Was mir am Google-Event nicht gefallen hat

von postbrawler 05.10.2016

Googles 4. Oktober-Event ist Geschichte, und die Menschheit wird wohl nicht noch in 8 Jahren darüber reden. Es sei denn, sie haben heimlich, still und leise währenddessen SkyNet online gebracht. Aber das, was es zu sehen gab war eher Stangenware. Warum ich nicht so begeistert war, wie ich es gerne gewesen wäre, könnt ihr hier nachlesen.

Der Screen

Wer die gestrige Ankündigung von Google mitverfolgt hat, wird vielleicht ein Gefühl dafür bekommen haben, warum die Pixel-Phones so heißen. Der Bildschirm, auf dem die Produkte präsentiert wurden war so nah an der Kamera, und so pixelig, dass die Hemden der davorstehenden SprecherInnen aussahen wie Super Marios Overall zu NES-Zeiten. Das so etwas einem Industriegiganten wie Google passiert, wirkt schon fast lächerlich amateurhaft.

pixel

Überhaupt wirkte der ganze Event ein wenig klein-dimensioniert. Während Apple sich große Hallen mietet, fand der Pixel-Event im alten Traforaum einer Schokoladenfabrik statt. Viele ZuseherInnen mussten auf Stehplätze ausweichen. In der ersten Reihe war man quasi auf Tuchfühlung mit den Google-Granden. Dafür, wieviel Marketing-Aufwand im Vorfeld in die Pixel-Phones investiert wurde, mutete das eigentliche Ereignis dann wie ein SchülerInnentreffen im Hinterhof an.

Nichts Neues

„Das kennt man ja schon!“ Das dachten wir uns auch beim iPhone 7. Und dann kam Super Mario! Was war Googles geheime Trumpfkarte? Es gab keine. Alle Specs, das Design und die Namen der Geräte waren im Vorfeld schon an die Öffentlichkeit gedrungen. Das wäre an sich nichts Schlimmes. Auch die Samsung-Events sprühen nicht unbedingt vor Überraschungen. Pech für Google, dass man den Event quasi als Meilenstein in der Geschichte mobiler Geräte und Betriebssysteme positionieren wollte. Entsprechend groß waren dann natürlich auch die Erwartungshaltungen.

madebygoogle

Irgendeine Geheime Zutat muss es doch geben, um die Pixels aus der Masse hervorstechen zu lassen? Okay die vollmundige Behauptung, man habe die beste Smartphone-Kamera entwickelt, ist bis zu einem gewissen Maße überraschend. Niemand hatte im Vorfeld damit gerechnet, dass man Apple in dieser Disziplin herausfordern wolle. Andererseits passiert das bei jeder neuen Gerätegeneration und Hardware-Iteration. Jeder Hersteller proklamiert für sein Produkt die beste Smartphone-Cam aller Zeiten, und das im Monatsintervall.

Auch auf Betriebssystem-Seite nichts Neues. Android Nougat bleibt das Maß der Dinge in der Android Welt. Kein etwaiger Merge mit Chrome-OS zu Andromeda, kein Fuchsia, nicht einmal die Entwicklung an Android 8 wurde bestätigt.

Bei den Themen VR und Home-Automation wurde der Innovationsdrang dann doch noch etwas deutlicher, aber dazu mehr in meinem Artikel was ich am Google-Event gut fand.

Wenig Handfestes

Immer wenn Apple ein neues iPhone ankündigt, dann zelebriert man förmlich die Entstehungsgeschichte und das Innenleben der Geräte. Da werden Videos von Rohformen und exotischen Veredelungsverfahren gezeigt. Der Prozessor gleitet wie von Zauberhand in die Passform, und die Kamera zerlegt sich vor den Augen des staunenden Publikums in ihre Einzelteile. Letzteres gab es auch bei der Pixel-Präsentation. Aber es wirkte irgendwie hastig und lieblos. Google schenkte den kleinen Details, die uns so anfixen, zu wenig Aufmerksamkeit. Viele coole Features wurden überhaupt nur am Rande erwähnt.

