Tales of Berseria Test: Die Rache einer starken Frau
Als Anime-, Manga- und J-Games-Experte in unserer Redaktion war es klar, wer den Tales of Berseria Test machen wird – ich. Nach Tales of Zestiria, das vor Rund 15 Monaten erschien, hatte ich auf etwas Innovation gehofft. Doch leider wurde ich enttäuscht … Ob das Spiel trotzdem Lust und Laune macht, erfahrt ihr in meinem Tales of Berseria Test.
Halbherziger Turbo-Games-Journalismus
Wenn ich mir die Tests von so manchen KollegInnen anschaue, habe ich den Eindruck, als hätten sie nur die ersten zwei bis drei Stunden gespielt. Anders kann ich mir manche Aussagen in den Tests, die offenbar möglichst zum Release online sein müssen, nicht erklären. Manche reden von einer Spieldauer von zwölf bis 15 Stunden (Blödsinn!), andere reden von einer herzlosen, nur von Rache getriebenen Velvet (Blödsinn!), andere wiederum sprechen von einer grandiosen Story, nehmen aber nur das Wort Rachefeldzug in den Mund (Blödsinn!), und dann wäre da noch der Schwierigkeitsgrad in den Kämpfen, der zu leicht sein soll (Blödsinn, es reicht, den Schwierigkeitsgrad im Optionsmenü umzuschalten). Schade, denn das Spiel entfaltet seine wahre Pracht erst nach rund zehn Stunden.
Velvet, der Racheengel
Erstmals im Tales of-Franchise spielt ihr eine Frau. Doch noch etwas ist anders: Die Protagonistin ist kein serientypischer unverbesserlicher Gutmensch, sondern ein rauer Charakter, der alles machen würde, um seinem Ziel, Artorius zu töten, näherzukommen. Aber wie wurde sie so? Eine ausführliche Antwort auf diese Frage findet ihr hier. Für die Kurzversion reicht das folgende Video:
Ein bunter Haufen
Eigentlich ist sie allein auf der Welt: Ihre Familie ist tot, und auch sonst hat sie keine FreundInnen, die ihr bei ihrem waghalsigen Vorhaben weiterhelfen könnten. So trifft es sich ganz gut, dass sie auf ihrer Reise auf eine Reihe von Charakteren trifft, die Ziele verfolgen, die gar nicht so weit von Velvets entfernt sind. Die Gruppe wächst und hat mit einem dämonischen Samurai, einem ursprünglich entführten, willenlosen Malak der Abtei, einer exzentrischen Magierin, einem Piraten, der mit einem Unglücksfluch belegt ist, und einer Exorzistin einiges zu bieten. Gemeinsam machen sie sich auf, um der Abtei, die von Artorius ins Leben gerufen wurde, das Handwerk zu legen. Zwar wird Artorius, der, wie auch Sorey in Zestiria, als Hirte bezeichnet wird, mit seinen Exorzistenfürsten als Retter der Welt vom Volk gefeiert, doch wenn man genauer hinsieht, merkt man, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Des Kaisers neue Kleider
Ein Bonusfeature, das für das Gameplay keinen Wert hat, ist die Charaktermodifikation. Im Spiel gibt es die Möglichkeit, sämtliche Charaktere zu verändern. Das reicht von Kopfbedeckungen über Accessoires bis hin zu Kleidung. So kann eure Gruppe beispielsweise auch im Sommerlook erstrahlen.
Minispiele und alles für die Katz
Die EntwicklerInnen dachten sich wohl, dass das Kämpfen und die Dialoge zu wenig Unterhaltung bieten, und so gibt es im Spiel zahlreiche Minispiele (z. B. eine Art Beer-Tender und diverse Karten- und Kampfspiele), mit denen ihr Zeit verbringen könnt. Diese haben zwar wieder keinen großen Wert für das Erreichen eures Ziels, doch könnt ihr damit weitere Kostüme und Accessoires (wie zum Beispiel das zuvor gesehene Sommeroutfit) freischalten. Das ist doch alles für die Katz, denkt ihr euch vielleicht, und ihr habt recht. Im Spiel gibt es nämlich sogenannte Katz-Kisten, die ihr mit gesammelten Katz-Geister öffnen könnt. Im Inneren wartet immer eine Katz, die euch hin und wieder mit einem neuen Accessoire für eure Charaktere belohnt.
