The Talos Principle Deluxe Edition (PS4) im Test
Bereit für ein philosophisches Abenteuer mit viel Futter für eure Hirnrinde? The Talos Principle Deluxe Edition räumt mit dem Klischee ordentlich auf, dass Rätselspiele stupide und oberflächlich sein sollen. Wir haben uns durch die wunderschönen Irrgärten getestet und geben auch einen Ausblick auf den DLC Road to Gehenna. Lest hier den Testbericht!
Vom Sein oder Nichtsein
The Talos Principle (hier geht es zur offiziellen Website) erfordert ein wenig Commitment von euch. Ähnlich wie in Portal und Portal 2 seid ihr größtenteils auf euch alleine gestellt, wobei euch von einem unsichtbaren Gottwesen manches Mal kluge Kommentare präsentiert werden. Ihr denkt euch in der Ego-Perspektive durch unterschiedliche Zonen, die allesamt in mehrere Kammern unterteilt sind, in denen ihr wiederum Puzzleteile für das Vorankommen finden könnt. In den ersten Spielstunden werden eure grauen Zellen noch kaum gefordert, da der Schwierigkeitsgrad euch ganz unten abholt und langsam, aber sicher immer mehr ansteigt.
Die Story selbst wird euch eher nebenbei präsentiert, viel davon müsst ihr euch selbst zusammenreimen. Viel davon steuert der Gott bei, andere (und auch oft gar nicht so relevante) Dinge findet ihr durch Terminals heraus. Diese Computer stehen dann und wann in der Gegend herum, und euer Protagonist kann sich damit in eine Art Wissensdatenbank mit einer Künstlichen Intelligenz einloggen, nicht unähnlich einem textbasierten Adventure. Im Verlauf der Gespräche werden euch oft philosophisch hochwertige Fragen gestellt, die zwar mit den Rätseln an sich nichts zu tun haben, euch aber auf einer ganz anderen Ebene ganz schön zum Denken bringen werden.
Katze! Und Android. Was steckt dahinter?
Knobeln, bis der Gott kommt
Durch Teleporter kommt ihr in die verschiedensten Fraktionen, wie etwa griechische Umgebungen (Gras und Steine) oder auch in ägyptische Levels (mit Sand und Pyramiden, ihr wisst schon). Mit einem Set von gleichfarbigen Puzzlesteinen könnt ihr die nächste Levelportion freischalten, und die Kammern selber sind von 1 bis 7 durchnummeriert. Mit ein bisschen Planung könnt ihr relativ schnell durch die Anfänge von The Talos Principle rasen, vor allem die Beschilderungen zu den einzelnen Tests aktualisieren sich live. Das bedeutet, wenn ihr ein Puzzlestück schon errungen habt, ist auch auf der Beschilderung, die euch den Weg weist, dieses mit einem großen X durchgestrichen.
Die Kammern selbst beginnen einfach, schenken euch aber nach ein paar Spielstunden nichts mehr. Da gibt es Würfel (hallo, Portal), die ihr herumtragen könnt und auch als Steigbügel verwenden dürft, um höher gelegene Ebenen zu erreichen. Verschiedenfarbige Laser müssen mittels sogenannten Konnektoren umgelenkt werden, damit die Empfängermodule gespeist werden und etwa die Energiebarrieren in der Nähe auflösen. Rot-schwarze Kugeln sind mehr oder weniger die patrouillierenden Wächter in The Talos Principle, wenn sie euch in ihrem begrenzten Sichtradius erblicken, werdet ihr brutalst außer Gefecht gesetzt und müsst das eine Rätsel von vorne beginnen.
Damit euch aber nicht langweilig wird, haben die MacherInnen von The Talos Principle auch an Selbstschussanlagen gedacht. Richtig gelesen, ganz wie in Metal Gear Solid und dergleichen erwarten euch hinter manchen Ecken fiese Todesmaschinengewehre. Ein Glück, dass ihr in manchen Rätseln mobile Elektro-Jammer-Geräte herumtragt und diese sind genau dafür gedacht, solche Anlagen oder Energiebarrieren außer Kraft zu setzen. Positiv fällt auf, dass ihr in so gut wie jeder Kammer genau wisst, wo ihr hinmüsst, erst später im Spiel wird das Game labyrinthartiger und schickt euch schon mal gern in die falsche Richtung.
Auch ein Level: Viele Selbstschussanlagen und ein Wächter
Technisch ausgereift, akustisch brillant
Gleich vorweg: Es ist ein Rätselspiel, und in den Kammern tut sich abgesehen von den sich bewegenden Wächtern nur wenig. Da bleibt schon ordentlich Rechenpower für die sonstige Gestaltung übrig, und hier glänzt The Talos Principle ungemein. Die Texturen sind extrem hübsch, die Animationen, Schatten und Bewegungen kommen butterweich rüber, und es ist schon in Ordnung, dass die Räumlichkeiten selbst daneben eher steril wirken. So werdet ihr nicht vom Knobeln abgelenkt, und später ist sowieso genug los, um eure grauen Zellen auf Hochtouren zu halten. Auch die Idee, mit der Dreieck-Taste die Zeit zurückzudrehen, wurde optisch schön umgesetzt und sorgt für ein homogenes Gesamtbild.
