StarCraft: Remastered Test – Mit Altes und Scharf
Manche Dinge werden nicht alt. Ob das auch auf den vermeintlich „zeitlosen“ Klassiker StarCraft aus dem Jahr 1998 zutrifft, will ich in meinem Review herausfinden. Moment mal, ein Review zu StarCraft, fast 20 Jahre nachdem das Spiel erschien? Ja! Denn vor Kurzem hat Blizzard eine Lanze für die Fans gebrochen, und den Tite, der einst das Echtzeit Strategie-Genre revolutionierte, remastert: Das Original StarCraft samt dem Add-on Brood War. Wie gut die Weltraum-Schlacht zwischen schleimigen Zerg, edlen Protoss und verwegenen Terranern im Jahr 2017 angekommen ist, lest ihr in meinem StarCraft: Remastered Test.
Wenn ihr auf diesen Artikel geklickt habt, kann ich davon ausgehen, dass euch die Marke StarCraft, das Genre Echtzeit Strategie, und der Hersteller Blizzard grundsätzlich geläufig sind. Vielleicht habt ihr auch bereits den zweiten Teil der Serie mit seiner cineastischen Handlung und moderner 3D-Grafik gespielt. StarCraft: Remastered bietet ebenfalls moderne HD-Grafik, eine für RTS-Verhältnisse komplexe Singleplayer-Kampagne, sowie die Anbindung ans Blizzard Battle.NET und die Launcher-App. Darüber hinaus ist das Gameplay aber völlig unangetastet geblieben. Das ist gleichermaßen Fluch und Segen. Manche Dinge werden eben doch alt, insbesondere Computerspiele.
StarCraft definierte Standards
Einen so alten Titel zu remastern, ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich zielt die grafische Politur darauf ab, neue, jüngere Käuferschichten zu erschließen. Auf der anderen Seite hat StarCraft insbesondere im asiatischen Raum nach wie vor einen hohen Stellenwert im eSport. Anders als sein durchwachsener Nachfolger gilt StarCraft: Brood War nach wie vor als eines der fairsten und ausbalanciertesten Spiel, das je erschaffen wurde. Und das, obwohl man mit drei völlig unterschiedlichen spielbaren Rassen ein großes Wagnis einging. Bis dahin waren die bekannten Parteien üblicher RTS-Titel einfache grafische Abwandlungen ein und desselben Spielprinzips. Zerg, Protoss und Terraner boten erstmals tiefgreifende Unterscheidungen, die Strategien wie Rushen, Bunkern oder Scouten überhaupt erst möglich/nötig machten.
Komfort-Features gab es damals nicht
StarCraft hat das RTS Genre über Nacht revolutioniert. Es definierte Standards, die bis heute ihre Gültigkeit haben. Alle nachfolgenden Titel konnten dieses Fundament lediglich verbessern, aber nie erneuern. In StarCraft II freuen SpielerInnen sich über frei belegbare Hotkeys, unlimitierte Einheiten-Selektion und gruppierbare Produktionsgebäude. Dinge, die aus heutigen Strategiespielen kaum mehr wegzudenken sind. Genau diese Komfort-Features sind es, die ein Spiel von 1998 heutzutage alt wirken lassen. Allzu oft musste ich mir auf die Lippen beißen, weil all meine Kasernen sich nur einzeln anklicken lassen, um Einheitennachschub zu produzieren. Oder der praktische Knopf, der untätige Arbeiter markiert – nicht vorhanden! Ob meine WBFs fleißig Minerale und Gas fördern, kann ich nur durch akribisches Durchforsten der Karte herausfinden.
