Shogun Kritik: Erstes Highlight des Jahres auf Disney+

von Michael Neidhart 22.03.2024

Shogun ist eine epische Serie, die uns mitnimmt auf eine faszinierende Reise ins Herz des alten Japans. Basierend auf dem preisgekrönten Roman von James Clavell, überzeugt die Verfilmung nicht nur durch eine herausragende Besetzung, sondern auch durch eine fesselnde Bildsprache, die die Schönheit und Tiefe der japanischen Kultur einfängt. Dazu braucht es anno 2024 nicht mal einen Tom Cruise.

Shogun Cast glänzt

Die Serie brilliert unter anderem durch die Leistungen ihrer talentierten Schauspieler:innen. Cosmo Jarvis verkörpert geschickt den englischen Seefahrer und Protagonisten John Blackthorne, der in den Wirren des 17. Jahrhunderts in Japan strandet. Wird er zunächst wie eine gefährliche Krankheit behandelt, die man nicht auf der Insel haben möchte, erkennt der japanische Lord Yoshi Toronaga (Hiroyuki Sanada) langsam aber sicher seinen Nutzen. Sanada kennen wir natürlich aus Last Samurai und, aktueller, aus Bullet Train. Seine Art zu spielen ist so intensiv und einnehmend, dass er seine Rollen nicht nur spielt, sondern wahrlich verkörpert. Aber Chamberlain kann sehr gut mit ihm mithalten und die Dialoge der beiden gehören zu den Highlights der Serie. Und das obwohl sie sich am Anfang gar nicht verstehen können.

Ebenso beeindruckend ist die Leistung von Anna Sawei als Toda Mariko, eine adlige Japanerin, die Blackthorne auf seinem Weg begleitet. Saweis Präsenz auf dem Bildschirm ist von Anmut und Stärke geprägt, und sie verleiht Mariko eine Tiefe, die unweigerlich fesselt. Sie gibt kaum einmal den Blick hinter ihre Fassade frei und zeigt dennoch gerade so viel Gefühl, dass man mehr über sie erfahren möchte. Sie ist es auch, die Blackthorne in die Riten und Zeremonien der japanischen Kultur einführt und ihm erklärt, wann es besser ist, mal die Klappe zu halten. Die Geschichte in Shogun tragen aber nicht nur die Hauptfiguren. Jede große und kleine Rolle ist top besetzt, was der Serie eine hohe Authentizität verleiht.

Bewegte Gemälde

Die Bildsprache von Shogun ist atemberaubend. Die malerischen Landschaftsaufnahmen und die detailreiche Ausstattung versetzen den Zuschauer direkt ins Japan am Beginn des 17. Jahrhunderts. Jede Szene ist sorgfältig komponiert und trägt dazu bei, die Atmosphäre und den Geist dieser fernen Epoche einzufangen. Das gilt nicht nur auf der Schau-Ebene, es sind vor allem Details, die dieses stimmige Bild erzeugen. So stehen Mariko und Blackthorne in einer Szene auf kleinen Felsen an der Küste und blicken aufs Meer hinaus. Dann gibt es ein kleines Erdbeben, für den Engländer eine komplett unbekannte Erfahrung. Mariko antwortet mit einem nachdenklichen “Unsere Häuser sind so schnell zu errichten, wie sie wieder zusammenstürzen. Denn Tod lauert in der Luft, in der See und in der Erde. Wir leben und wir sterben, alles andere können wir nicht beeinflussen.”

Besonders beeindruckend ist auch die Darstellung der japanischen Kultur. Der hohe Grad an Perfektion  und die Intensität auch alltäglicher Dinge, wie das Zusammenlegen und Falten von Decken oder die traditionelle Zubereitung von Tee, erzählen von einer Hingabe, die ein schöner Kontrast zur gefühlten Hektik des Alltags ist.  Shogun gibt einen faszinierenden Einblick in die Lebensweise und die Wertvorstellungen dieser Zeit und Welt. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Clans und die Bedeutung von Ehre und Loyalität werden dabei ebenso eindrucksvoll dargestellt. Darüber hinaus streut die Serie geschickt Hinweise auf historische Ereignisse und Orte ein, was immer wieder dazu einlädt, im Anschluss an eine Episode in den Recherche-Modus überzugehen.

Erstes Serien-Highlight des Jahres

Insgesamt ist Shogun eine Meisterleistung der Fernsehunterhaltung, die mit ihren erstklassigen Schauspieler:innen, ihrer beeindruckenden Bildsprache und ihrer Darstellung der japanischen Kultur und Geschichte begeistert. Eine Serie, die man gesehen haben muss, um ihre volle Wirkung zu erleben. Außerdem hat Disney wieder versucht, ein bisschen an das lineare Fernsehen anzuknüpfen. Zu Beginn gab es nur zwei Folgen und seitdem warte ich Woche für Woche auf die nächste. Wie früher, als es fürs Binge-Watchen noch DVD-Boxen brauchte.