The Talos Principle tut sich jedoch durch die Akustik erst so richtig hervor. Die musikalische Hintergrunduntermalung sucht ihresgleichen, und die klassisch angehauchten Klänge motivieren euch stets weiter, ohne je zu nerven. Je nach Umgebung ändert sich natürlich auch der Stil, aber prinzipiell hört ihr einen Goldgriff nach dem anderen. Auch die Gottesstimme tönt satt aus den Lautsprechern, wobei ihm durch seine Natur einfach die Sassiness eines Wheatley aus Portal 2 fehlt. Sehr bieder und mit unbegrenzt großem Ego spricht der Erbauer zu euch – das kann einerseits majestätisch wirken, andererseits auch langweilen.
Eure Jammer im Einsatz
Der philosophische Ansatz
Die Story mit ihren drei Enden bietet euch mehr als genug Stoff zum Grübeln und Mitdenken. Oft werden geschichtliche Fakten ausgegraben und neu interpretiert, doch auch Grundlagen wie etwa die menschliche Neugier und interessante Gedankenspiele über die Gesellschaft bekommen von den Computern ihr Fett weg. E-Mails, Botschaften und QR-Codes auf Wänden, Usereinträgen in diversen Foren und mehr werden euch in den Terminals präsentiert, ab und zu habt ihr auch Auswahlmöglichkeiten, die scheinbar Auswirkungen auf das Game haben, wie ihr als Mensch (seid ihr überhaupt ein Mensch? Was macht einen Mensch zum Menschen?) wahrgenommen werdet.
Dazu muss allerdings gesagt werden: Diese Terminals und all ihre Fülle an Optionen und Informationen sind rein optional. Gewisse Dinge wie etwa das Anlegen eines Nutzeraccounts sind natürlich ein Muss, daran kommt ihr nicht vorbei – aber ihr müsst nicht jeden Log-Eintrag durchlesen und schon gar nicht verstehen. Viele psychologische Fakten und Theorems haben ebenso ihren Weg gefunden wie diverse Ideen aus verschiedenen Religionen. Fakt ist: Ihr seid nicht die Ersten, die diese Reise auf sich nehmen, und die Botschaften versuchen teils, euch massiv zu beeinflussen. Ihr entscheidet jedoch, ob ihr dies zulässt oder nicht…
Der DLC: Road to Gehenna
Der Schwierigkeitsgrad zieht gegen Ende des Hauptspiels nochmal gehörig an, doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was euch in Road to Gehenna erwartet. In diesem DLC erwarten euch die härtesten Rätsel bisher, und AnfängerInnen, die sich im Hauptmenü gleich mal für den DLC entscheiden, werden garantiert überfordert. Wer also nicht vorher die 15-20 Stunden in The Talos Principle investiert, muss hier scheitern: Zu geballt kommen alle Mechanismen schon in den ersten Kammern vor, und zu knackig erscheinen die Rätsel. Wenn ihr euch also die Deluxe Edition leistet, stellt sicher, dass ihr auf jeden Fall mit dem Hauptspiel beginnt. Viel geändert hat sich allerdings nicht: Die technische Seite bleibt die selbe, und die Werkzeuge, mit denen ihr das lustige Parcours-Knobeln in Angriff nehmt, bleiben ebenfalls gleich.
Ein schöner Ausblick und noch viel zu tun (links oben)
Grübeln mit Mehrwert: The Talos Principle
Es ist nicht leicht, das Spiel in eine Schublade zu kategorisieren. Einerseits lassen sich Parallelen zu Portal schnell ziehen, andererseits geht der Hintergrundgedanke in eine völlig andere Richtung. Fakt ist, dass dieser Titel mit mehr als „nur“ Rätseln aufwartet. Es fordert schon manchmal auch ein heftiges In-Betracht-Ziehen der eigenen Werte und bietet Stoff zum Nachdenken in mannigfaltiger Weise an. Das Beste daran ist, dass es jedoch komplett optional ist. Wollt ihr also rein nur für das Spiel kommen, so bietet euch The Talos Principle auch diese Möglichkeit. Ihr müsst ja nicht jede Textdatei lesen und verstehen, und diese Anregungen haben auch nie etwas mit den Levels zu tun. Es geht rein um eure Einstellung und was ihr von dem Spiel mitnehmen wollt – was ihr nicht mögt, bleibt liegen. So, wie eine gute Vorlesung sein sollte. Wenn ihr mich entschuldigt – ich muss noch im Reich des Glaubens ein paar Rätsel lösen…