Steinzeit 2.0: Der Horizon: Zero Dawn Test
Momentan scheinen die Maschinen immer smarter und die Menschheit immer dümmer zu werden. Ein Bild davon, wie sich diese Entwicklung fortsetzen könnte, liefert der neue PS4-Exklusivtitel Horizon: Zero Dawn. Doch ist das Open World Game nur ein weiteres unter vielen? Wieviel Far Cry Primal steckt in Aloys Abenteuer? Diese Fragen beantworte ich in meinem Horizon Zero: Dawn Test.
Nomen est omen?
Wer Aloy genau ist, wie die matriarchalen Strukturen des Nora-Clans funktionieren und einige andere Story-Details hat meine Kollegin Mari ja schon in ihrem Who-is zur Hauptakteurin beantwortet. Darum werde ich mich an dieser Stelle gar nicht mehr lange mit der Geschichte befassen. Ein paar Worte zur Entwicklung der Story möchte ich aber in meinem Horizon: Zero Dawn Test noch verlieren.
Die ist nämlich in mehrerlei Hinsicht sehr interessant und startet sehr mysteriös. Während der ersten paar Stunden in meinem Horizon: Zero Dawn Test frage ich mich viele Dinge. Wie und warum sind die Old Ones, also die frühere menschliche Zivilisation, zugrunde gegangen? Warum sind Rost und Aloy ausgestoßen? Wie soll es möglich sein, dass sie keine Mutter hat? Auch Raum für Interpretation ist durch die Namen gegeben. Der Name Aloy besitzt nämlich frappierende Ähnlichkeit mit dem Englischen Wort für Legierung, also einer Verschmelzung zweier Metalle.
Guerilla Games schafft es, zudem, mit Aloy eine einerseits sanftmütige und dennoch starke weibliche Protagonistin einzuführen. Der agilen Jägerin wird nämlich vor allem durch gelegentlich eingestreute moralische Entscheidungen Persönlichkeit verliehen. Im Gegensatz zu Action-Ikone Lara Croft wird sie nicht erst durch eine Folter-Tour-de-Force gepeitscht und schließlich zur männermordenen Ein-Frau-Armee stilisiert. Auch die übersexualisierten Ballonmöpse sparten sich die HolländerInnen zum Glück.
Ubisoft als Inspirationsquelle?
Was das Gameplay betrifft, beschleicht mich während meinem Horizon: Zero Dawn Test innerhalb kürzester Zeit ein sehr bekanntes Gefühl. Abgesehen von den Robo-Tieren, tummelte man sich ja erst im vergangenen Jahr in Far Cry Primal in einer Steinzeit-Open-World herum. Wieviel von Ubisofts Steinzeit Shooter steckt also in Horizon: Zero Dawn? Die schnöde Antwort: Alles.
Egal ob Crafting-On-The-Go, Waffenauswahl, Kräutersammeln, die Jagd oder das „Zähmen“ von „Reitmaschinen“. Sogar wandelnde Ubi-Türme haben es ins Spiel geschafft. Horizon: Zero Dawn ist Far Cry Primal in Third Person. Besitzt es dann überhaupt Berechtigung? Ja, das tut es. Dafür ist vornehmlich das taktischere Kampfsystem verantwortlich.
Manchmal kommt es doch auf die Größe an
Zum einen muss ich erst manche Ziele, wie die wendigen Watcher isolieren, bevor ich mich den anderen Maschinen, wie beispielsweise den behäbigeren, dafür umso kräftigeren Stridern und Scrappern zuwende. Zum anderen scanne ich im Idealfall die einzelnen Widersacher auch erst einmal auf elementare Schwächen. So gehe ich noch effektiver auf die Pirsch. Das macht das Kämpfen auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad sehr dynamisch und somit spaßiger als das etwas überpowerte Eulen-Scouting/-Bombardement aus Far Cry Primal.
Ein besonderes Highlight ist auch der Kampf gegen einen riesigen Techno-T-Rex. Der will erst einmal am Boden verankert werden, bevor Aloy zum Todesstoß ansetzen kann. Auch das Fallenstellen mit dem Tripcaster macht mir in meinem Horizon: Zero Dawn Test sehr viel Spaß. Es zaubert mir jedesmal ein befriedigtes Lächeln ins Gesicht, wenn ich mit meinen Fallstricken einen Sawtooth zu Boden zwinge.
Du hast die Haare schön!
Die in Horizon: Zero Dawn schlummernde Decima-Engine zaubert definitiv visuellen Bombast auf den Bildschirm. Vor allem ist es eines der Spiele, die von der Grafikpower der PS4 Pro profitieren und die somit flüßig laufen und auch noch großartig aussehen. Die Partikeleffekte sind sehr schön und üppig, gehören mittlerweile aber schon zum guten Ton der aktuellen Games-Generation. Eines ist aber wirklich bemerkenswert: die Haarpracht der Charaktere. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich in einem Game schon einmal so schön animierte und stofflich wirkende Frisuren gesehen habe. Auch die Beleuchtungseffekte sind natürlich allererste Sahne
Ein bisschen Kritik auf hohem Niveau kann man an den Mimiken. Die Gesichter sind zwar sehr detailliert skulptiert, aber gelegentlich wirkt das mimische Ausdrucksvermögen mancher Charaktere etwas starr. Das ist aber wirklich schon i-Tüpfelreiterei. Manchmal ploppen Kreaturen und weiter entfernte Umgebungsobjekte auch einfach auf und die Texturen verschwimmen etwas. Ansonsten kann ich mich in meinem Horizon: Zero Dawn Test ganz und gar nicht beschweren. Die Spielwelt ist abwechslungsreich. Sie bietet von satten Grasländern über schneebedeckte Bergkämme bis hin zu karstigem Wüstensand alles, was der/die erkundungsfreudige ZockerIn sich nur wünschen kann.
Der Horizon: Zero Dawn Test – das Fazit:
Aloys Abenteuer kann eigentlich von Minute eins an auf ganzer Linie überzeugen. Die Charaktere wirken lebendig und allein der erzählerische Kniff, dass man die ausgestoßene Aloy schon als Kind kennenlernt, sorgt für ordentlich Bindung an die Protagonistin. Infos über die übergeordnete Handlung des Universums gibt Guerilla Games wohl dosiert preis. Das hält mich bei Laune meine Neugier aufrecht.
Wenngleich das Spiel schon vor Far Cry Primal auf der E3 2015 angekündigt wurde, wirkt das Gameplay im Detail fast schon 1:1 abgekupfert. Den Vorwurf müssen sich die HolländerInnen also gefallen lassen. Aber auch, wenn das tatsächliche Neolithikum erst letztes Jahr in Oros als Tummelplatz diente, so bietet die postmoderne Steinzeit mit ihren Roboterwesen definitv genügend designtechnische Alleinstellungsmerkmale. Im Gegensatz zum x-ten Modern-Military Shooter verbrauchen gerade einmal zwei Games ein solches Setting also nicht.
Jeder der also mit Far Cry Primal schon glücklich war, darf bei Horizon: Zero Dawn bedenkenlos zugreifen und sich auf knappe 80 Stunden großartige Open-World-Action gefasst machen.