Seefahrt- und Kochabenteuer
Nicht ganz für die Katz sind die Koch- und Seefahrtabenteuer. Nachdem sich ein gewisser Eizen, den wir aus Tales of Zestiria als Ednas Bruder und schwer zu überwindenden Drachen kennen, eurem Team angeschlossen hat, habt ihr die Möglichkeit, in regelmäßigen Abständen eine Schiffsexpedition zu starten. Auf diesen Expeditionen könnt ihr neben Rezepten beispielsweise auch Zutaten erhalten, die ihr in weiterer Folge verkochen könnt. Das wiederum ist äußerst hilfreich, denn wie auch in Final Fantasy XV gewähren euch Gerichte verschiedene temporäre Boni.
Recycling oder Fanservice?
Fans der Reihe haben eine klare Vorstellung von der Welt, doch ich glaube nicht, dass das der Grund ist, warum das Spiel und die Spielwelt sehr stark an Tales of Zestiria erinnern. Es sieht nach Recycling im großen Stil aus, um die doch kurzen Releasezyklen der Tales-Spiele irgendwie auf die Reihe zu bekommen.
So erinnern nicht nur manche Dungeons und Landschaften an den Vorgänger, auch Feinde sehen identisch aus. Auch sonst hat das Spiel keine großen Sprünge gemacht. Die Präsentation ist auf demselben Niveau wie Tales of Zestiria, und auch sonst wurde nicht viel geändert. Weiterhin gibt es Animesequenzen, die echt gelungen sind, sowie die typischen Tales-Dialoge innerhalb der Gruppe.
Die Turtlez, die als Händler an den unmöglichsten Orten auftauchen, Arena-Kämpfe sowie Anspielungen auf bekannte Personen aus dem Tales-Universum fallen für mich hingegen eher in die Kategorie Fanservice als Recycling.
Ein Tales für Frauen?
Warum haben sich die EntwicklerInnen erstmals für eine Frau als Protagonistin entschieden? Vielleicht, weil man ein Spiel vorzugsweise für Frauen machen wollte? Dieser Eindruck wird leider durch diverse Features und Spieldesignentscheidungen unterstützt. So gibt es die Katz-Geister und -Kisten, Schatzkisten – egal, ob Bronze, Silber oder Gold –, die von Beginn an geöffnet werden können, einen Begleiter, der den Mutterinstinkt in den SpielerInnen wecken soll, und vieles mehr. Es wirkt, als hätten MarketingmanagerInnen den EntwicklerInnen gesagt: Egal, wie, es soll mehr Spielerinnen ansprechen. Dass allerdings viele Frauen bessere Spielerinnen als Männer sind und diese Versoftung vielleicht auch dämlich finden, wurde wohl nicht in Betracht gezogen. Ich finde es schade, dass Marketingteams in sämtlichen Bereichen Zielgruppen definieren, auf diese hin etwas optimiert werden soll. Warum kann man nicht ein Spiel für alle gleichermaßen machen?
Tales of Berseria Test-Fazit
Ich war ein großer Fan von Tales of Zestiria, und als das Testmuster ankam, gerade voll in der Welt von Final Fantasy XV gefangen. Als ich dann Tales of Berseria startete, war ich noch unschlüssig, was ich vom Spiel halten sollte. Velvet, die nicht über die kleinste Hürde springen kann, der einfachere Schwierigkeitsgrad sowie Tutorials, die selbst nach zwölf Stunden noch vorkommen, nervten mich. Dann kamen noch das Kampfsystem, das im Vergleich zu Noctis Abenteuer viel zu leicht und viel zu uninspiriert wirkt, sowie eine 0815-Rachegeschichte dazu, die mich noch mehr zweifeln ließen. Doch ich muss gestehen: Stunde für Stunde, die ich Velvet auf ihrem Rachefeldzug begleitete, fesselte mich das Spiel mehr. Die Geschichte und die Interaktion der Charaktere untereinander, die mehr über die Welt und über das, was geschehen ist, verraten, trieben mich an, weiterzuspielen. Was wie ein 0815-Spiel mit 0815-Geschichte anfängt, wird sukzessive spannender. Hier profitiert ihr auch von dem stets veränderbaren Schwierigkeitsgrad, der die Kämpfe etwas interessanter gestaltet.
Zwar sind das permanente „Grinden“ und die vielen Spielstreckungen – „Gehe nach A, um etwas zu holen, und bringe es zurück zu B“, um dann erst den Weg Richtung A fortzusetzen – etwas nervig, aber die Geschichte, die stets das größte Verkaufsargument der Tales-Spiele war, macht vieles wieder gut. Wenn der nächste Ableger allerdings wieder keine großen Neuerungen bietet, wird sich wohl selbst die treueste Fangemeinde nach Alternativen umsehen. Dieses Mal kommen die EntwicklerInnen dank des guten Storytellings jedoch noch mit einem blauen Auge davon.