Wie uns Dark Souls mächtig macht

von Marianne Kräuter 22.11.2018

Was gibt es über Dark Souls noch zu sagen?

Welcher Aspekt des Spiels wurde nicht schon tausendfach in Rezensionen, Analysen und Foren aufs Genauste durchleuchtet und in den unterschiedlichsten Formen wiedergekäut? Dark Souls und der Tod, Dark Souls und Depression, Dark Soulsgrandioses Leveldesign, Dark Souls und seine tiefgründige Lore, Crossover-Fanfiction zu Dark Souls und My Little Pony,… Wahrscheinlich findet man in einer dunklen Ecke des Internets auch eine zwanzigseitige Abhandlung über die Parallelen zwischen Dark Souls und den Vietnamkrieg oder ähnlich Absurdes.

Nun ist es an der Zeit, dass ich mit diesem Text ebenfalls einen Tropfen in das schier unendliche Meer von Geschreibsel über Dark Souls fallen lasse und darüber rede, wie uns From Softwares moderner Klassiker übermäßig mächtig macht.

Mari levelt auf

Das Thema mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen, wirkt unsere Spielfigur in Dark Souls doch außerordentlich schwach. Nicht nur im Vergleich mit den Hürden, denen sie sich stellen muss, sondern auch im Vergleich mit den übermenschlichen Helden anderer moderner Action-Rollenspiele. Doch lasst mich erklären, warum ich mich hier dennoch mächtiger fühlte, als in der Rolle jeder omnipotenten Spielfigur.

Als ich neulich den Test zur Switch-Version meines Kollegen David las, bekam ich wieder so richtig Lust auf das Spiel und wagte mich auf der Remastered Edition für PC an einen zweiten Durchgang. Dabei fiel mir auf, wie schnell und problemlos ich verglichen mit meinem ersten Spieldurchgang vorankam, auch wenn mein Charakter genau so schwach war, wie damals. Nicht die Spielfigur war besser geworden, ICH als Spielerin hatte dazugelernt.

Dass man Dark Souls – trotz seines Rollenspielcharakters – prinzipiell durchspielen kann, ohne auch nur einmal zu leveln, wurde bereits von Streamern und YouTubern zur Genüge bewiesen. Ich habe mit dieser „Erkenntnis“ also wahrlich keinen Innovationspreis gewonnen. Dennoch war es eine völlig andere, ermächtigende Erfahrung, diesen Lerneffekt am eigenen Leib zu spüren, als einen fremden, professionellen Spieler oder eine professionelle Spielerin bei ihrer Meisterleistung im Internet zu beobachten.

(c) From Software

Macht den SpielerInnen, nicht den Spielfiguren

Und hier komme ich wieder auf meinen Vergleich mit anderen modernen Action-RPGs zurück, sei es nun Assassin’s Creed, die neusten Tomb Raider-Ableger oder Horizon Zero Dawn. Stets ist meine Spielfigur ein beinahe unkaputtbarer Übermensch, der im Laufe des Spiels immer durchschlagskräftigere Waffen erhält und wirksamere Upgrades anhäuft, während von mir als Spielerin kaum gefordert wird, mich zu verbessern. Auch wenn Ezio, Bayek oder Kassandra im Laufe der Spielzeit immer stärker werden, bin ich persönlich nie zu einem gewieften, reaktionsschnellen Meuchelmörder geworden. Und wenngleich Lara die gefährlichsten Kletterpassagen meistert und sich ohne mit der Wimper zu zucken durch Gegnerhorden mäht, bin ich weder zu einer wendigeren Kletterin noch zum Schusswaffenass mutiert.

Nicht so in Dark Souls: In diesem Werk fühlt sich meine Figur bis zum Spielende im Vergleich zu den Monstrositäten, die sich ihr in den Weg stellen, geradezu lächerlich schwach an. Anstatt durch die Stufe meines Charakters entscheiden sich Duelle allein durch mein persönliches Geschick. Das Spiel hat mich somit zu einer taktischeren, besonneneren Kämpferin gemacht. Ich weiß, wie ich meine Gegner lesen muss, welche Ausrüstung ich zu welchem Zeitpunkt am besten einsetze, wie ich das Gelände zu meinem Vorteil nutze, wann genau ich zuschlagen kann und wann ich ausweichen soll.