Ein Beispiel dafür ist Daydream-ready. Dieses einfache Buzzword bringt eine Reihe von Voraussetzungen mit sich. Der Lagesensor und das Gyroskop müssen sehr präzise zusammenarbeiten um mit den modernen Head-Tracking-Verfahren der großen VR-Konkurrenz mithalten zu können. Diesem Umstand zollte man in der Präsentation aber kaum Tribut. Auch die Performance des verbauten Snapdragon 821 Prozessors wurde nicht in dem Maße gewürdigt, wie Apple die Iterationen seiner AX-Chips anpreist. Das mag daran liegen, dass der Performancesprung marginal ist. Um brauchbares VR auf Full-HD und höher zu präsentieren, braucht es aber schon sehr viel Rechenkraft. Für mich ist nicht klar hervorgegangen, ob die Pixel-Phones sich dieser Aufgabe gewachsen fühlen, oder nicht.

Stakkato-artige Abwicklung

Irgendwie haftete der Google-Präsentation eine gewisse Ruckartigkeit und Unruhe an. RednerInnen überreichten sich in wildem Stakkato das Mikro. Wenige einleitende Worte mussten den Produktneuheiten genügen. Viel zu schnell waren die Höhepunkte da, und die Feature-Listen durchexerziert. Okay, Google hat jetzt eine Hardware-Abteilung. Wurden die Geräte nicht von HTC gefertigt? Aha, sie machen auch WLAN-Router. Und was können die besonders? Oh schon das Nächste – eine sprechende …Blumenvase? Die kann mit den neuen Chromecasts reden. Danke für die Aufmerksamkei…BZZZZZ!

Vor allem das Ende der Präsentation für Live-stream KonsumentInnen mutete mehr als merkwürdig an. Fast schon so, als würde man sich die ZiB auf 3Sat ansehen. Mitten im Satz wurden wir aus dem Saal geworfen, als wären wir unerwünschte Zaungäste. So geht man nicht mit seinen Fans um, Google!

Google-Event

Nur Meta-Information zu AI und Machinelearning

Die große Innovation, die Google im Vorfeld in Aussicht stellte, war dann gar keine Greifbare, sondern eher eine Theoretische. Der Google Assistant. Diese direkte Konkurrenz zu Siri und Cortana beruht auf Googles beispiellosen Bemühungen in den Forschungsfeldern maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz sowie Text- und Bilderkennung.

Es wurden ein paar Szenarien durchgespielt, wie der Google Assistant das Leben vereinfachen kann. Und er lebt nicht nur in unseren Pixel-Phones, dem Messenger Allo und der Foto-App. Auch Google Home (die sprechende Blumenvase) ist die Polycarbonat-gewordene Hülle des besten Assistenten, den die IT je hervorgebracht haben soll. Das klang schon alles ganz nett und verlockend. Aber es ist eben noch sehr theoretisch. Im Englischen mag das ja schon ganz gut klappen. Aber was ist mit Deutsch, und anderen Sprachen?

Wie verbinde ich den Assistenten mit meiner Stereoanlage? Wie genau will er über HDMI meinen Fernseher steuern? Welche Rolle spielen die Pixel-Phones in meinem Smart-Home? All das sind Fragen, die Google im Zuge der Präsentation nur spärlich bis gar nicht beantwortet hat. Und wo offene Fragen bleiben, entsteht Skepsis.

Google-Event Analyse

Wenn Google schon den Stil, die Sprache und die Produkte von Apple kopieren möchte, dann haben sie noch viel Arbeit vor sich. Denn die Fallost-Apostel aus Cupertino machen ihren Job seit fast einem Jahrzehnt. Eine Milliarde verkaufte Geräte sprechen auch dafür, dass sie ihn ganz gut machen. Apple beantwortet selbst Fragen, die der Nutzer niemals stellen würde. Und sie verkaufen fragwürdige Neuerungen wie den fehlenden Audioport als Bereicherung für die Menschheit. Dann kommt Google und will unser Zuhause automatisieren. Ja gerne, aber nächstes Mal bitte mit etwas mehr Elan und Information!

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[…] gehyped wird, hat man spätestens am 4. Oktober auf dem Google-Event zu den Pixel-Phones gesehen. Es gab aber auch ein paar Dinge, die mir imponiert haben. Welche das waren, möchte ich hier […]