Kampagne anno dazumal
Auch die Kampagne ist nicht mehr so zeitgemäß, wie man es von modernen RTS-Titeln gewohnt ist. Wo StarCraft II: Wings of Liberty mit liebevoll inszenierten, und professionell animierten Ingame-Cinematics seine Handlung vorantreibt, bietet StarCraft lediglich trockene Missions-Briefings, und alle paar Missionen eine CGI Render-Sequenz. Die könnte heutzutage ein Taschenrechner in Echtzeit berechnen. Natürlich sind die kurzen Clips kultig und drücken auf die Nostalgie-Drüse. Wesentlich zur Handlung und zum Wow-Faktor tragen sie aber nicht mehr bei.
Kommen wir zu den Dingen, die StarCraft: Remastered würdevoll ins neue Jahrtausend retten. Da wäre zum ersten die Grafik. Schon 1998 konnte der Titel durch liebevoll animierte Sprites, tolle Set-Pieces und passable Effekte überzeugen. Alle Assets wurden von Blizzard aufwändig restauriert. Einheiten-Portraits erstrahlen in neuem Glanz, und wenn man ganz genau hinsieht, entdeckt man so manch kleines Detail, das Anno dazumal im Pixelsumpf unterging. Wusstet ihr beispielsweise, dass der terranische Geschützturm tatsächlich bemannt ist?
Auch einem anderen Umstand moderner Grafikhardware zollt die Remastered-Version Tribut: dem 16 zu 9 Seitenverhältnis. Links und rechts des originalen Bildausschnittes kommt noch mal eine ordentliche Portion Pixel dazu. Und wenn man schon den Bildausschnitt ändert, kann man ihn auch gleich zoombar machen, dachte man sich wohl bei Blizzard, und spendierte der Remastered-Version obendrein eine Supreme Commander-mäßige Total-Ansicht.
Klangwunder
Neben den Grafiken wurde auch der Sound von StarCraft komplett neu abgemischt. Die eingängigen Rhytmen des Originalspiels klingen nun weniger Blechern, und sehr viel zeitgemäßer. Wer seinerzeit StarCraft gespielt hat, wird sofort wieder Ohrwürmer vom Synthie-Gedudel der Terraner bekommen.
StarCraft: Remastered Test-Fazit
Die rosarote Brille funktioniert bei der modernisierten Grafik blendend
Mit einer grafischen Neuauflage von StarCraft wollte Blizzard wohl vor allem treuen Fans aus Korea eine Freude machen. Die nach wie vor blühende esports-Szene wird sich über die Remastered-Version sicher einen Ast abfreuen. Endlich wieder mit Lurkern gegen Marines und Medics zu Felde ziehen, und mit Dragonern und Zealots ganze Planeten einäschern. Normalsterbliche Fans der Serie, die, wie ich, die Kampagne von StarCraft genossen haben, werden einen gewissen Kulturschock erleben. Die rosarote Brille funktioniert bei der modernisierten Grafik blendend, das etwas eingerostete Gameplay hält dem Vergleich mit modernen RTS-Spielen wie StarCraft II aber nicht Stand.
Wer Hoffnungen hegte, es würden sich viele Neulinge zurück ins Battle.NET wagen, um ein paar gute alte Runden Bunkern und Basteln auszutragen, wird enttäuscht werden. Auch weiterhin fallen die Profis über achtlose Noobs wie mich her, wie Fliegen über einen Misthaufen. Ein passables Matchmaking sucht man vergeblich. Nach vier hoffnungslos unterlegenen Partien, die mich keine 5 Minuten überleben ließen, habe ich meine Profi-StarCraft-Karriere ein zweites mal ohne große Lorbeeren an den Nagel gehängt.
Was bleibt, ist eine kurze, aber visuell überzeugende Rückkehr in meine Spiele-Jugend, die mir trotz meines verwöhnten Komfort-Bedürfnisses ein angenehmes Flashback beschert hat. Für Blizzard selbst ist StarCraft: Remastered wohl ein Testballon für künftige RTS-Projekte, und ein Fanservice für eine seit Jahrzehnten treue Fangemeinde. Uneingeschränkt empfehlen kann man dieses Update wohl nur Menschen, die auch nach 20 Jahren noch einen APM jenseits der 100 vorweisen können.