Während in den meisten anderen modernen Spielen also meine Spielfigur immer mächtiger wird und von mir als Spielerin kaum gesteigertes Können gefordert wird, hat Dark Souls mich persönlich mächtiger werden lassen.

Abenteuer statt Kaffeefahrt

Aber nicht nur durch das sukzessive Meistern des Gameplays ermächtigt uns das Spiel von From Software. Auch in vielen anderen Punkten erkennt uns Dark Souls als mündige, eigenständige SpielerInnen an: Hier gibt es keine eng gesteckten Missionsgebiete oder ausgetretenen Levelpfade, denen wir stupide von Anfang bis Ende folgen. Fast immer müssen wir uns für einen von mehreren Wegen entscheiden, die zu verwinkelten und weitläufigen Gebieten führen. Blinkende Symbole, die uns wie aufgescheuchte blinde Hühner von einer stupiden Sammelquest zur nächsten treiben, sucht man hier ebenso vergeblich. Gegenstände, Nebenmissionen und NPCs wollen durch sorgfältiges Erkunden der Umgebung entdeckt werden.

Das Spiel vertraut also darauf, dass wir unseren Verstand gebrauchen und uns selbst in diesem fremden Land zurechtzufinden. Ja, dadurch kann man schon mal das ein oder andere Geheimnis versäumen, oder die Quest eines Nebencharakters verpassen, aber auch das macht den Reiz dieser Welt aus: Wir erleben sie ganz nach unserem Ermessen und unseren eigenen Fähigkeiten. – Ein Abenteuer ins Unbekannte anstelle einer minutiös durchgetakteten Busreise.

Für voll genommen

In Dark Souls geht die Freiheit der Spielerin bzw. des Spielers so weit, dass wir – genügend Kampfgeschick vorausgesetzt – ausnahmslos jede andere Figur töten können und so ganze Teile der Geschichte verhindern oder gar erst dadurch auslösen. Auch hier nimmt uns das Spiel völlig ernst und versucht in keinster Weise die Autorität unseres Handelns zu untergraben.

Das ist deshalb so bemerkenswert, weil Questgeber oder wichtige NPCs in den meisten anderen Spielen als unantastbar gelten. Oft lassen Spiele es einfach nicht zu, bedeutende Charaktere zu verletzen oder gar die Waffe gegen sie zu erheben. So zum Beispiel in Skyrim, in dem man zwar problemlos seine Waffe ziehen und wichtige Charaktere attackieren kann, der verursachte Schaden allerdings nicht gewertet wird. Plötzlich bricht das Spiel die Immersion und lässt uns spüren, dass wir nicht mehr sind als ein kleines Kind mit Weidenstock, der nur solange zum scharfen Schwert wird, wie es die SpielentwicklerInnen billigen. Nichts könnte uns unsere Machtlosigkeit stärker demonstrieren. Dark Souls hingegen lässt uns durch unsere freie Handlungsgewalt und die Konfrontation mit deren unerschütterlichen Konsequenzen das genaue Gegenteil spüren.

Was dich umbringt, macht dich stärker

Doch am allerstärksten werden wir durch die Momente, in denen uns Dark Souls zunächst zum oder zur Schwächsten macht. Denn es nimmt auch unser Bemühen, unseren Kampf gegen die Hürden des Spiels ernst. Anstatt uns pseudospannende Szenen vorzusetzen, in denen ein Scheitern nahezu unmöglich ist, bzw. dessen Tragweite durch einen automatischen Spielstand wenige Sekunden zuvor völlig zunichte gemacht wird, vertraut es darauf, dass wir einen Weg finden, mit den schier unüberwindbar scheinenden Hindernissen, die es uns in den Weg stellt, fertig zu werden. Zu scheitern und wieder aufzustehen. Aus jeder Niederlage zu lernen und ein Stückchen schneller, taktischer, gerissener zu werden. Nicht als Charakter, sondern als Person mit vor Anspannung pochendem Herzen und schweißnassen Händen vor dem Bildschirm. – Und das ist ganz schön mächtig!

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