Tiny Brains (PS3) im Test
Was kommt heraus, wenn man die drei Wikinger aus The Lost Vikings zusammen mit Pinky und Brain in ein Aperture-Science-Labor sperrt, den Schlüssel wegwirft und die durchschnittliche Entwicklungsdauer eines PSN-Indiegames abwartet? Tiny Brains! Zumindest passt dieser Vergleich was das Gameplay, den Witz und das Genre des kürzlich erschienenen Puzzlers betrifft. Ob das Erstlingswerk des kanadischen Indiestudios Spearhead Games aber auch den knallharten Versuchen in meinem Testlabor standhält oder ich nach kurzem Gebrauch den Strahlenschutzanzug auspacken muss, lest ihr in meinem Test.
Tierische Grüße aus Moskau
Eigentlich haben sich die EntwicklerInnen von Spearhead Games einen guten Zeitpunkt ausgesucht, um mit ihrem Debüt Tiny Brains die hart umkämpfte Arena des Playstation Network zu betreten. Keine Big-Budget-Neuerscheinungen und ein Wetter, das sowieso zum gemütlichen Vor-dem-Fernseher-Sitzen einlädt – das sind Laborbedingungen für einen Gamelaunch. Apropos Labor: Die Hauptrolle in dem Puzzle-Plattformer spielen vier Versuchstiere, die von einem durchgedrehten russischen Wissenschaftler mit übersinnlichen Kräften ausgestattet wurden. Dax, die Fledermaus, Stew, das Kaninchen, Minsc, der Hamster und Pad, die Maus, werden von ihrem Schöpfer einer Reihe von Intelligenztest unterzogen. Im Storymode, dem an die drei Stunden langen Herzstück von Tiny Brains, gilt es, durch den geschickten Einsatz der vier Spezialfähigkeiten eine Reihe von Testkammern zu absolvieren. Jeder Raum bildet dabei ein in sich geschlossenes Rätsel, das gelöst werden will. So kombiniert ihr zum Beispiel Stews Ansauge-Attacke mit dem von Minsc erzeugten Eisblock, um einen Schalter zu betätigen und so den Ausgang zu erreichen.
Man lebt nur viermal
Richtig Spaß macht Tiny Brains zu viert. Zusammen mit bis zu drei FreundInnen könnt ihr on- oder offline eure Kombinationsgabe und Geduld auf die Probe stellen. Am meisten Laune kommt auf, wenn ihr zusammen mit euren FreundInnen auf der Couch sitzt. Die nett gemeinte Option, per Tastendruck einen Pfeil auf dem Bildschirm zu platzieren, um den MitspielerInnen nonverbal begreiflich zu machen, was sie tun sollen, ersetzt den im PSN leider seltenen Voice-Chat ebenso wenig wie das Geschrei und das wilde Gestikulieren auf der Wohnzimmercouch. Wer gar keine FreundInnen hat und zu allem Überfluss noch ein Dasein ohne stabile Internetverbindung fristet, kann auch im Solomodus rätseln. Dann wechselt ihr per Tastendruck zwischen den putzigen Viechern hin und her. Da das richtige Timing beim Knacken der Kopfnüsse aber oft eine entscheidende Rolle spielt, fühlt man sich als SolospielerIn stellenweise etwas überfordert. Ähnlich frustrierend wie das Rätseln im Alleingang sind die Beschütz- und Ballmissionen, die das Gameplay „auflockern“. In erstgenannten Missionen werdet ihr dazu verdammt, ein rosa Küken namens Pinky vor einer Horde angreifender Hühner zu beschützen. Dabei greift ihr auf eure Fähigkeiten und den klassischen Auf-den-Kopf-Hüpfer à la Mario zurück, um die Feinde zu erledigen. In letztgenannten Missionen kämpft ihr hingegen weniger gegen Feinde als gegen die Spielphysik und den Cooldown-Timer der Spezialfähigkeiten, wenn ihr versucht, einen Ball eine Bahn entlang in ein Loch zu bugsieren. Dank der fair platzierten Checkpoints hält sich die Frustration aber in Grenzen.
Die Idee ist nicht genug
Art Direction und Humor von Tiny Brains erinnern an Toon-Highlights wie Die Ren & Stimpy Show oder Pinky und der Brain gemixt mit einer Dosis Kalter-Kriegs-Paranoia und einer Prise Sowjet-Pseudowissenschaft. Neben dem atmosphärischen, liebevollen Leveldesign wird die Geschichte hauptsächlich durch die Monologe des Wissenschaftlers vorangetrieben. Leider kann der Witz und Charme dabei nicht ganz mit dem Irrwitz von Ren und Stimpy, den popkulturellen Anspielungen von Pinky und Brain oder dem trockenen Humor von GLaDOS mithalten. Die durchaus gelungene Präsentation ist aber eine der stärkeren Seiten von Tiny Brains. Der Soundtrack ist stimmig und die Grafik mit ihrem Comiclook vergleichsweise solide.
Problematisch sind dagegen die Abschnitte, wo nicht gerätselt, sondern gerollt oder beschützt wird. Ein wenig mehr Abwechslung in den Puzzleräumen hätte auch nicht geschadet. Obwohl man immer wieder mal tüfteln muss, um einen Raum abzuschließen, fehlen vor allem gegen Ende die großen Aha-Erlebnisse à la Portal. Unter dem Strich schafft es Tiny Brains nicht, den Erwartungen gerecht zu werden, die man sich angesichts des gelungenen Designs und der starken ersten Levels macht. Daran ändern auch die zusätzlichen Spielmodi, bei denen ihr on- oder offline gegeneinander antretet, nicht wirklich etwas. Schade, denn vor allem mit FreundInnen auf dem Sofa macht Tiny Brains in seinen guten Momenten wirklich Laune.