und handwerkliche Komponente der Arbeit der KünstlerInnen beleuchtet – Norfolk berichtete z. B. über Probleme mit den Kameraakkus, die nur bis zu einem gewissen Grad an Kälte funktionstüchtig bleiben –, sondern auch über die Wirkmächtigkeit der Bilder diskutiert. Konsens war, dass die KünstlerInnen versuchen, die BetrachterInnen mit der Schönheit ihrer Werke zuerst gleichsam einzufangen und dann zum Nachdenken anzuregen.
Die Ästhetisierung des Hässlichen – des Biests – mag zwar kein neuer Ansatz sein, aber er generiert noch immer Emotionen. Im schlechtesten Fall sehen die BetrachterInnen die Kunst, das Schöne in den Bildern und sind um eine Kulturerfahrung reicher; im besten Fall überlegen sie es sich beim nächsten Einkauf zweimal, unhinterfragt Müll zu produzieren, der in 100 oder mehr Jahren vielleicht das Bild eines/einer KünstlerIn zieren wird.
Ihr könnt euch „Seen on Earth“ von 17.3. bis 30.6. täglich von 10 bis 18 Uhr ansehen, ebenso die thematisch korrespondierende Ausstellung „Climate Changes Everything“ in der Kunst-Haus-Garage. Der Eintritt für beide Ausstellungen ist frei!